ATP Halle: Borna Coric - "Der größte Moment meiner Karriere"

Die Auftakthürde auf dem Weg zur Titelverteidigung hat Borna Coric am Dienstag mit dem Erfolg gegen Jaume Munar souverän genommen. An den Coup von 2018 erinnert sich der Kroate gerne zurück.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 19.06.2019, 11:56 Uhr

Borna Coric hat in Halle 500 Punkte zu verteidigen
© Getty Images
Borna Coric hat in Halle 500 Punkte zu verteidigen

Als Roger Federer im Februar auf historischer Mission unterwegs war, begegneten sich auch wieder die Wege des Maestro und seines jungen Herausforderers Borna Coric. Doch im Halbfinale von Dubai konnte der 22-jährige Kroate nicht einen ähnlichen Knalleffekt wie noch im Vorjahr bei den ATP-Festspielen im ostwestfälischen Halle erzeugen, dort hatte Coric den großen Meister seinerzeit ja im Finale sensationell ausgebremst, kurz vor dem zehnten Titel. Aber am Arabischen Golf triumphierte Federer, in der Vorschlussrunde gegen Coric, dann auch im Endspiel – perfekt war der 100. Turniersieg. Und auch Coric, der äußerst starke Vertreter der neuen Tennisgeneration, gehörte zu den Gratulanten: „Roger ist eine Legende. Ich bin immer noch glücklich, dass ich ihn in Halle schlagen konnte“, so Coric, „das war der größte Moment meiner Karriere. Das wird immer unvergesslich sein.“

Mit Corics Namen, mit dem Namen des verblüffenden ATP-Siegers von Halle, aus dem Vorjahr, indes verbinden sich schon länger ziemlich starke Erwartungen. Denn der bullige Kämpfertyp war bereits die Nummer eins der Junioren-Weltrangliste, und er gewann in jenen Jugendjahren auch einen Nachwuchs-Grand-Slam, vor fünf Jahren in New York. Da wunderte nicht, dass Coric auch im Erwachsenentennis seine Ambitionen hatte, dass er schnell auf der großen Tour durchstarten wollte. „Ich hatte immer große Ziele und große Träume“, sagt der 22-jährige, „aber man merkt dann schnell, dass es eine ganz andere Welt ist bei den Profis, dass noch einmal viel schneller, intensiver, härter im Wettbewerb gespielt wird.“

Schwieriger Übergang für Coris zu den Herren

Coric erlebte, was viele aus nachwachsenden Generationen im Tennis erlebten – einen schwierigen Übergang, eine alles andere als reibungslose Transformation, verpasste Chancen, kleinere und größere Leistungskrisen, auch heftige Rückschläge. Beirren ließ er sich dennoch nicht entscheidend. Ostern 2017 schaffte Coric seinen ersten Triumph im ATP-Wanderzirkus, im Endspiel von Marrakesch rang er Philipp Kohlschreiber in einem dramatischen Duell nieder.

Es war Corics auch bis dahin erster eindrucksvollster Gesamtauftritt, der Nachweis, dass er nicht zu Unrecht als einer der Stars für die Zukunft gehandelt worden war. „Corics Spiel ist für sein Alter eigentlich stets sehr ausgereift gewesen schon immer agierte er sehr methodisch, sehr strukturiert“, sagt der Schwede Mats Wilander, selbst einmal die Nummer 1 der Weltrangliste, über den Youngster. Was Coric lange Zeit gefehlt hatte, war die Hartnäckigkeit gewesen, sein Spiel konsequent und kontinuierlich durchzusetzen – der lange Atem halt, die Geduld, auch die nervliche Abgebrühtheit. Oft verlor er erst die Contenance und dann die klare Sicht aufs Spiel. Doch mit zunehmender Reife, mit Erfahrung im Spitzentennis schliffen sich die Probleme ab.

Goran Ivanisevic ist optimistisch

Der Blick auf den Kroaten täuschte immer auch ein wenig. Denn Coric war ja so früh in den Tourbetrieb eingestiegen, dass man glatt vergaß, wie jung er eigentlich noch ist. Er wirkte in seiner ganzen Erscheinung auch älter als er wirklich war - Anfang Zwanzig, und damit gerade erst  im Begriff, seine Potenziale auszuschöpfen und realistisch bestimmte Ziele anzupeilen. „Er hat das Beste ganz sicher noch vor sich. Wir werden noch über viele Jahre viel Freude an ihm haben“, sagt Kroatiens Idol Goran Ivanisevic denn auch, „man muss ihm Zeit lassen, Zeit auch, sich selbst richtig zu finden.“ Corics berufliche Fortschritte, auch dank gewachsener Routine, zeigten sich fast symptomatisch in seinen Halle-Jahren. Noch als Teenager schlug er erstmals bei den Rasen-Festivitäten auf, 2016, gewann das Auftaktmatch gegen Altersgenosse Donald Young aus den USA, um dann am damaligen Weltranglisten-Sechsten Tomas Berdych zu scheitern.

Zwölf Monate später verlor er ein begeisterndes Auftaktmatch gegen Belgiens Flitzer David Goffin, allein zwei der drei Sätze gingen seinerzeit in den Tiebreak. Es war schon besser, viel besser geworden, aber noch nicht gut genug für einen der unbequemsten Gegner auf der Tour, für den zähen Goffin. Aber Corics Kampfansage seinerzeit war unmißverständlich: „Ich werde wiederkommen, und dann möchte ich auch um den Titel mitspielen.“ Große Worte waren es damals für einen Erstrundenverlierer, aber Coric ist eben einer, der dem Think Big-Prinzip folgt. Immer, auch durch alle Schwierigkeiten seiner Laufbahn hindurch. „Wer sich keine großen Ziele setzt, kann auch nichts Großes erreichen“, sagt er.“ 2019 stand er dann erstmals ganz oben auf dem Podium bei einem der Topwettbewerbe, eben in Halle, an jenem Ort, an dem er seine Ansprüche selbstbewusst formuliert hatte. Und veredelt hatten den Triumph der Mann, der ihm in einem knüppelharten Match gegenüberstand – Federer, der Rekordchampion, der neunmalige Sieger.

Schub für das Selbstbewusstsein

Und nun, was ist beim Projekt Titelverteidigung zu erwarten von ihm? Coric erlebte bis in den Frühling hinein ein sehr gutes Tennisjahr 2019, er wirkte gefestigter, mental robuster als etwa in der Startphase der vorherigen Tennisserie. „Halle, das war auch so ein Schub fürs Selbstbewusstsein“, sagt Coric, „ich merkte nach einigen Tiefs zuvor wieder: Du kannst auch diese Topspiele gewinnen, mit den Besten mithalten auf Augenhöhe.“ Bei den Australian Open 2019 kam Coric Mut machend in die Saison hinein, spielte sich bis ins Achtelfinale vor. Dem beeindruckenden Halbfinal-Vorstoß beim 500er-Wettbewerb in Dubai und der dortigen Niederlage gegen Federer folgten rasch auch Viertelfinal-Vorstöße bei den Masters-Wettbewerben in Miami und Monte Carlo, einmal auf Hartplatz, einmal auf Sand.

Damit stabilisierte sich der 22-jährige in der Rolle des guten Allrounders auf einmal auch unter den Top 20 und schuf sich sogar eine günstige Plattform, um das Top Ten-Revier zu erobern. „Ich freue mich schon auf Halle. Es ist ein schönes Turnier, bei dem man kurze Wege hat. Und ein Turnier, dass es einem als Spieler einfach macht, weil es gut organisiert ist“, sagt Coric, „dort jetzt als Titelverteidiger ins Rennen zu gehen, ist etwas ganz Besonderes.“

von Jörg Allmeroth

Mittwoch
19.06.2019, 13:44 Uhr
zuletzt bearbeitet: 19.06.2019, 11:56 Uhr