Dominic Thiem exklusiv – „Es hapert zurzeit ein bisschen am Selbstvertrauen“

Dominic Thiem im exklusiven tennisnet.com-Interview nach seinem Viertelfinal-Aus beim ATP-Turnier in München.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 04.05.2015, 21:12 Uhr

Den KanadierVasek Pospisilhatte er in einem Kriminach der Abwehr von zwei Matchbällen bezwungen, mit dem ItalienerFabio Fogninidann einen der besten Sandplatzspieler der Weltsensationell klar mit 6:3, 6:0 abgefertigt. Im Viertelfinale des ATP-Turniers in München war Dominic Thiem seiner Favoritenrolle aber nicht gerecht geworden und überraschenderweisemit 6:7 (5), 6:3, 3:6an LandsmannGerald Melzergescheitert. Im exklusiven tennisnet.com-Interview direkt nach dem Spiel gab der 21-jährige Niederösterreicher überraschend offene Einblicke in die aktuelle Problemlage.

„Das ist eine Partie, in die Gerald als klarer Außenseiter hineingeht“, aber auch „wo der ganze Druck bei Dominic liegt“:Das hatte Jürgen Melzer vor diesem Spiel gemeint.Wie sehr war’s denn vielleicht wirklich eine Sache des Drucks, dass du deiner Favoritenrolle gegen Gerald nicht gerecht werden konntest?

Es war keine Sache des Drucks. Gerald hat drei Matches in der Qualifikation gewonnen, dann natürlich riesiges Selbstvertrauen. Und bei dem hapert’s halt bei mir zurzeit ein bisschen. Der Sieg gegen Fabio Fognini ist vielleicht irgendwo auch ein bisschen zu leicht gegangen. Gerald war diesmal einfach der bessere Spieler und ich habe nicht gut genug gespielt. Das ist mal das Hauptthema, das man sagen muss.

Im ersten und dritten Satz hast du zudem auch viel zu wenige erste Aufschläge ins Feld gebracht(43 bzw. 40 Prozent; Anmerkung). Ist das nicht schon ein bisschen ein Zeichen der Anspannung gewesen?

Na sicher war ich angespannt. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass es nicht so gewesen ist. Aber das ist gegen andere Gegner genauso. Eigentlich hätte ich gedacht, dass ich das Match mit dem Gewinn des zweiten Satzes ein bisschen unter Kontrolle habe. Dann habe ich einen Breakball im ersten Game des dritten Satzes nicht genützt. Aber das sind so kleine Sachen. Alles in allem habe ich einfach nicht gut genug gespielt.

Zu deiner Court-Position: Du bist sehr, sehr weit hinter der Grundlinie gestanden. Ist das dann auch eine Sache des fehlenden Selbstvertrauens, dass du einen Meter weiter vorne stehen würdest, wenn du wüsstest, es läuft ein bisschen besser?

Sicher, ja. Aber es liegt auch am – wegen der Höhenlage – extrem hohen Absprung, auch an ein paar schlechten Absprüngen. Man sucht dann halt immer, wenn’s nicht so gut läuft, ein bisschen eine Sicherheit. Das äußert sich bei mir dann halt leider so, dass ich mich immer weiter zurückdrängen lasse.

Dein Headcoach und Manager Günter Bresnik hatte es schon im Vorjahr in Kitzbühel sehr drastisch formuliert: „Wenn er weiter da hinten stehenbleibt, kann er gleich mit dem Tennis aufhören.“ Kann man sich das wie bei einem Hobbyspieler vorstellen, der, wenn er verunsichert ist, ein paar Schritte zurückgeht? Oder warum passiert dir das dennoch? Du weißt es ja eigentlich, oder?

Ja, sicher weiß ich’s. Aber es ist wie im Leben generell. Der Mensch geht, wenn er verunsichert ist, halt einfach zurück. Und das ist im Tennis nichts anderes. Ich schaffe es zurzeit halt einfach nicht, wenn es eben nicht so gut läuft, dass ich dann diesen einen Ruck kriege und wieder aggressiv werde. Sondern wie in guten alten Zeiten, als ich jünger war: Ich lasse mich immer weiter zurückdrängen, hoffe auf die Fehler des Gegners. Und die passieren halt leider auf dem Niveau nicht.

Wohl schon gar nicht gegen jemanden, der gerade so viel Selbstvertrauen wie Gerald hat, oder?

Bei so einem Turnier im Viertelfinale gegen niemanden. Das ist das Problem, und das muss ich irgendwie schleunigst beheben.

Du hast mit der Rückhand auch sehr viel Slice gespielt. Auch ein Zeichen von all dem? Im letzten Jahr, wenn ich mich da zum Beispiel einem deiner besten Spiele gegenStan Wawrinkain Madrid erinnere, hast du sehr oft Longline durchgezogen. Das sieht man jetzt sehr, sehr selten. Auch bedingt durch die Höhenlage oder durchs Selbstvertrauen?

Nein, bedingt dadurch, dass ich mir derzeit mit allem einfach ein bisschen schwer tue. Es sind immer wieder ein paar gute Matches dabei und dann wieder Rückschläge. Miami(erstes ATP-Masters-1000-Viertelfinale; Anmerkung), dannMonte Carlo,Barcelona(Auftaktniederlagen; Anmerkung), da kriegt man irgendwie nie so einen richtig gescheiten Rhythmus zusammen. Und das Selbstvertrauen kriegt man halt nicht übers Training, das ist das Problem. Man muss Matches gewinnen, gut im Match spielen und dann beginnt das Ganze wirklich zu laufen. Und irgendwie kommt mir so vor, dass ich in diesem Jahr, immer kurz bevor es zu laufen beginnen könnte, wieder ein schlechtes Match spiele oder ich verliere ein Match, und dann muss ich irgendwie wieder von null beginnen.

Wie geht es für dich nun weiter?Aufgrund deines München-Viertelfinals konntest du ja in Madrid leider nicht an der Qualifikation teilnehmen und bist dort auch nicht mehr in den Hauptbewerb gerutscht.115 Punkte fallen dir raus(zehn kommen zugleich wieder dazu; Anmerkung). Es ist ein Turnier, das dir eigentlich sehr entgegengekommen wäre. Eine doppelt bittere Sache, oder?

Ja, vor allem deshalb, weil Madrid eines meiner Lieblingsturniere war. Es pisst mich bisschen an, dass ich es nicht spielen kann, auf jeden Fall. Es fällt halt leider genau in die zwei Wochen hinein, in denen mein Ranking zu schlecht war, von dem her kann man eh nichts machen. Ich werde jetzt dann wieder schön zuhause trainieren und dann geht es nach Rom. Dort werde ich dann in der Qualifikation wieder voll angreifen.

Hast du gewusst, dass du in einer Woche dann nicht mehr Österreichs Nummer eins bist?

Na gut, das war eigentlich eine Frage der Zeit, weil ich ziemlich viele Punkte zu verteidigen habe. Aber es ist eine gute Geschichte, weil Andi(Haider-Maurer; Anmerkung)gut gespielt hat es und er hat es sich verdient. Es ist jetzt nicht so wie letztes Jahr, dass wer verletzt war(Thiem übernahm damals vor allem auch durch Jürgen Melzers lange Verletzungspause die Spitzenposition; Anmerkung)oder so.

Das Gespräch führten Manuel Wachta und Jens Huiber.

Weitere Interviews aus München:

Gerald Melzer (nach dem Turnier)

Alexander Peya

Gerald Melzer (während des Turniers)

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04.05.2015, 21:12 Uhr