Talente auf dem Weg in die Weltspitze

tennisnet.com stellt jeweils fünf Herren und Damen vor, die man 2013 im Auge behalten sollte.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 02.01.2013, 17:32 Uhr

(Auf dem Foto von links nach rechts: Jerzy Janowicz, Eugenie Bouchard, David Goffin)

Von Christian Albrecht Barschel und Manuel Wachta

Jedes Jahr zu Beginn einer neuen Tennissaison stellt sich die Frage, welche Senkrechtstarter und Aufsteiger es im Laufe des Jahres geben wird. Wir stellen jeweils fünf Herren und Damen vor, die 2013 für Schlagzeilen sorgen könnten und eine etwaige große Zukunft vor sich haben. Dabei haben wir uns auf Spieler und Spielerinnen beschränkt, die in den 90ern geboren wurden.

Herren:

Jerzy Janowicz (Platz 26)

Anfang des Jahres spielte Jerzy Janowicz noch Future-Turniere. Am Ende des Jahres steht der Pole bereits auf Platz 26 in der Weltrangliste. Janowicz stand in Wimbledon zum ersten Mal im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers und erreichte als Qualifikant die dritte Runde. Den Vogel schoss der mittlerweile 22-Jährige aber bei seinem ersten ATP-Masters-1000-Turnier ab. Janowicz spielte sich aus der Qualifikation ins Endspiel und nahm dabei fünf Top-20-Spieler aus dem Turnier, darunter Andy Murray. „Ich kann das immer noch nicht glauben. Wie ist das möglich? Ich bin hierher gekommen, um Quali zu spielen und plötzlich bin ich nach ein paar Tagen im Finale. Ich weiß nicht, wie ich das angestellt habe“, fragte sich Janowicz nach seinem Coup. Mit dem ersten polnischen Titelträger auf der ATP-Tour seit 1982 wurde es jedoch nichts. Den passenden Spitznamen gibt es für den Polen bereits auch: „Jerzy Boy“. Mit 203 cm Körpergröße wird Janowicz vor allem auf schnellen Belägen eine Gefahr für jeden Spieler darstellen. In Wimbledon dürfte mit ihm in Zukunft zu rechnen sein.

David Goffin (Platz 46)

„Er hat großes Potential, was sein Gefühl betrifft und wie er das Spiel liest. Er bewegt sich sehr gut, nimmt die Rückhand früh und übernimmt das Tempo richtig gut von der Grundlinie.“ Das sagte Roger Federer nachdem ihm David Goffin im Achtelfinale der French Open einen harten Kampf geliefert hatte. Der Belgier, seit Dezember 22 Jahre alt, verbesserte sich 2012 bis auf Platz 42 in der Weltrangliste. Goffin gehört zu den jungen Wilden auf der ATP-Tour und wird von vielen Seiten ein überdurchschnittliches Ballgefühl attestiert. Mit seinem Auftritt bei den French Open stellte sich der Belgier einem großen Publikum vor. Goffin erreichte als Lucky Loser das Achtelfinale und scheiterte dort, wie bereits beschrieben, an Federer.

Jack Sock (Platz 152)

Nach dem Rücktritt von Andy Roddick sehnt sich das US-amerikanische Herrentennis nach einem neuen Aushängeschild. Jack Sock könnte dieses werden. Von der Spielweise ähnelt der 20-Jährige bereits Roddick: harter Aufschlag, starke Vorhand. Sock liebt die Bühne bei den US Open, das hat er bereits mehrfach bewiesen. 2010 gewann er die Junioren-Konkurrenz, 2011 siegte er mit Melanie Oudin im Mixed, und 2012 spielte er sich bis in die dritte Runde vor. Zum Ende des Jahres hat der US-Amerikaner, der mit Jürgen Melzers Ex-Coach Joakim Nyström trainiert, weiter Fahrt in Richtung Top 100 aufgenommen. Die typische unaufgeregte amerikanische Einstellung hat Sock bereits. „Ich fühle mich glücklich, dass ich diesen Lifestyle habe. Nicht viele bekommen die Möglichkeit, Profiathlet zu werden und es in ihrem Sport zu schaffen. Deshalb bin ich einfach froh, dass ich diese Chance habe. Hoffentlich schaffe ich es auch.“

Filip Peliwo (Platz 528)

Lange Zeit galt Kanada als Tennis-Zwerg. Doch das wird sich in Zukunft stark ändern, davon ist auszugehen. Neben Milos Raonic, der kurz vor dem Durchbruch in die Top Ten steht, macht sich mit Filip Peliwo der nächste hoffnungsvolle Spieler aus Kanada bereit für den Ansturm in die Weltspitze. Peliwo beendete das Jahr als Nummer 1 der Junioren und erreichte bei den vier Grand Slams immer das Finale. In Wimbledon und bei den US Open gewann der 18-Jährige den Titel. In der Herren-Weltrangliste hat sich Peliwo zwischenzeitlich bereits bis auf Platz 521 vorgearbeitet. „Aggressiv, intensiv, schnell, konsequent, beständig“, so beschreibt der Kanadier sein Spiel. „Ich muss vorsichtig sein, dass ich nicht zu selbstsicher werde und nicht genügend Einsatz einbringe. Ich muss einfach weiter so hart arbeiten, wie ich nur kann, um mich zu verbessern und meine Ziele zu erreichen“, blickt der Kanadier auf seinen Übergang zu den Herren voraus.

Gianluigi Quinzi (Platz 559)

Italien war in der Vergangenheit nicht reichlich gesegnet mit erfolgreichen Spielern bei den Herren. Während die italienischen Damen mit mehreren Fed-Cup-Siegen, Grand-Slam-Siegen im Einzel und Doppel für Furore sorgten, stecken die Herren seit Jahrzehnten im Mittelmaß fest. Mit Gianluigi Quinzi steht aber ein großes Talent aus Italien in den Startlöchern, das dem italienischen Herrentennis frischen Wind geben kann. Der 16-Jährige ist derzeit die Nummer 3 in der Junioren-Weltrangliste und hat sich bei den Profis bereits bis auf Platz 558 vorgespielt. Ein großer Vorteil für Quinzi ist, dass er Linkshänder ist.

Damen:

Donna Vekic (Platz 109)

Trainer-Guru Nick Bollettieri bezeichnet Donna Vekic als „das größte Versprechen in Damentennis seit Maria Sharapova“. Die Kroatin gab 2012 schon einige Talentproben ab. Vekic erreichte beim WTA-Turnier in Taschkent als Qualifikantin das Endspiel. Mit ihren 16 Jahren war sie die jüngste Spielerin seit sechs Jahren im Finale eines WTA-Turniers. Vekic schloss das Jahr auf Platz 109 ab und wird bei den Australian Open zum ersten Mal im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers stehen. „Ich bin eine Mischung aus Caroline Wozniacki und Maria Sharapova“, erklärt Vekic, die seit vier Jahren in der Nähe von London trainiert. „Meine besten Schläge sind meine Vorhand und mein Aufschlag, obwohl meine Rückhand dem auch in nichts nachsteht. Ich bin zudem mental sehr stark.“ Chris Evert twitterte während ihres Erfolgslauf in Taschkent: „Donna Vekic, behaltet den Namen im Kopf.“ Das machen wir, 2013 spielt sie auf unserem Radar.

Yulia Putintseva (Platz 123)

Zu ihrem 18. Geburtstag (am 7. Jänner) wird Yulia Putintseva die Top 100 nicht knacken. Aber es ist davon auszugehen, dass sie 2013 in diesen Kreis einziehen wird. Mit Platz 106 war Putintseva schon einmal nah dran. Die gebürtige Russin hat wie viele andere Kollegen und Kolleginnen aus ihrem Heimatland das Angebot vom Nachbarn Kasachstan angenommen und spielt seit letztem Jahr unter kasachischer Flagge. Putintseva hat dieses Jahr zwei ITF-Turniere gewonnen, eines der Kategorie 100.000 US-Dollar. Zu Saisonende erreichte sie noch zwei Finals auf der ITF-Tour. Die Kasachin, die bei den Australian Open im Finale der Juniorinnen stand, dürfte 2013 noch auf der Juniorinnen-Tour spielen. Es ist aber davon auszugehen, dass Putintseva sich nun voll und ganz auf die WTA-Tour konzentriert.

Eugenie Bouchard (Platz 147)

Was Filip Peliwo für die Herren in Kanada ist, ist Eugenie Bouchard für die Damen. Genauso wie Peliwo hat Bouchard dieses Jahr die Juniorinnen-Konkurrenz in Wimbledon gewonnen. „Ich habe ein sehr aggressives Grundlinienspiel und mag es, den Ball früh zu nehmen. Ich habe einen starken Aufschlag und mag es, anschließend die Ballwechsel zu dominieren“, beschreibt die 18-Jährige ihr Spiel. Bouchard bringt viel mit, um ein neues, frisches Gesicht auf der WTA-Tour zu werden. Die Kanadierin ist äußerst attraktiv und hat ihre Entertainer-Qualitäten bereits unter Beweis gestellt, und zwar in der unterhaltsamen Parodie auf den Gangnam Style, gemeinsam mit Laura Robson.

Ashleigh Barty (Platz 175)

Sollte Samantha Stosur es nicht schaffen, die Australian Open zu gewinnen, steht mit Ashleigh Barty die nächste vielversprechende Australierin bereit für den so lang ersehnten Heimsieg in Melbourne. Die 16-Jährige steht bereits auf Platz 175 in der Weltrangliste. Mit 14 Jahren gewann Barty die Juniorinnen-Konkurrenz in Wimbledon. Das Spiel auf Rasen scheint der Australierin zu liegen. Barty gewann 2012 auf Rasen ihr erstes ITF-Turnier (50.000 US-Dollar) und erreichte ein weiteres Endspiel auf diesem Bodenbelag. Barty startete 2012 dreimal dank einer Wildcard im Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers, dreimal schied sie sofort aus. Es ist davon auszugehen, dass 2013 ihr erster Sieg bei einem Grand Slam fällig ist.

Taylor Townsend (Platz 496)

Taylor Townsend steht zwar erst auf Platz 496 in der Weltrangliste, doch die US-Amerikanerin gilt als eines der größten Talente in den USA. Die 16-Jährige beendete das Jahr auf Platz eins bei den Juniorinnen und gewann die Australian Open. Townsend erinnert vom Aussehen und der Statur an Serena Williams. Das größte Manko der US-Amerikanerin könnte ihre Fitness werden. Der US-amerikanische Tennisverband USTA bat Townsend wegen ihres hohen Körpergewichts, nicht im Juniorinnen-Wettbewerb der US Open anzutreten. „Unsere Sorge gilt ihrer langfristigen Gesundheit und Entwicklung als Spielerin. Wir haben ein Ziel im Sinn: Sie soll im Hauptfeld bei den Grand Slams stehen und um Major-Titel kämpfen, wenn es an der Zeit ist“, erklärte Patrick McEnroe. Townsend spielte dennoch die US Open, erreichte das Viertelfinale im Einzel und gewann die Doppelkonkurrenz. Die USTA entschuldigte sich später bei der 16-Jährigen. Der Blick auf Lindsay Davenport sollte Townsend Mut machen. Diese wurde zunächst auch wegen ihres Körpergewichts teilweise verspottet und reifte dann zu einem großen Champion heran.

ÖsterreicherInnen:

Michael Linzer (Platz 314)

Still und leise hatte sich Michael Linzer 2012 zwischenzeitlich bereits zu Österreichs Nummer 3 aufgeschwungen, derzeit ist er wieder hinter Gerald Melzer und Dominic Thiem, die wir im Vorjahr in unserem Radar hatten, sowie Martin Fischer heimische Nummer 6. Drei Future-Siege stehen heuer beim Niederösterreicher zu Buche, und im Sommer schien es auch schon, als ob er sich auf Challenger-Ebene etablieren könne. Doch ab Anfang August bestritt er sechs Challenger in Serie ohne einen einzigen Punkt mitzunehmen, ehe ihn eine Bauchmuskelverletzung acht Wochen außer Gefecht setzte. Vielleicht gelingt ja 2013 mit weniger Verletzungen der Übergang auf zumindest den Challenger-Level besser.

Marc Rath (Platz 465)

Die Teilnahme an der Qualifikation für die Australian Open 2013 war eigentlich sein Ziel, dieses hat Marc Rath jedoch deutlich verpasst. Ein bis Ende April schwacher Saisonstart im Vorjahr und einige Verletzungssorgen machten dem Steirer dabei einen Strich durch die Rechnung. Doch vielleicht wird 2013 ja das Jahr des Marc Rath und den ersehnten Schritt in Richtung Durchbruch bringen. Rath besitzt mit seiner Vorhand und seinem Aufschlag durchaus schlagkräftige Waffen in seinem Spiel und hat auf der Rückhand noch einiges an Potential. Mit seinen 23 Jahren zählt er zwar auch nicht mehr zu den ganz jungen Wilden, doch die Möglichkeiten und besonders der Wille scheinen bei ihm vorhanden zu sein.

Max Neuchrist (Platz 469)

Max Neuchrist war schon im abgelaufenen Jahr eine der freudigeren rot-weiß-roten Erscheinungen. Hatte er 2011 noch auf Platz 830 beendet, so scheint der Wiener mit einem Finale und zwei Turniersiegen in Folge auf Future-Ebene allein im Herbst endlich so richtig im internationalen Herren-Tennis angekommen zu sein. Und mehr als das: Der 21-Jährige bewies auch bei einigen Ausflügen auf die ATP- und Challenger-Tour, dass er sich vor dem nächsten Schritt zumindest nicht fürchten muss. Ein heißer Tipp auf eine weitere deutliche Ranglisten-Verbesserung im neuen Jahr!

Lucas Miedler (Platz 1683)

Er ist Österreichs größte Hoffnung nach der so starken 1993er-Generation um Dominic Thiem, Dennis Novak und Patrick Ofner. Lucas Miedler kürte sich im vergangenen Juli in Moskau als erst dritter österreichischer Bursche nach Horst Skoff 1984 und Stefan Koubek 1993 zum Unter-16-Europameister. In der zu Jahresbeginn bereinigten ITF-U18-Rangliste steht er jetzt auf Position 51, vor ihm finden sich nur sieben jüngere Spieler. Im August holte er sich in Pörtschach sogar schon seinen ersten ATP-Punkt. Der Fokus wird 2013 zwar wohl noch auf den größeren Jugendturnieren liegen, doch auch bei den Herren-Futures kann der Niederösterreicher 2013 sicher schon die ersten Ausrufezeichen setzen.

Yvonne Neuwirth (Platz 480)

Um über 150 Plätze hat sich Yvonne Neuwirth 2012 wieder verbessert und erstmals unter den Top 500 im WTA-Ranking überwintert. Im August feierte die Niederösterreicherin in Pörtschach ihren ersten ITF-Damen-Titel. Doch da geht noch mehr! Die 20-Jährige hat mit ihrem druckvollen Powertennis im Prinzip alle Anlagen, um sich auch auf einem höheren Level als in der harten Knochenmühle der 10.000-Dollar-Turniere durchzusetzen. Der Schützling von Barbara Schwartz steht für die Saison 2013 – als in dieser Liste einzige Dame, wie im Vorjahr im Falle von Barbara Haas – auf unserem Radar.

(Fotos: GEPA pictures)

von tennisnet.com

Mittwoch
02.01.2013, 17:32 Uhr