„Früher habe ich nie an den Sieg geglaubt“
Die 19-Jährige sammelte innerhalb kurzer Zeit 50 Weltranglistenpunkte. Eine Spielumstellung war dabei der Schlüssel zum Erfolg für die Deutsche, die ihr Saisonziel bereits erreicht hat.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
12.09.2011, 11:38 Uhr

Von Nils Lehnebach
Pressearbeit ist für viele Spieler eine Last. Eher selten ist, dass dies bei zunehmenden Erfolgen besser wird. Eine positive Antwort auf eine Anfrage schon nach kurzer Zeit: eher selten. Diese dann noch bestückt mit Worten der Vorfreude: eine Rarität. „Ich habe mich wirklich gefreut und war überrascht“, sagte Dinah Pfizenmaiertennisnet.com, um ein „ich kenne mich mit der Presse noch nicht so aus“ hinterher zu schieben.
Erfolg und Leistung sind relativ, die Ergebnisse der 19-Jährigen kamen aber für viele unerwartet. Bei sechs Turnieren sammelte Pfizenmaier 50 Weltranglistenpunkte, obwohl sie oft aus der Qualifikation starten musste. In Versmold besiegte sie die Top-200-Spielerin Anna Floris 6:1, 6:3. „In den vergangenen Wochen hatte ich eine Leistungsexplosion und konnte mich deutlich steigern. Ich habe mein Spiel an das Niveau der Turniere angepasst und bin deutlich besser geworden“, sagte Pfizenmaier.
Eine Steigerung die für den Fortbestand ihrer Karriere auch notwendig war. Im vergangenen Sommer holte die Rechtshänderin auf Future-Ebene in Hauptfeldern nur einen Satz, gewann nicht ein Spiel. „Der letzte Sommer war ganz bescheiden. Ich fühlte mich an den Grenzen meiner Möglichkeiten."
Nach Verletzung "alles hinschmeißen"
Die Karriere der deutschen U16-Meisterin von 2008 schien noch vor den ersten internationalen Erfolgen beendet zu sein, erst recht nach einer schweren Verletzung. Von November 2010 bis in den März konnte sie nach einer Schulteroperation nicht spielen. „Ich habe an mir gezweifelt, wollte alles hinschmeißen, aber zum Glück haben meine Trainer an mich geglaubt und mich umgestimmt.“
Pfizenmaier litt unter einer Hyperflexibilität in der Schulter, eine Zyste hatte sich gebildet, die Bizeps-Sehne war angerissen und durch die Überbeweglichkeit hatte sich die Kapsel gelöst und für starke Schmerzen gesorgt. Normale Aufschläge und Schmetterbälle waren nicht mehr möglich. Eine Arthroskopie löste das Problem, zwang Pfizenmaier aber auch ihr Spiel umzustellen: „Ich habe meine Aufschlagbewegung verkürzt und meine Schläge insgesamt komplett umgestellt. Bei der Vorhand hatte ich zuvor einen zu extremen Griff, die Rückhand spiele ich nun vorwiegend aus dem Ellenbogen und nicht mehr aus dem Handgelenk.“
"Ich bin eine Klasse besser"
Riskante aber notwendige Änderungen, die schnell Erfolge brachten. Nur zweimal schied Pfizenmaier in diesem Jahr vor dem Viertelfinale aus, gewann zudem ihr erstes Turnier. Erfolge, die sie mental gestärkt haben. „Ich brauche mich nicht zu verstecken und glaube an mich und mein Tennis. Meine Gegner müssen mich erst mal schlagen“, sagte sie mittlerweile selbstbewusst – im Wissen um zuvor andere Zeiten. „Vorher habe ich bei den Spielen und Turnieren nie geglaubt, dass ich das gewinnen werde. Nun habe ich bessere Schläge und einen besseren Kopf - und bin so eine Klasse besser.“
Das Selbstvertrauen steigerte sich langsam, dann platzte der Knoten. Pfizenmaier begann nach der Verletzungspause auf kleinen Preisgeldturnieren und hatte direkt Erfolg. Plötzlich klappten Schläge, die sonst nie funktioniert hatten. Und sie traf die Bälle in den wichtigen Situationen. Ein Ende des neuen Selbstvertrauens scheint nicht in Sicht: „Ich bin auf jeden Fall stabil. Kleine Probleme kann ich viel einfacher als früher überwinden.“
Zwei Jahre komplett auf Tennis setzen
Nach dem Abitur im Frühjahr, natürlich mit Leistungskurs Sport und der Note 2,4, will Pfizenmaier nun zwei Jahre komplett auf Tennis setzen, ihre Grenzen ausloten – und die Annehmlichkeiten im Westfälischen Tennisverband nutzen. Der baute 2009 in Kamen ein Jugendgästehaus, vor allem damit Talenten wie Pfizenmaier die Anfahrtswege erspart bleiben. Pfizenmaier bezeichnet sich „als Kind des Westfälischen Tennis’“, sie schätzt die Unterstützung und Förderung des WTV und weiß um die guten Voraussetzungen. Dort trainiert sie mit Michael Schmidtmann. „Er ist sehr entspannt, wir haben ein freundschaftliches Verhältnis und er interessiert sich auch für meine privaten Probleme. Ich weiß aber, dass er der Chef ist, auch wenn ich ab und an meine Meinung sage.“
Dabei war lange gar nicht klar, dass Pfizenmaier in Richtung Tennis gehen würde. Sie fing erst mit neun Jahren an, „ein Freund spielte und ich bin zufällig mitgegangen“. „Irgendwann war ich dann zu gut im Tennis und habe es zusammen mit Turnen und Fußball nicht unter einen Hut bekommen. Es gab zu Hause viele Diskussionen, aber ich musste mich entscheiden. Erst gegen Turnen, dann auch gegen Fußball.“
Top 200 als mittelfristiges Ziel
Trotz neuem Selbstbewusstsein auf dem Platz, abseits ist Pfizenmaier eher zurückhaltend. Vor einem Monat hatte sie sich einen Platz in den Top 600 zu Jahresende gewünscht, jetzt steht sie bereits auf 576. Nun hat sie auf Top 500 erhöht, „mittelfristig sollen es schon die Top 200 sein“. Andere sehen das positiver. Scarlett Werner lobte nach dem Spiel in Ratingen überschwänglich: „Dinah hat sich enorm gesteigert, ich bin eigentlich total begeistert von ihr.“
Auch Pfizenmaiers Coach Schmidtmann, Verbandstrainer im Westfälischen Verband, fällt es schwer, Schwächen zu nennen. Der Übergangs ans Netz könne noch besser werden, der Return offensiver. Ansonsten „bin ich auch aber überrascht, wie gut die Umstellungen im Spiel funktionieren und wie schnell sie in ihrem Leistungsniveau gesprungen ist, auch in der Konstanz.“
Weitere Sprünge im Ranking scheinen programmiert. In Rotterdam muss Pfizenmaier diese Woche zunächst beim 25.000-Dollar-Turnier in die Qualifikation, es folgen in diesem Jahr noch Turnierserien in Bulgarien und der Türkei. Fraglich bleibt nur, ob die 19-Jährige in einem Jahr, nach weiteren Erfolgen, die Presse immer noch als Lust, oder dann eher als Last, ansieht.(Foto: tennisredaktion.de)