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Ausschluss von den Championships 2022? Wimbledons Bannstrahl gegen russische Tennisprofis

Die All England Championships in Wimbledon sollen planen, russische und belarussische Spielerinnen und Spieler in 2022 vom Turnier auszuschließen. Offiziell soll der Ausschluss im Mai verkündet werden.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 20.04.2022, 15:55 Uhr

Daniil Medvedev steht in Wimbledon in Runde zwei
© Getty Images
Daniil Medvedev steht in Wimbledon in Runde zwei

Es war ein ikonischer Moment in der großen Geschichte des größten Tennisturniers der Welt. Der Moment, in dem Maria Sharapova im Jahr 2004 als 17-jährige Teenagerin auf den Thron von Wimbledon stieg und damit ein „echtes Sportmärchen“ (The Times) auf den Heiligen Rasen in London SW19 festschrieb. Sharapova (35) ist längst nicht mehr im Tourzirkus unterwegs. Gerade hat sie auf Instagram ein Babybäuchlein zur Schau gestellt, dazu veröffentlichte die werdende Mutter noch einige sorgenvolle Kommentare zur „Ukraine-Krise“ und einen Spendenaufruf.

Sharapova ist die einzige russische Siegerin der langen Wimbledon-Historie, bei Männern und Frauen. Und wenn nicht alles täuscht, wird mindestens in diesem Jahr auch kein weiterer russischer Profi in den Gewinnerlisten auftauchen. Nach Informationen auch dieser Zeitung aus Kreisen des Weltverbandes ITF (International Tennis Federation) wird die Wimbledon-Exekutive Spielerinnen und Spieler aus Russland und seinem Verbündeten Belarus wegen des laufenden Angriffskriegs von der Teilnahme an den Offenen Englischen Meisterschaften 2022 ausschließen, nicht zuletzt auf Druck der britischen Regierung. 

Wimbledon 2022 ohne Medvedev, Rublev, Sabalenka?

Offiziell verkündet werden soll die Verbannung erst Mitte Mai, wenn die Starterlisten für das bedeutendste Turnier der Welt veröffentlicht werden. Wimbledons Verdikt würde mit der bisherigen Praxis im Tourbetrieb brechen, bei der Profis als Einzelsportler zu Turnieren antreten dürfen, allerdings ohne Verwendung nationaler Symbole. Von Teamwettbewerben wie dem Billie Jean King Cup oder dem Davis Cup waren Russland und Belarus bereits frühzeitig nach Kriegsbeginn ausgeschlossen worden. Wimbledon-Offizielle, so schrieb die „Daily Mail“, hätten die Vorstellung zunehmend „unerträglich“ gefunden, dass im 100. Jahr nach Einweihung des Centre Court russische Champions die Trophäen in die Höhe halten könnten.

In der Herrenkonkurrenz wären die sportlichen Konsequenzen bedeutender als bei den Frauen. Vier russische Männer stehen aktuell unter den Top 30 der Weltrangliste, darunter der amtierende US Open-Champion und vorübergehende Nummer eins-Akteur Daniil Medvedev (ATP 2) sowie Andrey Rublev (ATP 8). Bei den Frauen wäre im Top Ten-Terrain nur eine Spielerin betroffen, die Weltranglisten-Vierte Aryna Sabalenka aus Belarus. Aber auch eine mehrmalige Grand Slam-Gewinnerin wie Viktoria Azarenka (Belarus) würde dann sanktioniert, sie rangiert gerade auf Platz 18 der Tennis-Hackordnung.

Was machen die French Open und US Open?

Wimbledon hatte zunächst Pläne verfolgt, nach denen russische und belarussische Profis eine Erklärung unterschreiben sollten, in der sie sich vom russischen Angriffskrieg hätten distanzieren müssen. Diese Absicht war von Spielerorganisationen kritisiert worden, primär mit Blick auf Auswirkungen, die für Angehörige der Spielerinnen und und Spieler daheim drohten. Eine Sanktionierung einzelner Sportlerinnen habe „nicht die Unterstützung der WTA“, sagte dazu der Boss der Spielerinnenvereinigung WTA, der Amerikaner Steve Simon. Inwieweit der Wimbledon-Entscheid Signalwirkung für andere Schauplätze entfaltet, ist derzeit noch nicht abzusehen: Bei den French Open sind, Stand jetzt, keine Sanktionen geplant, bei den US Open im Spätsommer ist allerdings ein ähnliches Szenario wie in London durchaus denkbar – vor allem, wenn sich das Kriegsgeschehen weiter verschärfen oder ausweiten sollte.

Spannungen hatte es auf der Tennistour zuletzt durchaus schon gegeben – exemplarisch standen dafür die Erfahrungen der jungen Hamburgerin Eva Lys (20), der aktuellen Deutschen Meisterin. Nach einem Turnierstart im kasachischen Nur Sultan im März sprach die ukrainisch-stämmige Lys von irritierendem Auftreten russischer Spielerinnen: „Sie verhalten sich respektlos gegenüber denen, die vom Krieg betroffen sind. Sie machen sich darüber lustig“, so Lys, „einige ziehen demonstrativ einen Trainingsanzug in russischen Nationalfarben an.“ Auch am Rande des Stuttgarter WTA-Turniers, bei dem sie überraschend ihren ersten Sieg auf der größeren Tennistour feierte, forderte Lys die Spielerinnen speziell aus Russland auf, sich klarer gegen den Krieg zu positionieren: „Damit spreche ich vielen anderen im Tennis aus dem Herzen.“

von Jörg Allmeroth

Mittwoch
20.04.2022, 15:14 Uhr
zuletzt bearbeitet: 20.04.2022, 15:55 Uhr