Australian Open: Petra Kvitova zieht in der Hitze von Melbourne ins Finale ein
Die an Position acht gesetzte Tschechin wurde ihrer Favoritenrolle beim 7:6 (2), 6:0 gegen Kerber-Bezwingerin Danielle Collins (USA) gerecht und steht erstmals seit ihrem zweiten Wimbledon-Triumph 2014 wieder im Endspiel eines Grand-Slam-Turniers.
von Ulrike Weinrich aus Melbourne
zuletzt bearbeitet:
24.01.2019, 06:41 Uhr

Nach 1:34 Stunden verwandelte die 28-Jährige unter dem Dach der Rod Laver Arena ihren ersten Matchball mit einem Vorhandgewinnschlag (30. Winner) und war von den Emotionen überwältigt. "Das bedeutet mir alles", sagte Kvitova und konnte die Tränen kaum zurückhalten. Mit einem weiteren Erfolg wäre sie die neue Nummer eins der Welt.
Im Finale trifft sie am Samstag entweder auf ihre Landsfrau Karolina Pliskova (Nr. 7) oder US-Open-Championesse Naomi Osaka aus Japan (Nr. 4).
Es ist der bislang größte Erfolg von Kvitova seit einem folgenschweren Überfall im Dezember 2016 in ihrer Wohnung, als ihr ein Einbrecher mit mehreren Messerstichen die linke Schlaghand zerstach. "Ich hätte tot sein können", sagte sie damals und machte wenig später keinen Hehl aus ihren psychischen Verletzungen: "Ich hatte lange Zeit Ängste. So etwas vergisst man sein ganzes Leben nicht mehr."
Betroffen waren Sehnen und Nerven an allen fünf Fingern. In einer fast vierstündigen Notoperation wurde die Hand "gerettet". Der zuständige Chirurg Radek Kebrle, mit dem sich Kvitova mehrere Monate später auf dem Cover eines tschechischen Magazins ablichten ließ, erklärte: "Die Verletzungen waren grauenvoll. Und die Chancen, dass die Hand so gut verheilt, dass Petra wieder Tennis spielen kann, waren sehr gering."
Und nun die Wende zum Guten. "Ich habe ja gar nicht gewusst, ob ich noch einmal an mein früheres Niveau anknüpfen kann", sagte Kvitova. Konnte sie.
An einem heißen Sommertag (knapp 40 Grad Celsius) zeigte sie erneut eine starke Vorstellung gegen eine gefährliche Gegnerin. Die Weltranglisten-35. Collins, die vor den Australian Open 2019 noch kein Hauptrundenspiel bei einem Major gewonnen hatte, hatte auf ihrem Weg ins Halbfinale unter anderem Angelique Kerber (Nr. 2) und Julia Görges (Nr. 14) besiegt.
Doch vor 15.000 Zuschauern, darunter unter anderem Oscar-Preisträgerin Nicole Kidman, Musiker Keith Urban und Vogue-Chefin Anna Wintour, war es ein hartes Stück Arbeit für Kvitova. Gegen die Harthitterin von der Westküste Floridas kassierte sie zunächst ein Break zum 2:3, glich aber postwendend mit einem Vorhandwinner wieder aus.
Wenig später wurde beim Stand von 4:4 das Dach der Arena wegen der Hitze geschlossen. Im Tiebreak dann zeigte die Favoritin all ihre Qualitäten. Bezeichend der verwandelte erste Satzball nach 62 intesiven Minuten, als sie nach einem typischen Linkshänder-Aufschlag ans Netz rückte und den Volley unerreichbar für die ehemalige Collegespielerin Collins (25) ins Feld drückte.
In der Folge wurde die Überlegenheit von Kvitova noch deutlicher. Collins legte sich einige Male mit Stuhlschiedsricher Carlos Ramos an - es war auch ein Zeichen ihrer Unzufriedenheit. Im zweiten Satz gab die Tschechin kein Spiel mehr ab - und darf weiter von ihrem dritten Grand-Slam-Coup nach dem Doppelschlag von Wimbledon (2011, 2014) träumen.
Es sorgte für Verwunderung, dass das Dach zu Beginn der Partie noch nicht geschlossen war, obwohl der Wetterbericht Temperaturen von bis zu 38 Grad Celsius vorausgesagt hatte. Allerdings war kurz nach dem Start des ersten Halbfinals klar, dass es zwischen einem zweiten und dritten Satz eine zehnminütige Pause geben würde, da der Heat-Index auf der sogenannten "Heat Stress Scale (HSS)" zu diesem Zeitpunkt bereits bei 4,0 Punkten lag.
Die "HSS" ist seit Ende Dezember 2018 Bestandteil der bereits seit Jahren existierenden "Extreme Heat Policy (EHP)" und wurde von einem medizinischen Team des australischen Verbandes (Tennis Australia) sowie Experten der University of Sydney erarbeitet.
Einfluss auf die "HSS" nehmen die klimatischen Faktoren Lufttemperatur, Strahlungswärme der Sonne, Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit. Mehrere Messtationen auf der Anlage geben den Experten Aufschluss über die Höhe der "HSS".
Bei einer 5,0 auf der Skala besteht die Möglichkeit, die Begegnung für längere Zeit zu unterbrechen. "Die Gesundheit der Profis hat oberste Priorität", sagte Turnierdirektor Craig Tilley über die Gründe des "Updates"
Die Profis werden bei einer derartigen Hitze von den Physios in der Umkleidekabine darauf hingewiesen, wie sie sich bei den extremen Bedingungen zu verhalten haben. Unter anderem wird empfohlen, sich vor und nach dem Match zu wiegen, um so den Gewichtsverlust ausgleichen zu können.
2014 hatte es diesbezüglich bei der 101. Auflage des Happy Slams ein unschönes Szenario gegeben: Damals hatten am zweiten Turniertag insgesamt neun Profis wegen der Folgen der damals herrschenden Hitze (bis zu 43,9 Grad Celsius) aufgegeben.
