Eine Regentin mit Makel
Die 20-jährige Dänin rückt durch ihren Sieg gegen Petra Kvitova als 20. Spielerin an die Spitze der Weltrangliste. Was ihr fehlt, ist ein Major-Titel.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
07.10.2010, 16:46 Uhr

Von Matthias A. Schmid
Als Caroline Wozniacki vor vielen Jahren in einer Kindersendung in ihrer dänischen Heimat samt Zahnspange auftrat und keck verkündete, dass sie einmal die beste Tennisspielerin der Welt werden wolle, lächelten alle – bis auf den Kronprinz Frederik. Der große Tennisfan hatte schon früh ein Auge auf die juvenile Tennisspielerin, polnischer Abstammung, geworfen, und sie mit elf Jahren ins Schloss Fredensborg eingeladen. Neben vielen lobenden Worten verteilte er auch noch einen kleinen Scheck, um Caroline und ihre Eltern bei den Reisen zu unterstützen.
Kronprinz Frederik ist ihr größter Fan
Frederik von Dänemark wird sich nun sicherlich wieder erkenntlich zeigen und es sich wohl nicht nehmen lassen, Caroline Wozniacki persönlich am Telefon zu gratulieren. Bloß Geld muss er ihr nicht mehr zustecken, sie verdient inzwischen genug. Das kleine Mädchen von damals hat im Alter von 20 Jahren nämlich erreicht, wovon viele Profispielerinnen träumen und was ihnen doch eine ganze Karriere verwehrt bleibt: Am Montag wird sie der Computer als neue Nummer eins der Tenniswelt führen. "Ich kann es noch gar nicht glauben, dass ich mein Ziel endlich erreicht habe", sagt sie nach ihrem 6:2-6:3-Sieg beim Turnier in Peking gegen Petra Kvitova aus Tschechien und der Tatsache, dass sie nun Serena Williams von der Spitze verdrängt hat. Das werde noch ein paar Tage dauern, fügt die Dänin hinzu und ließ die Ehrungen auf dem Platz stoisch über sich ergehen.
Caroline Wozniacki ist die 20. Spielerin seit Einführung der Weltrangliste, die diese Position einnimmt. Doch ist sie ähnlich wie Dinara Safina und Jelena Jankovic eine Regentin mit Makel. Wie die beiden hat auch sie noch nie ein Grand-Slam-Turnier gewonnen. Alle drei haben von der besonderen Arithmetik der Weltrangliste profitiert, die Vielspielerinnen begünstigt. So spielt Wozniacki in Peking in dieser Woche bereits ihr 21. Turnier in diesem Jahr, während beispielsweise Serena Williams bisher – auch aufgrund von Verletzungen – nur sechs bestritten hat. Allerdings hat die US-Amerikanerin in den Australian Open und in Wimbledon zwei der vier Major-Turniere für sich entscheiden können – Wozniacki hat als bestes Resultat nur einmal das Halbfinale erreicht, zuletzt bei den US Open.
Überspielt zu den US Open
Der Auftritt beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres in New York hat auch tief in das System Wozniacki blicken lassen. Trainiert von ihrem Vater, einem früheren polnischen Fußballprofi, gönnt sie sich und ihrem Körper kaum Pausen zum Verschnaufen. Allein im August spielte sie 16 Partien, wovon sie zwar 15 gewann, aber dann beim Höhepunkt in Flushing Meadows ein wenig überspielt wirkte.
"Für mein Spiel ist es wichtig, dass ich viele Turniere bestreite", sagt Caroline Wozniacki über ihren bisweilen überzogen Eifer, "ich brauche den Wettkampf." Dass die Hatz um den Globus aber auch oftmals das Gegenteil bewirken kann, zeigte sich im Frühjahr dieses Jahres, als sie sich mit Problemen an ihrem Sprunggelenk herumplagte.
Dennoch gehört die Rechtshänderin zu den wenigen Spielerinnen auf der Tour, die ihre außergewöhnliche Begabung auf und ihre Ausstrahlung abseits des Platzes optimal in Einklang bringen. Caroline Wozniacki ist keine Spielerin wie Anna Kournikova, die sich ihr Talent von den Sponsoren abkaufen lässt. Natürlich mag sie es, wenn die Fotografen sie in schönen Kleidern ablichten, auch variiert sie die Farbe der Fingernägel fast täglich oder posiert gerne für die Stardesignerin Stella McCartney. Aber trotz aller Annehmlichkeiten und der verlockenden Begleitumstände, welche die schillernde Profibranche bietet, Wozniacki hat es bisher immer verstanden auf den Platz zurückzukehren und hart an ihren Schwächen zu arbeiten.
Das Spiel muss variabler werden
"Ich bin in diesem Jahr gewachsen", sagt Caroline Wozniacki und meint nicht ihre Körpergröße, sondern ihre innere Stärke. "Ich glaube nun selbst daran, dass ich jede Spielerin schlagen kann." Besonders ihre Fitness und ihre fehlerlose, stabile Spielweise haben ihr in diesem Jahr bereits fünf Turniersiege beschert. Und wenn sie jetzt noch lernt, variabler zu punkten, die Rückhand auch mal mit einem unterschnittenen Slice zu spielen oder den Ballwechsel vorzeitig am Netz abzuschließen, dann wird es auch nicht mehr lange dauern, bis Caroline Wozniacki ihren ersten Grand-Slam-Turniersieg holt. Auch das hat das kleine Mädchen damals im Fernsehen angekündigt.