Das Ende ist nahe: Maestro Federer hat das unfreiwillige Karriere-Aus vor Augen

Nach dem nächsten Tiefschlag hat Roger Federer nur mehr leise Hoffnungen auf eine neuerliche Rückkehr.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 18.08.2021, 16:59 Uhr

Roger Federer muss erneut eine Zwangspause einlegen
Roger Federer muss erneut eine Zwangspause einlegen

Als Roger Federer noch die Tenniswelt mit leichter Hand fest im Griff hatte, blickte er einmal weit in die Zukunft voraus. Er wolle nicht „bis in alle Ewigkeit“ auf den Centre Courts um Spiele, Sätze und Siege kämpfen und „auch ein anderes Leben genießen“, sagte Federer damals, „ich glaube nicht, dass ich mit 35 noch auf dem Platz stehen werde.“ Längst hat Federer sich selbst Lügen gestraft, in der laufenden Saison 2021 stand er mit 39 Jahren noch immer in den Arenen, am 8. August feierte er seinen 40. Geburtstag.

Doch wenn nicht alles täuscht, geht die Karriere des bekanntesten und beliebtesten Tennisspieler des Planeten nun unwiderruflich auf die Zielgeraden – wenn sie denn überhaupt noch eine Fortsetzung erfährt. Als Federer am Sonntag über seine Social Media-Kanäle verkündete, er müsse ein drittes Mal am Knie operiert werden und falle monatelang aus, schwang schon so etwas wie Abschiedsstimmung in der kurzen Videoaufzeichnung mit. Federer erklärte zwar, es gebe noch einen „Funken Hoffnung“ auf ein weiteres Comeback irgendwann im nächsten Jahr. Aber überzeugt von dieser Botschaft schien der vierfache Familienvater selbst nicht, seine Stimme klang belegt, sein Lächeln wirkte gequält.

Wundertaten neigen sich dem Ende zu

Lange, lange Zeit war Federer ein Glückskind des Tennis. Er veredelte seine außergewöhnlichen Talente mit großartigen Erfolgen, er gewann mit Ausnahme der olympischen Einzel-Goldmedaille so ziemlich alles, was man im Tennis nur gewinnen kann. Und er blieb bis weit in seine Dreißiger Jahre von gravierenden Verletzungen verschont, während Konkurrenten wie früher Tommy Haas und Andy Roddick und später besonders Rafael Nadal immer wieder Zwangspausen einlegen mussten. Federers Kapital war seine Tenniskunst genau so wie sein Körper, den er mit perfekter Trainingssteuerung und eben auch mit Fortune nutzen konnte. Selbst die erste größere Verletzung im Jahr 2016 überstand der Maestro bravourös – er kehrte sogar nach monatelanger Spielpause mit einem Paukenschlag zurück, mit dem Sieg bei den Australian Open 2017. Es sei sein „emotionalster und schönster Sieg“ überhaupt gewesen, sagte Federer. Er wurde dann auf seine älteren Tage sogar noch einmal Wimbledon-Champion und die älteste Nummer 1, seit es die neue Weltrangliste gibt.

Aber die Momente mit Wundertaten und Überraschungscoups neigen sich jetzt dem Ende zu, auch Federer kann die Zeit im unaufhörlich fortschreitenden Tennisgeschehen nicht zurückdrehen. Als er in dieser Saison nach beinahe einjähriger Zwangspause den Spielbetrieb wiederaufnahm, blieben die guten Tage eher die Ausnahme. Federer verkündete früh, er wolle seinen Leistungszenit in der Rasensaison erreichen, doch dann verlor er in Halle, an einem seiner erklärten Lieblingsorte im Wanderzirkus, bereits in der zweiten Runde gegen den jungen Kanadier Felix Auger-Aliassime – corona-bedingt vor leeren Rängen. In Wimbledon erreichte der Schweizer das Viertelfinale, kassierte dann aber eine schmerzlich klare Drei-Satz-Niederlage gegen den Polen Hubert Hurkacz. Der Traum vom Pokalwunder in seinem geliebten Rasenreich endete bitter.

Fällt der Vorhang für die Großen Drei?

Offenbar spielte Federer sowohl in Halle wie auch in London erneut unter Schmerzen. In seiner Videobotschaft erklärte der 40-jährige Superstar, er habe sich in der Rasensaison verletzt und habe nach Rücksprache mit seinen Ärzten nun entschieden, sich wieder am Knie operieren zu lassen. Worum es dabei primär geht, sagte Federer auch: „Ich will später normal herumlaufen können.“ Die Perspektive für die kommenden Monate sei, „dass ich für viele Wochen auf Krücken laufen muss und für Monate raus bin aus dem Tennis.“ Es werde „schwer sein danach“, so Federer.

Mit Federers drohendem Abschied senkt sich allmählich auch der Vorhang für die Epoche der Großen Drei – zumal auch Rafael Nadal nur noch sehr dosiert ans Hand-Werk geht und in diesem Jahr nicht mehr in seiner Pariser Wohlfühloase triumphieren konnte. Bald könnte nur noch Novak Djokovic übrig geblieben sein aus dem Kreis der außergewöhnlichen Gentlemen, er ist ohnehin im Augenblick der Weltbeherrscher im Tennisbetrieb. Er wird sich künftig mutmaßlich eher mit den nachrückenden Altersgruppen auseinandersetzen müssen, mit Spielern wie Olympiasieger Alexander Zverev, dem Russen Daniil Medvedev oder dem Griechen Stefanos Tsitsipas. Und Federer? Für ihn bleibt die sehr schwache, wenig wahrscheinliche Hoffnung, 2022 noch einmal an diesem oder jenem berühmten Tennis-Schauplatz auftreten können. Dort, wo er einst seine faszinierende Tennis-Magie zeigte.

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