„Irgendwann muss auch mal gut sein“

tennisnet.com-Redakteur Christian Storhas ergreift Partei für die Spieler und rückt die positiven Seiten des Davis-Cup-Erfolgs über Spanien in den Mittelpunkt.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 03.02.2014, 16:52 Uhr

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Ein Kommentar von Christian Storhas:

„Irgendwann muss auch mal gut sein"

Buhrufe und ein gellendes Pfeifkonzert in Frankfurt am letzten Tag des Davis-Cup-Duells zwischen Deutschland und Spanien? Und das nach einer überragenden 3:0-Führung? Bei allem Verständnis für jene Zuschauer, die sich Tickets für den abschließenden Sonntag gesichert und auf eine spannende Entscheidung gehofft hatten, aber diese Reaktionen gegenüber der Helden der Vortage darf man durchaus gehörig in Frage stellen. Ich persönlich halte sie für mehr als nur überzogen. Eindeutig wäre es natürlich besser gewesen, ein angemessenes Rahmenprogramm zu organisieren und dem enttäuschten Publikum beispielsweise einen Schaukampf zu bieten. Dazu wäre unter anderen ein Nicolas Kiefer, der als TV-Experte fungierte, in der Halle gewesen oder auch ein Andre Begemann, Martin Emmrich oder Maximilian Marterer. Den Frust aber an den beteiligten angeschlagenen Spielern auszulassen, ist meiner Meinung nach absolut unangebracht. Dazu zu Beginn erst einmal einige Fakten:

Kohlschreiber und Haas beißen sich durch

Wie kam diese 3:0-Führung denn überhaupt zustande? Wir sprechen hier immerhin von Spanien, eine Nation, die den Davis Cup seit 2000 ganze fünfmal gewinnen konnte. Eine Mannschaft, die, egal in welcher Besetzung, immer schwer zu besiegen ist.

Bitte halten Sie sich noch einmal vor Augen: Philipp Kohlschreiber und Tommy Haas mussten zu Beginn des Jahres bei den Australian Open jeweils verletzungsbedingt passen. Und was taten sie danach? Sie bereiteten sich auf den Davis Cup in Frankfurt vor. Beide wurden gerade so rechtzeitig fit und gewannen am Samstag sogar das Doppel gemeinsam. Ihre Gegner Fernando Verdasco und David Marrero waren immerhin die amtierenden Weltmeister, wo die Spanier übrigens im Finale die Bryan-Brüder bezwungen hatten, das seit Jahren weltbeste Doppel. Damit aber nicht genug: Kohlschreiber brachte Deutschland am ersten Tag mit dem klaren Sieg über Roberto Bautista Agut eindrucksvoll in Führung. Letzterer hatte ebenfalls auf Hartplatz bei den Australian Open Juan Martin del Potro in fünf Sätzen niedergerungen. Und dann wäre da noch der oft gescholtene Florian Mayer, der einen eindrucksvollen Start ins Jahr 2014 hinlegen konnte. Auch er trat nach dem Halbfinale in Doha und dem kräftezehrenden Achtelfinal-Einzug bei den Australian Open, ohne jemals eine Zweifel daran aufkommen zu lassen, für sein Land an. In einem absoluten Marathon-Krimi behielt auch er gegen den gestandenen spanischen Routinier Feliciano Lopez in fünf Sätzen die Oberhand. Gerade Mayer, dem häufig fehlender Kampfeswille und lethargisches Verhalten auf dem Platz vorgeworfen wurde, biss sich trotz offensichtlicher Probleme gegen Ende der Partie durch das Match und holte den wichtigen Punkt zum 2:0. Da stellt sich doch die offensichtliche Frage: Ist es unter Berücksichtigung all dessen wirklich angebracht, wieder für eine negative Stimmung zu sorgen oder mehrmals zu pfeifen, wenn diese bereits angeschlagenen Spieler zu den sportlich unbedeutenden letzten Einzeln nicht antreten?

Verständnis angebracht

Ich habe, wie schon oben erwähnt, volles Verständnis für die enttäuschten Zuschauer, die ihre Tickets bezahlt und auf einen spannenden Sonntag gehofft hatten. Klar könnte man auch sagen, 'Warum stellt sich da jetzt nicht einer für das vierte Einzel rein, dass die Leute auf ihre Kosten kommen?'. Aber will ein richtiger Fan das wirklich sehen? Ein sportlich wertloses letztes Einzel mit einem sichtlich angeschlagenen Spieler auf dem Platz? Im Vorfeld eines Davis Cups sollte klar sein, dass die Partie am Sonntag eventuell bereits entschieden ist. Wäre da nicht ein bisschen Verständnis und Gefühl für die Situation angebracht? Sowohl Kohlschreiber, Haas als auch Mayer hatten ursprünglich nächste Woche für das Turnier in Zagreb gemeldet. Letzterer musste das Event bereits absagen, ein klares Opfer seiner Davis-Cup-Blessuren. Bei Kohlschreiber und Haas ist ein Einsatz ebenfalls noch fraglich und konnte auch im Hinblick auf die noch äußerst lange Saison auf keinen Fall aufs Spiel gesetzt werden.

Positive Entwicklung

Bedenken Sie bitte auch noch Folgendes: Seit Jahren wurde das deutsche Davis-Cup-Team, teilweise auch durchaus zu Recht, für das mangelnde Engagement bei den Team-Wettbewerben kritisiert. Die Richtigkeit dieser Kritik streite ich in keiner Form ab. Daran beteiligen möchte ich mich allerdings nicht, denn wenn es etwas Positives zu berichten gibt, sollte das auch einfach Vorrang haben. Auch stelle ich mir die Frage: Kann man es in Deutschland den Leuten überhaupt Recht machen? Vor allem jetzt dürfen meiner Meinung nach zumindest in der medialen Nachberichterstattung auf diesen Davis Cup ausschließlich positive Worte fallen. Denn nun hat sich ja genau das lange Bemängelte deutlich sichtbar gebessert. Woran es früher auch immer gelegen haben mag, bleibt für mich persönlich spekulativ, denn auch Patrik Kühnen hatte sich aus meinem Blickwinkel stets bemüht und voll eingesetzt. Was damals letztendlich genau zwischenmenschlich vorgefallen war, wird man wohl nie genau erfahren und es spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Positiv zu erwähnen ist aktuell jedenfalls auch die Zusammenführung von Kohlschreiber und Haas. Beide waren bekannterweise nie die besten Freunde, bissen sich aber im Doppel gemeinsam durch und bewiesen auch nach der Partie gegenseitigen Respekt füreinander. Haas lobte Kohlschreibers Leistung sogar in den höchsten Tönen und hob seinen Partner als den dominierenden Mann auf dem Platz hervor. Generell präsentierten sich die Akteure erneut als eine Einheit und als ein Team, bei dem auch Daniel Brands, Andre Begemann, Martin Emmrich und Youngster Maximilian Marterer kräftig in der Box mit anfeuerten. Auch Cedrik-Marcel Stebe, der nicht im Kader stand, war gekommen, um gemeinam mit seinen Landsmännern die deutsche Mannschaft zu unterstützen.

Endbilanz darf nicht getrübt werden

Es hört sich vielleicht abgedroschen an, aber meiner Meinung nach wird in Deutschland im Sport einfach nach wie vor zu viel schlechtgeredet und kritisiert. Um aber beim konkreten Thema zu bleiben, steht für mich jedenfalls folgende Endbilanz zu Buche: Die drei derzeit besten deutschen Tennisspieler haben sich diesmal allesamt vorbildlich für unser Land verpflichtet und Deutschland mit durchweg ausgezeichneten Leistungen und unter höchstmöglichem Einsatz zu einem 4:1-Sieg über Spanien geführt. Der positive Eindruck und die erfreuliche Entwicklung darf auf keinen Fall getrübt werden.

Mit sportlichen Grüßen

Christian Storhas

von tennisnet.com

Montag
03.02.2014, 16:52 Uhr