Im Fahrstuhl zwischen Erster und Zweiter Liga

Das deutsche Davis-Cup-Team spielt nach der Niederlage gegen Frankreich mal wieder um den Verbleib in der Weltgruppe.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 08.03.2015, 11:45 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus Frankfurt

Als Niki Pilic am Samstagabend in einer ruhigen Kellerecke der Fraport Arena über das deutsche Davis-Cup-Team redete, da ging es nicht mehr um das Große und Glänzende oder auch um eventuelle Pokaltriumphe. Pilic, der Berater der deutschen Herren-Nationalmannschaft, ist ein Mann, der weder nostalgisch in der Vergangenheit schwebt noch verklärt in die Zukunft blickt. Pilic weiß, was machbar ist. Und was nicht. Und so sagte erzu der früh besiegelten Erstrunden-Niederlage gegen Frankreich, zum Gang in die Relegation und zum Status quo seiner Auswahl: „Wir haben eine Mannschaft, die in der Weltgruppe bleiben kann. Aber darum müssen wir hart kämpfen.“ Nicht mehr, nicht weniger.

Tatsächlich hat der Auftritt der Equipe von Teamchef Michael Kohlmann und Berater Pilic gezeigt, wo Deutschland gerade steht im Welttennis der Herren und im ältesten Nationenwettbewerb: in der Gefahrenzone zwischen Erster und Zweiter Liga, latent bedroht vom Abstieg aus der Champions League, eine Fahrstuhlexistenz ohne Sicherheit. „Von einer Mannschaft wie Frankreich trennen uns keine Welten, aber auf einer Stufe stehen wir auch nicht mit ihnen“, sagte Kohlmann nach seinem erwartungsgemäß verlorenen Debütmatch als Bank-Direktor des DTB. Immerhin konnte der 41-Jährige darauf verweisen, dass Stimmung, Zusammenhalt und Atmosphäre innerhalb seiner Equipe „Mut machend“ gewesen seien: „Was das Teamgefühl angeht, haben wir trotzdem einen Neuanfang gemacht.“

Kohlmann auch als Nachwuchsförderer gefragt

Das Frankfurter Länderspiel war, da darf man sich keine Illusionen machen, nur der Beginn einer langen, schweren Wegstrecke für das deutsche Herrentennis. Gebraucht wird jetzt das,was Boris Becker vor dem Duell mit der Grande Nation mahnend vor allem der Funktionärselite ins Stammbuch schrieb: eine große, gemeinsame Kraftanstrengung, um in fünf bis zehn Jahren wieder eine Davis-Cup-Mannschaft zu haben, die nicht nur in der Weltgruppe mitspielt, sondern auch um Titel mitspielt. Orientieren kann sich der Betreuerstab dabei, sehr naheliegend, am Aufbauwerk, das bei den Frauen Barbara Rittner vor genau zehn Jahren begann – von einem vergleichbaren Status quo aus.

Kohlmann verwaltet daher im Hier und Jetzt eine Übergangsmannschaft, mit der es darauf ankommt, nicht weiter an Boden zu verlieren und das Interesse am Herrentennis und Davis Cup nicht komplett erlischen zu lassen. Gefordert ist der Teamchef eigentlich mehr in seiner zweiten Rolle: als angestellter DTB-Trainer für den Nachwuchs, als Nachwuchsförderer, als Talentscout, als Karriereberater für die Jungen und Jüngeren. „Michael ist dafür der richtige Mann. Er hat ein gutes Auge, hat einen Charakter, der Vertrauen schafft“, sagt Pilic über den neuen Trainer-Frontmann. Bei der Entwicklung der nächsten Tennis-Generation wird aber auch er, Pilic, dezent im Spiel sein, als geschulter Beobachter und Autoritätsperson. Welchen Glanz der Name Pilic noch hat, sah man in den Augen der jungen B-Kader-Spieler, die in Frankfurt eingeladen waren und gelegentlich als Sparringspartner für die Davis-Cup-Truppe agierten.

Quälender Prozess des Wiederaufbaus

Kohlmann sprach in Frankfurt über personelle Alternativen, die noch bereitstünden im Davis Cup, er nannte dabei auch Florian Mayer, Tommy Haas oder Daniel Brands. Sie sind in der Tat stets eine Option, wenn sie fit und stark genug sind. Aber ihre Tennis-Biographien sind eben auch mit vielen Unsicherheiten belegt, mit der zwangsläufigen Frage, wie und wie lange diese Karrieren überhaupt noch weitergehen können. Der Teamchef und sein Trainerstab haben den Blick deshalb auch nach vorn zu richten. Und da kommt es für die Spieler, die noch jung genug sind, um eine langfristige Perspektive im Davis Cup zu haben, also Jan-Lennard Struff oder Peter Gojowczyk, insbesondere darauf an,  im Alltagsbetrieb der Tour wieder über Erfolge und konstantes Wirken ausreichend Selbstbewusstsein aufzubauen. Nach Frankfurt kamen alle aus dem deutschen Team,ob nun der aktuelle Nummer-eins-Spieler Philipp Kohlschreiberoder auch Struff, mit einem wenig berauschenden Arbeitszeugnis in der Saison 2015, kein Wunder, dass Kohlschreiber später eher über „mangelndes Zutrauen“ als über gesundheitliche Probleme lamentierte.

Nicht nur auf Kohlmann, Pilic und Co. wartet viel Arbeit in einem quälenden Prozess des Wiederaufbaus, sondern auch auf die DTB-Spitze. Nach dem Funktionärsboxen der letzten Wochen, der von Becker heftig kritisierten Selbstbespiegelung der Repräsentanten, muss es nun zur Abwechslung um die Sache gehen, um den Sport selbst. Im Herrentennis, aber nicht nur dort, bedeutet das: weg von den lähmenden Personaldiskussionen und hin zur Debatte um die richtigen Strukturen. Weg von der „Kleinstaaterei und dem eigensinnigen Denken“ (Becker), hin zu mehr Zentralismus und straffer Führung, ganz nach dem französischen Vorbild.Beckers mahnende Worte trafen bei DTB-Vize Dirk Hordorff auf offenen Ohren, er empfahl jedem seiner Funktionärskollegen im Bund und Land die Lektüre: „Er hat genau und schmerzlich aufgezeigt, woran es bei uns krankt. Und was nun wichtig ist.“ Becker übrigens hatte durchaus angedeutet, dass er – unabhängig von Ämtern und Funktionen – in einen Dialog mit der DTB-Spitze treten würde, um seine Vorstellungen von einem besseren Tennis-Deutschland zu erklären: „Ich bin offen dafür“, sagt er.

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Sonntag
08.03.2015, 11:45 Uhr