Der Freitag bei den Erste Bank Open - ein Plädoyer für Bonuspunkte
Am Viertelfinal-Tag der Erste Bank Open 2020 sind mit Novak Djokovic, Dominic Thiem und Daniil Medvedev drei der vier Topgesetzten ausgeschieden. Das hätte man durchaus noch zusätzlich honorieren dürfen.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
31.10.2020, 09:24 Uhr

Um der Langeweile in der Formel 1 ein ganz klein wenig entgegenzuwirken, haben sich die Veranstalter Anfang 2019 darauf geeinigt, dem Fahrer mit der schnellsten Rennrunde noch einen Extrapunkt mit auf den Weg zu geben. Dass dieser Zähler zumeist an den Rennsieger, also im Zweifelsfall an Lewis Hamilton, geht, liegt in der Natur der Sache. Immerhin gab es ein paar Versuche anderer Teams, mit späten Reifenwechseln die Mercedes von Hamilton und Valteri Bottas wenigstens in Sachen Rennrunde herauszufordern. Ach, ja: Und es gibt ja auch noch Max Verstappen, der dann da ist, wenn Hamilton und Bottas patzen.
Novak Djokovic und Rafael Nadal patzen in der Regel selten, schon gar nicht bei großen Anlässen. Seit den Australian Open 2018, als Roger Federer seinen bis dato letzten Major-Titel holte, hießen die Sieger bei den Grand-Slam-Turnieren mit einer Ausnahme Djokovic und Nadal. Dominic Thiem hat bei den US Open 2020 gewissermaßen den Verstappen gegeben, wenige Wochen später in Roland Garros war die alte Weltordnung wiederhergestellt. Und die ist zudem durch ein Ranking-System zementiert, das spätestens Anfang 2021 seine Glaubwürdigkeit verloren haben wird. Dann nämlich, wenn die Punkte aus Melbourne 2020 noch für ein Jahr weitergeführt werden. Es sei denn, die Spieler schneiden besser ab als im Jahr zuvor.
Djokovic verliert nur gegen Nadal und sich selbst
Hier täte ein wenig Innovation gut. Und der Freitag in der Wiener Stadthalle hat ja fast die Blaupause dafür geliefert, wie das Rennen um die Weltranglisten-Positionen spannender gemacht werden könnte: durch das gute, alte Bonuspunkt-System. Für Lorenzo Sonego etwa war sein sensationeller Erfolg gegen Novak Djokovic schlappe 180 Punkte wert. Da hätte man ruhig noch einmal eine niedrige dreistellige Anzahl draufschlagen können: Wer den Brachenprimus schlägt, sollte dafür eine zusätzliche Belohnung bekommen. Zumal Djokovic in der laufenden Saison zuvor nur gegen Nadal und sich selbst verloren hatte.
Beim ATP Cup zu Beginn des Jahres gab es einen derartigen Ansatz schon: Dort wurden die Punkte abhängig von der Spielstärke der jeweiligen Gegner und der Turnierphase vergeben. Warum also nicht auch auf der ATP-Tour?
Denn auch Kevin Anderson hätte gegen eine Extra-Punkte-Prämie für seinen Weg zurück nach oben nichts einzuwenden gehabt. Der Wien-Sieger von 2018 warf Daniil Medvedev aus dem Turnier, immerhin die Nummer sechs der Welt. Selbst Andrey Rublev hätte trotz seiner formidablen Platzierung in den ATP-Charts - dort liegt er an achter Stelle - ein paar zusätzliche Zähler für seinen Sieg gegen Dominic Thiem, die Nummer drei, mitnehmen können. Was dem Russen auch im Race to London, das durch die eingefrorenen Punkte in diesem Jahr für die Topleute ein gemütlicher Spaziergang ist, geholfen hätte.
Kein Interesse an Änderungen
Dass sich am Ranking-System der ATP etwas ändert, davon ist aber nicht auszugehen. Die Spitzenleute haben weder Interesse daran, dass eine Punkte-Prämie auf ihren Kopf ausgesetzt wird. Noch daran, dass sich die riesige Kluft zwischen einem Erstrunden-Sieg bei einem Grand-Slam-Turnier (45 Punkte) und dem Major-Triumph (2.000 Punkte) schließt. Auch die Idee, die Gesetztenliste bei den vier größten Events auf 16 Spieler zu reduzieren und somit schon früher interessante Match-Ups zu ermöglichen, verschwand schnell wieder in irgendeiner Schublade.
Und so werden auch die Bonuspunkte auf der regulären ATP-Tour kein Revival erleben. Dabei hätten die womöglich den Nebeneffekt, dass tendenziell uninspirierte Auftritte von weit vorne klassierten Spielern bei kleineren Turnieren zur Ausnahme werden. Was sie bei Novak Djokovic, trotz seiner etwas unglücklichen Aussagen nach dem Aus gegen Sonego, natürlich ohnehin sind. Anderen Kandidaten würde eine Extraportion Motivation aber vielleicht helfen. Auch wenn diese nur darin besteht, dem jeweiligen Gegner keine zusätzlichen Weltranglisten-Punkte zu schenken.