Eva Lys beim Porsche Tennis Grand Prix: "Da geht ein Traum in Erfüllung"

Eva Lys (WTA-Nr. 342) hat eine der begehrten Wildcards für die Qualifikation beim Porsche Tennis Grand Prix erhalten, am Samstag geht es los für sie. Wir hatten sie vorm Start im Interview.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 23.04.2022, 14:51 Uhr

Eva Lys
© Hamburg European Open / Alexander Scheuber
Eva Lys

Eva Lys gilt als eine der hoffnungsvollsten Spielerinnen des Deutschen Tennis Bundes. 2019 siegte Lys beim weltbekannten Jugendturnier Eddie Herr in Bradenton und trat damit in Fußstapfen von Maria Sharapova und Andy Roddick. 2020 gewann sie – noch ohne WTA-Ranking (!) – das ITF-Turnier in Altenkirchen, schlug hier im Finale eine Top-200-Spielerin. Ende Oktober 2021 triumphierte sie in Istanbul und im Dezember auch bei den Deutschen Meisterschaften. Die 20-Jährige aus dem Porsche Talent Team lebt in Glinde bei Hamburg und schlägt in der Zweiten Tennis-Bundesliga für den „Club an der Alster“ auf. Erst vor Kurzem hat Lys mit Platz 311 in der Weltrangliste ihre bislang beste Platzierung erreicht.

Frau Lys, Sie sind am Mittwoch nach Stuttgart gereist, wie ist der erste Eindruck vorm Start beim Porsche Tennis Grand Prix?

Wenn man in der großen Halle steht und auch die anderen beiden Plätze sieht – das ist so wahnsinnig riesig! Ich war vor einigen Jahren als Zuschauerin hier, jetzt als Spielerin ist das natürlich eine große Ehre. Ich habe am Mittwoch direkt trainiert, am Donnerstag zwei weitere Einheiten absolviert. Da waren auch die ersten Topspielerinnen auf den Plätzen, Paula Badosa und Maria Sakkari habe ich gesehen, Ons Jabeur hat sogar schon in der Porsche Arena ein paar Bälle geschlagen./

Haben Sie zuvor schon mal auf „Indoor-Sand“ gespielt?

Bislang nur in einer Traglufthalle, die über einem normalen Sandplatz aufgebaut war. Der Court in Stuttgart ist etwas härter, daher auch um einiges schneller, aber die Bälle springen recht hoch ab. Man braucht ein bisschen Zeit, um sich daran zu gewöhnen, aber ich finde den Platz super! Ich mag schnelle Beläge sehr, von daher fühle ich mich rundum wohl.

Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Besuch beim Porsche Tennis Grand Prix?

Ja, das war mit elf oder zwölf Jahren. Ich war bei einem DTB-Lehrgang in Stuttgart-Stammheim, der fand zufällig in der Woche des Turniers statt. Wir wurden anschließend in Porsche-Autos abgeholt und durften in die Porsche Arena zum Zuschauen – das war ein großes Ding für uns alle! Wir haben außerdem Akkreditierungen für den Players-Bereich bekommen. Das werde ich nie vergessen.

Wissen Sie noch, wen Sie gesehen haben?

Ana Ivanovic, sie war damals noch aktiv. Wir saßen nah am Platz, und ich habe meinen Mund nicht zubekommen – es war unbeschreiblich aufregend! Ich habe irgendwo sogar noch einen Sticker von damals. Seither schaue ich mir den Porsche Tennis Grand Prix jedes Jahr im Stream an, er ist eines meiner Lieblingsturniere.

Eva Lys
© Hamburg European Open / Alexander Scheuber
Erster Auftritt auf WTA-Ebene: Eva Lys bei den Hamburg European Open 2021

Wie haben Sie von Ihrer Quali-Wildcard erfahren?

Barbara Rittner hat es mir mitgeteilt. Ich war gerade in Portugal, etwas im Stress, weil ich auf dem Weg zum Training war und das Taxi nicht kam. Da sah ich plötzlich die Nachricht von Barbara... Ich habe mich riesig gefreut! Es ist das größte WTA-Turnier, das ich bislang spielen darf. Letztes Jahr war ich in Hamburg und Linz in der Qualifikation dabei, nun kommt Stuttgart – da geht ein Traum in Erfüllung. Bei Barbara Rittner und Anke Huber möchte ich mich dafür auch noch mal ganz herzlich bedanken. Es ist eine wahnsinnig tolle Möglichkeit, die mir hier geboten wird! Ich kann unfassbare Erfahrungen sammeln.

Haben Sie auf eine Wildcard spekuliert? Immerhin sind Sie die aktuelle Deutsche Tennis-Meisterin.

(überlegt) Es ist alles etwas anders nach der Corona-Zeit, das Qualifikationsfeld in Stuttgart ist mit 16 Spielerinnen kleiner als früher. Von daher mache ich das ungern, auf eine Wildcard zu spekulieren. Ich freue mich einfach wahnsinnig, dass ich eine bekommen habe.

Sie haben Ihre Liebe zu schnellen Belägen angesprochen, 2020 haben Sie in Altenkirchen sogar eines der wenigen Turniere gewonnen, die noch auf Teppich ausgetragen werden. Haben Sie früher viel auf schnellen Plätzen trainiert?

Ich habe im Winter früher tatsächlich oft auf Teppich und Hartplatz gespielt, im Sommer natürlich auf Sand. Ich glaube, meine Vorliebe für schnelle Courts liegt an meinem Spielstil. Das Lustige ist: Ich habe die ersten sechs, sieben Jahre fast nur mit meiner Schwester trainiert (Lisa Matviyenko, Anm. d. Red.), aber wir haben ein komplett unterschiedliches Spiel! Sie ist passiver, spielt sehr gerne draußen auf Sand. Es ist eigentlich verrückt: Wir hatten denselben Trainer, also meinen Vater, und dieselben Bedingungen. Und doch sind wir komplett unterschiedliche Spielerinnen geworden. Es liegt vielleicht auch am Charakter.

Sind Sie sehr unterschiedlich, auch außerhalb des Platzes?

Ja, absolut. Sie ist tatsächlich die ausgeglichenere von uns, ich die emotionalere. Das merkt man an meinem Spiel. Ich spiele gerne aggressiv, die schnellen Courts kommen mir daher ganz gelegen (lacht).

Ihre Schwester ist 24, ist sie noch als Profispielerin unterwegs?

Lisa hat vor zwei Jahren offiziell aufgehört, trainiert aber noch viel. Sie hat vor zwei Jahren angefangen, Jura zu studieren und gerade mitgeteilt bekommen, dass sie all ihre Klausuren bestanden hat, was uns natürlich riesig gefreut hat. Wir spielen beide aber noch zusammen in der Zweiten Tennis-Bundesliga, im Club an der Alster in Hamburg.

Sie sind vermutlich durch Ihren Vater zum Tennis gekommen, oder?

Genau. Er ist hauptberuflich Tennistrainer, war früher Davis-Cup-Spieler in der Ukraine. Es liegt also in der Familie. Als meine Eltern ausgewandert sind, war ich erst eineinhalb, und das Jura-Studium meiner Mutter wurde in Deutschland leider nicht anerkannt. Sie musste von vorne anfangen, erst mal die Sprache lernen… Sie war von frühmorgens bis abends unterwegs. Daher hat uns mein Vater in den Kindergarten und in die Schule gebracht und abgeholt. Er musste nachmittags natürlich arbeiten, von daher waren wir immer mit dabei auf dem Platz.

Wie ist es nun, wo Ihre Schwester aufgehört hat – sprechen Sie dennoch viel über Tennis?

Lisa wohnt noch bei uns zu Hause, zurzeit teile ich mir sogar ein Zimmer mit ihr, weil meine ukrainischen Großeltern momentan bei uns leben. Es gibt keine Person, der ich näherstehe als meiner Schwester. Wir tauschen uns täglich aus, natürlich auch über Tennis.

Sie haben mal Maria Sharapova als Ihr großes Vorbild angegeben. Was hat Sie an ihr fasziniert?

Sharapova hat mir vom Spielstil her immer sehr gefallen, ebenso Ana Ivanovic. Auch Bianca Andreescu mag ich sehr – alle Spielerinnen sozusagen, die ein ähnliches Tennis spielen wie ich. Durch meinen Stil habe ich den Bezug gefunden. Ich mag es, diese Art von Tennis anzuschauen.

Sharapova und Ivanovic sind für den Porsche Tennis Grand Prix nicht die schlechtesten Vorbilder: Sharapova hat drei Mal den Titel gewonnen, Ivanovic stand im Finale…

Absolut! Man hat bei ihnen auch immer das Feuer in den Augen gesehen, sie haben die Atmosphäre genossen, die große Bühne. Das möchte ich auch mal erleben, und dafür will ich alles tun. Ich habe noch nicht allzu große Erfahrungen gemacht mit richtig viel Publikum... aber auch in meinen bisherigen Finalspielen oder bei wichtigen Matches, mit Zuschauern, die einen anfeuern, hat mir das viel Energie gegeben.

Eva Lys
© Upper Austria Ladies Linz / Alexander Scheuber
Voll fokussiert: Eva Lys bei den Upper Austria Ladies Linz

Frau Lys, wenn wir nachfragen dürfen: Sie haben Ihre Großeltern angesprochen, die aus der Ukraine geflohen sind und aktuell bei Ihnen in Glinde bei Hamburg leben. Wie geht es Ihnen allen, und auch Ihrem Großonkel, der in Kiew in einer Unfallklinik als Arzt arbeitet?

Meine Großeltern versuchen gerade, sich etwas einzuleben, aber es fällt ihnen nicht leicht. Menschen, die von heute auf morgen ihr altes Leben aufgeben mussten… Man merkt, dass alles noch nicht richtig angekommen ist bei ihnen. Sie haben immer noch das Gefühl und die Hoffnung, dass sie in ein paar Monaten wieder zurück können. Unser Onkel ist nach wie vor in Kiew.

Stehen Sie regelmäßig in Kontakt?

Ja, wir haben einen großen Familien-Chat, wir schreiben täglich. Die Lage ist leider unverändert schrecklich. In der Nähe meines Großonkels ist es aktuell ruhiger geworden, dieser Teil von Kiew ist mittlerweile etwas abgesichert, die russischen Truppen vertrieben. Aber er steht jederzeit bereit, wenn Kriegsverletzte eingeliefert werden. Und er schläft nach wie vor im Bunker.

Frau Lys, vielen Dank für das Gespräch und natürlich alles, alles Gute für Sie und Ihre Familie!

von Florian Goosmann

Freitag
15.04.2022, 09:47 Uhr
zuletzt bearbeitet: 23.04.2022, 14:51 Uhr