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Federers Houdini-Nummer und das große Regel-Wirrwarr bei den Grand Slams

In einer packenden Partie schlug Roger Federer in der Night Session vom Freitag John Millman in fünf Sätzen. Dabei kam die Tiebreak-Regel der Australian Open zum Einsatz, die sich von allen anderen drei Grand Slams unterscheidet.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 24.01.2020, 20:12 Uhr

Roger Federer war eigentlich schon geschlagen, als es zwanzig Minuten vor Eins auf der Uhr war, in der Geisterstunde von Melbourne. Im Supertiebreak bis Zehn lag er auf dem Centre Court gegen den unerbittlichen australischen Kämpfer John Millman bereits 4:8 zurück, Millman hatte das Ziel, die Sensation dicht vor Augen.

Und Federer das Aus. „Ich habe schon daran gedacht, wie ich das in der Pressekonferenz erklären soll“, sagte Federer später. Da stand er allerdings noch auf dem Centre Court, beim obligatorischen Siegerinterview, zusammen mit Befrager Jim Courier. 

Irgendwie hatte der Maestro das „Ding noch gedreht und rumgebogen“, wie er selbst sagte. Genau wusste er es auch nicht, wie es geschehen war – seine sechs Punkte bis zum 10:8 und dem 100. Sieg in Melbourne, bis zu einem schließlich verblüffenden 4:6, 7:6 (7:2), 6:4, 4:6, 7:6-Erfolg gegen Millman.

Gegen den Mann, der ihn vor anderthalb Jahren auf großer Bühne, bei den US Open, aus dem Turnier katapultiert hatte, im Achtelfinale. Genau um 0.49 Uhr war Federers jüngster Entfesselungsakt, diese Houdini-Nummer, in den Turnierprotokollen festgeschrieben, eine Anstrengung, die dem Schweizer alles an psychischen und physischen Reserven abverlangt hatte: „Es war ein Glücksspiel, ein Punkt hier oder da. Einer muss gewinnen, und einer ist dann draußen, so Federer, „ich bin glücklich, aber auch richtig kaputt.“

Allerdings: Für die nicht so hartnäckigen, eingeweihten Tennisbeobachter konnte in dieser Nacht in Melbourne auch ein wenig Konfusion aufkommen. Hatte Federer nicht letztes Jahr im fünften Endspiel-Satz in Wimbledon verloren, aber doch ein gutes Stückchen später – und bei welchem Spielstand genau?

Tatsächlich herrscht im Grand Slam-Regelwesen gerade ein ziemliches Durcheinander, statt einheitlicher Verfahrensabläufe kocht jeder sein eigenes Süppchen, wenn es darum geht, einen Sieger zu ermitteln. In Australien wird beim Stande von 6:6 im finalen Satz, also dem fünften bei den Herren und dem dritten bei den Damen, der sogenannte Super-Tiebreak gespielt. Statt wie beim regulären Tiebreak bis Sieben geht die Punktejagd bis Zehn – vorausgesetzt, der Sieger hat zwei Punkte Vorsprung, so wie auch im regulären Tiebreak.

Bei den French Open, Ende Mai und Anfang Juni in Paris, gilt das traditionelle Entscheidungsmuster, Tiebreaks bis zum finalen Satz. Danach kann der Zermürbungskampf im roten Sand theoretisch unbegrenzt weitergehen, ein Tiebreak ist nicht vorgesehen, es wäre also auch ein 20:18 oder 26:24 möglich.

Wimbledon entschied sich nach einigen Endlospartien, diese Geduldsproben auf Marathon-Niveau zu begrenzen. Im Entscheidungssatz folgt bei 12:12 der reguläre Tiebreak, nicht der Match-Tiebreak. So wie beim letztjährigen Finale, das Djokovic gegen Federer gewann, mit 7:4 in der abschließenden Glückslotterie.

Die US Open hatten als erstes der vier Grand Slam-Turniere ein Limit eingeführt, ein zum Turniercharakter passendes Shoot-Out zum Ende, ein Duell wie im Western auf der High Street. Das Regularium ist schon länger so fixiert: Tiebreak im fünften Satz, beim Stand von 6:6 und dann auch nur bis zum siebten Punkt. In New York also wäre Millman beim Stand von 7:4 im Tiebreak von Satz 5 schon zum Sieger erklärt worden – inmitten des schlimmen Regel-Wirrwarrs bei den vier größten Turnieren der Welt.

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von Jörg Allmeroth

Freitag
24.01.2020, 21:50 Uhr
zuletzt bearbeitet: 24.01.2020, 20:12 Uhr

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