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Als Boris Becker seinen wichtigsten Sieg feierte

Am 6. Juli 1986 tritt Boris Becker als Titelverteidiger in Wimbledon an und will beweisen, dass 1985 keine Eintagsfliege war.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 05.07.2016, 17:19 Uhr

JUL 1986: BORIS BECKER OF GERMANY HITS A BACKHAND IN THE MENS SINGLES FINAL AT WIMBLEDON AGAINST IVAN LENDL OF CZECHOSLOVAKIA. BECKER WENT ONTO WIN THE MATCH AND THE TROPHY FOR THE SECOND SUCCESIVE YEAR.

Am 7. Juli 1985 krönte sich Boris Becker zum jüngsten Wimbledon-Champ aller Zeiten, als er Kevin Curren im Finale schlug. "Der 17-jährige Leimener" ist seither ein feststehender Begriff für den mittlerweile 48-jährigen Becker.

Das große Tal nach dem Sieg 1985

Becker löste durch seinen Sieg eine Massenbegeisterung im sowieso schon euphorisierten Tennis-Deutschland aus. Nicht ohne Nebenwirkungen. "Der Druck, der sich nach dem ersten großen Triumph aufgebaut hatte, war unmenschlich. Ich durfte nichts mehr. Adieu Freiheit, nur noch das Spiel zählte", so Becker in seiner Autobiographie "Augenblick, verweile doch...". "Es hat für mich immer wieder Täler gegeben, aber nie war eins so tief wie das erste Tal, damals nach meinem Mount Everst 1985."

Ein Jahr später kam Becker ohne das große Erfolgserlebnis im Vorfeld nach Wimbledon. Viertelfinale Forest Hills, Viertelfinale Rom, Viertelfinale Paris, Viertelfinale Queen's lauteten die letzten Ergebnisse der Nummer sechs der Welt. Becker bekam zudem Stress mit Coach Günther Bosch und Manager Ion Tiriac, als er kurzfristig nach Monte Carlo flüchtete, um Kraft zu sammeln. "Ich brauchte Abstand, wollte mich wieder auf das konzentrieren, was mich stark gemacht hatte: mich selbst."

Becker überstand die ersten Runden ungefährdet. Drei Sätze brauchte er gegen Eduardo Bengoechea und Tom Gullikson, vier gegen Paul McNamee. Mikael Pernfors, gegen den er zuvor bei den French Open unterlegen gewesen war, besiegte er wie Miloslav Mecir ohne Satzverlust. Im Halbfinale gegen Henri Leconte musste er zwar einen Satz abgeben, aber das war egal: Becker stand wiederum im Finale beim wichtigsten Turnier der Welt.

Flashback zum 6. Juli 1986

Dennoch ist am 6. Juli 1986 alles anders als im Jahr zuvor. "Vor dem ersten Wimbledon-Finale hatte ich mich wie ein Kind in einem gigantischen Spielzeugladen gefühlt - alles war möglich." Nun war alles "eine Art Ausnahmezustand". Für Becker sollte das Finale 1986 zum Prüfstein werden: "War Becker 1985 ein Zufall gewesen oder ist er tatsächlich ein Mega-Talent?" Er habe sich zu jener Zeit nur noch über Tennis definiert, eine Niederlage wäre dem Totalverlust des Selbstwertgefühls gleichgekommen. "1985 hatte ich mich gefreut, dass das Match losging. 1986 war ich froh, als es vorbei war."

Beckers Gegner im Finale: Ivan Lendl , die Nummer eins der Tenniswelt, der bereits die French Open und US Open gewonnen hatte, aber einem Wimbledon-Sieg noch hinterherlief. In der Nacht zum Endspiel habe er von seinem Sieg geträumt, wie bereits im Jahr zuvor, so Becker. "Ich war überzeugt von meinem Triumph."

Die ersten beiden Sätze gehen glatt an den mittlerweile 18-jährigen Leimener gegen einen gelähmt wirkenden Lendl. Doch der erholt sich, führt in Durchgang drei mit 4:1, hat bei 5:4 und Aufschlag Becker drei Satzbälle am Stück. Becker aber dreht das Spiel mit starken Volleys auf den zweiten Aufschlag - 5:5. Becker weiß: "Jetzt fällt er." Der Deutsche breakt erneut, hat bei 6:5 und 40:30 Matchball, von derselben Seite wie im Jahr zuvor, und siegt 6:4, 6:3, 7:5. "Ich schwebe auf Wolken, bin ungeheuer erleichtert."

Becker beschreibt den Triumph 1986 so, als sei er vom Jungen zum Erwachsenen geworden. Er habe das Tor zur Zukunft aufgestoßen und konnte sich jetzt vertrauen. "Der Sieg 1986 war der wichtigste meiner Karriere. 1985 hatte ich nicht gewusst, was ich tat, ein Jahr später wusste ich es genau."

Wimbledon bleibt das alles entscheidende Turnier für Becker

Für Becker sollte Wimbledon das wichtigste und beeinflussendste Turnier seiner Karriere bleiben. 1987 scheiterte er überraschend gegen Peter Doohan in Runde zwei, von 1988 bis 1990 kam er jeweils ins Finale gegen Stefan Edberg - und siegte letztlich doch schon 1989 zum letzten Mal an der Church Road.

1991 kam Becker erneut ins Finale gegen Michael Stich, gegen den er unerwartet in drei Sätzen unterlag; 1995 war Pete Sampras im Finale zu stark. 1997 im Viertelfinale setzte es erneut eine Niederlage gegen Sampras, dem er im Anschluss erklärte, dass dies sein letzter Wimbledon-Auftritt gewesen sein sollte. Eine Ansage, die Becker zwei Jahre später aufhob.Zum letzten Turnier seiner Karriere schlug Becker 1999 als Weltranglisten-77. noch einmal in Wimbledon auf, wo er in Runde eins gegen Miles McLagan drei Matchbälle abwehren musste und schließlich auch gegen Nicolas Kiefer und Lleyton Hewitt siegte, bevor er im Achtelfinale Patrick Rafter unterlag.

von Florian Goosmann

Dienstag
05.07.2016, 17:19 Uhr