"Sehen uns nicht als Konkurrenz zur Südstadt"

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 30.09.2011, 08:46 Uhr

Von Rif in die Weltspitze” – diesen Weg möchten der ehemalige Daviscupper Gerald Mild und sein Geschäftspartner Ulf Fischer – Trainer des deutschen Davis-Cup-Teams – ihren Schützlingen ermöglichen. Anfang Oktober fällt der offizielle Startschuss für das Projekt “European Tennis Base”, zuvor spricht Initiator Gerald Mild im tennisnet.com-Interview über notwendige Strukturänderungen, das perfekte Umfeld in Rif und fehlendes Vertrauen im heimischen Tennis.


Im Oktober fällt der Startschuss zur “European Tennis Base” in Rif – wie ist die Idee für ein  Leistungszentrum in Salzburg entstanden?


Ich war die letzten zwölf Jahre 270 Tage im Jahr unterwegs, mein Partner Ulf Fischer war die letzten 18 Jahre zehn Monate pro Jahr auf Reisen. Jetzt wollen wir unsere Erfahrungen in einem kleinen Leistungszentrum unabhängig von Verbandsstrukturen an junge, hungrige Spieler weitergeben.


Ganz unabhängig von Verbandsstrukturen ist das Projekt nicht, immerhin kooperieren Sie mit dem Salzburger Tennisverband. Wie sieht die Zusammenarbeit im Detail aus?


Da mein Bruder Geschäftsführer im STV ist, hat das den Start der Zusammenarbeit sehr erleichtert. Es geht uns in erster Linie darum, die Synergien optimal zu nützen. Wir können in Rif die Einrichtungen der Sportuni mitbenutzen, haben durch den Olympiastützpunkt vor Ort optimale medizinische Betreuung (Ärzte, Physiotherapeuten) und arbeiten mit sehr guten Mentaltrainern zusammen. Für den konditionellen Bereich konnten wir Dr. Johannes Landlinger, einen anerkannten Experten im physischen Bereich gewinnen. Wir haben in Rif das perfekte Umfeld und alle wichtigen Einrichtungen auf einem Fleck – so etwas findet man weltweit nicht oft.

Welche Trainer und Spieler arbeiten momentan im Leistungszentrum?


Das Trainerteam bilden im Moment Ulf Fischer, Johannes Landlinger und ich, künftig soll dann noch ein Touring-Coach unser Team verstärken. Ulf hat sehr gute und vor allem seriöse Kontakte nach Deutschland, über ihn sind auch die beiden Deutschen Robin Kern und Marco Kirschner nach Rif gekommen. Kern ist U18-US-Open-Doppelsieger, Kirschner war zuletzt zwei Jahre in Hannover. Mit Daniel Geib haben wir derzeit auch einen Salzburger im Team. Er hat in den letzten zwei bis drei Jahren viele Turniere gespielt und er möchte jetzt noch einmal Gas geben. Wir werden jetzt ein Jahr lang intensiv mit ihm zusammen arbeiten, die Trainingsumfänge und Intensität erhöhen und schauen, wie weit es bei ihm nach vorne gehen kann. Mit Kern und Kirschner hat er jetzt sehr gute Trainingspartner, ist er Teil einer guten Gruppe und kann sein Training zu Hause in der gewohnten Umgebung runterspulen, was sicherlich kein Nachteil ist.


Derzeit ist in dieses Projekt nur ein österreichischer Spieler eingebunden...

Ziel ist es natürlich, in der nächsten Zeit weitere Österreicher in unserem Leistungszentrum auszubilden. Ein Spieler, der mich interessieren würde, ist Patrick Ofner, den ich von einigen Jugendturnieren kenne. Er maturiert aber im nächsten Jahr, wird sein Hauptaugenmerk jetzt also eher auf die Schule legen. Ich werde künftig aber natürlich auch in Österreich die Fühler nach weiteren Spielern ausstrecken.

Ein mögliches Aushängeschild für die “European Tennisbase” wäre wohl der derzeit verletzte Salzburger Nico Reissig...


Ich habe wenige Tage nach der Verletzung mit seinem Vater telefoniert. Nico trainiert in der Südstadt bei Gilbert Schaller und ist dort zufrieden. Wir sehen uns nicht als Konkurrenz zur Südstadt, wollen auch keine Spieler von anderen Leistungszentren abwerben, aber wenn Sportler mit ihrer Situation nicht mehr zufrieden sind, stehen die Türen bei uns offen. Es gibt in Österreich sicherlich genügend Spieler, die mit ihrer Situation nicht zufrieden sein können und denen wollen wir das bestmögliche Angebot bieten.

Das wird aber sicher auch seinen Preis haben. Welche Kosten kommen auf die Spieler zu?

Mit der Betreuung in Rif, die Benutzung der kompletten Infrastruktur, Einzel- oder Gruppenbetreuung bei Turnieren kommt man ungefähr auf Kosten von 22.000 Euro pro Jahr. Bei der Finanzierung streben wir eine Drittellösung an: Ein Drittel sollen der regionale Verband übernehmen, ein Drittel müssen Spieler und Eltern beisteuern und ein Drittel soll von Sponsoren abgedeckt werden.  Preislich sind wir damit sicherlich im unteren Segment von Europa – haben durch unsere Größe aber sicherlich individuellere Betreuungsmöglichkeiten als beispielsweise spanische Akademien, wo sich die Trainer 30-40 Spieler teilen.

Sie haben jahrelang selbst im Ausland gearbeitet, zuletzt mehrere Jahre im Schweizer Verband – wie beurteilen sie die Nachwuchsarbeit in Österreich?

In Österreich waren mit Dominic Thiem, Dennis Novak und Patrick Ofner heuer drei Burschen in den Top 30 der Jugendweltrangliste, bei den Mädchen gibt es eine Babsi Haas, die zu den größten Talenten zählt. Österreich steht im internationalen Vergleich sehr gut da, bei den Schweizern läuft es im Nachwuchsbereich nicht besser.

Aber man muss in Österreich auch etwas über den Tellerrand blicken, die Strukturen modernisieren. In der Schweiz aber auch in Frankreich ist man in den letzten Jahren immer mehr von der Zentralisierung weggegangen, das muss auch in Österreich schrittweise passieren. Die  Schweiz hat sich mit Heinz Günthardt einen Experten geangelt. Er hat die Strukturen geändert, nicht mehr jeden Spieler ins Leistungszentrum nach Biel geholt, sondern die Aufgaben auch auf ausgewählte Partnerakademien des Verbandes aufgeteilt.  Auch bei den Turnieren waren die Spieler dann nicht nur mit den Nationaltrainer, sondern auch  Verbandsspieler mit Trainern aus Partnerakademien unterwegs - dafür braucht es aber auch vertrauenswürdige Kooperationspartner. In Österreich arbeitet jeder gegen jeden, die privaten Akademien gegen den Verband und wenn ich lese, dass Spieler von der Südstadtgruppe alleine auf Turniere fahren, kann ich das nicht nachvollziehen. Der Verband ist auch ein Dienstleistungsunternehmen, muss auch den Nachwuchs, der nicht in der Südstadt trainiert, unterstützen und im Rahmen seiner Möglichkeiten fördern.

In welcher Form?

Mit Dominic Thiem gibt es in Österreich einen Spieler, der vielleicht nicht vom Geld des ÖTV abhängig ist, aber wieviele solcher Spieler gibt es? Wenn der Verband nicht mit Geld unter die Arme greifen kann, gibt es noch immer genügend andere Möglichkeiten. Der Verband kann den Spielern zu Wildcards verhelfen, internationale Spieler zum Sparring einladen, andere Leistungszentren zu Trainingsmatches nutzen usw. Außerdem sollten gute Kontakte auch im Ausland genutzt werden. In der Schweiz hatten wir beispielsweise sehr gute Kontakte nach Brasilien und Florida. Wenn wir dort Turnierserien bestritten haben, hat der Verband alles organisiert und durch die Kontakte für optimale Trainingsbedingungen vor Ort gesorgt – auch das ist in meinen Augen Aufgabe des Verbandes und hilft den Spielern enorm weiter.

Wie sieht ihr derzeitiges Verhältnis zum ÖTV aus? Haben sie bezüglich solcher Kooperationen schon Kontakt mit dem Verband aufgenommen?

Bis jetzt gibt es vom ÖTV noch keine Reaktion auf unser Projekt, wenn sich unsere Akademie gut entwickelt, möchte ich mit dem Verband über Kooperationen sprechen. Aber momentan ist der Verband ja auch in einer Umstrukturierungsphase, da weiß man auch nicht so recht, wer momentan wofür zuständig ist. Ich bin mir sicher, dass sich das unter einem Präsidenten Ronnie Leitgeb ändern wird. Er hat zwar im Verband sicher nicht nur Freunde, aber er hat das notwendige Know-How und hat Visionen. Ich glaube, dass er auch hinter solchen Kooperationen stehen würde, aber wie schon erwähnt: Dafür muss Vertrauen da sein und das fehlt scheinbar derzeit im österreichischen Tennis.(Foto: STV/Lagger)


Das Gespräch führte Bernt Baumgartner

von tennisnet.com

Freitag
30.09.2011, 08:46 Uhr