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Gesperrte Hallen & eine obskure Liste – Es brodelt in der Breitensport-Tennisszene

Der nächste Frühling kommt bestimmt, und das ist im Moment auch schon das Einzige, worauf die Breite...

von Claus Lippert
zuletzt bearbeitet: 18.02.2021, 15:18 Uhr

Der nächste Frühling kommt bestimmt, und das ist im Moment auch schon das Einzige, worauf die Breitensport-Tennisszene in den aktuell so dunklen Lockdown-Zeiten hoffen kann. Das Corona-Virus und die skurrilen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie haben die Tennis-Branche im Breitensport in eine veritable Krise schlittern lassen. Der Tennis-Breitensport scheint in ewigen Winterschlaf versetzt worden zu sein. Leere Tennishallen, verwaiste Tennisschulen, arbeitslose Tennistrainer und hunderttausende von Hobbyspielern, die seit mittlerweile mehr als dreieinhalb Monaten auf ihren Lieblingssport und die gesundheitlich so wichtige Bewegung verzichten müssen. Doch befindet sich tatsächlich die gesamte Tennisszene im ewig scheinenden Winterschlaf? Nein! Eine privilegierte Gruppe von mittlerweile mehr als 700 Spieler(innen) frönt weiter dem Tennissport. Und so ist die anfängliche Enttäuschung der Breitensportler mittlerweile in Wut & Ernüchterung umgeschlagen. Es brodelt gewaltig in der Breitensport-Tennisszene, die sich berechtigter Weise von den zuständigen Behörden unverstanden, und von ihren Fachverbänden unvertreten fühlt. Eine Reportage von C.L

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Keine Hallenöffnung – dafür hat Österreich nun mehrere hundert Spitzenspieler

An der Oberfläche kocht die Tennis-Volksseele vorallem ob der seit November vorigen Jahres gesperrten Tennishallen. Warum 20 Quadratmeter pro Person im Handel reichen, mehr als 300 Quadratmeter an Fläche pro Person auf einem Indoor-Tenniscourt jedoch nicht, bleibt genauso unerklärlich und nicht nachvollziehbar wie der Umstand gleichzeitig geöffneter Museen. Doch abseits dieses Hauptthemas schrammt die Tennisszene in eine weitere noch gar nicht vollständig absehbare Problematik, vorallem weil Ministerien und Verbände eine fatale Fehlerkette in Gang gebracht haben. Doch der Reihe nach: Zunächst einmal setzte sich der österreichische Tennisverband mit Erfolg dafür ein, das Österreichs beste Tennisspieler und jene die es noch werden wollen, auch zu Pandemiezeiten weiter trainieren konnten. Gut so, wäre es doch absoluter Wahnsinn, wenn Dominic Thiem & Co nach der Krise nicht mehr konkurrenzfähig wären. Der zweitgrößte Sportverband des Landes schien auf einem guten Weg. Die Hoffnungen der Breitensportler waren so groß wie ihre Begeisterung für den Sport an sich. Mit einem Präsidenten an der Spitze, der als Mitglied der Bundesregierung und ausgestattet mit den nötigen Argumenten was Abstand und Regeln betrifft, wohl für die Wiederaufnahme des Tennissport nach Lockdown-Ende sorgen würde. Doch das Vorhaben endete mit einem Bauchfleck. Stattdessen vollbrachte der Tennisverband quasi über Nacht ein Kunststück, das den renommiertesten Tennisakademien Österreichs und den besten Tennistrainern des Landers in den vergangenen Jahrzehnten nicht gelungen war. Österreich ist praktisch über Nacht eine Tennis-Großmacht und ein Land mit mehreren hundert Spitzenspielern geworden.

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Als Spitzensportler “getarnte” Hobbyspieler sorgen für Ärger beim Rest der Breitensport-Szene

Übereifrige Funktionäre sorgten nämlich undurchdachter Weise für eine scheinbar vom Ministerium genehmigte und mehrere hundert Namen umfassende Liste an “sogenannten” Spitzenspielern. Eine Liste, die aber freilich jeder Beschreibung spottet, mit Tennisspielern die ITN-Werte jenseits der 6,0, 7,0, ja sogar weit über 8 aufweisen, und die wie ein Schlag ins Gesicht eines jeden besseren Hobbyspielers wirkt. Abgesehen vom mangelnden Fingerspitzengefühl und fehlender Solidarität in der Pandemie, entpuppt sich die “Liste des Horrors” vorallem aber auch als tickende Zeitbombe in Sachen Wettbewerksverzerrung. Wenn der Lockdown enden wird, dann haben die konstruierten Spitzenspieler hinter den wahren Spitzenspielern einen rund fünfmonatigen Trainingsvorsprung. Hätte man sich mit diesem Umstand in der Breitensporttennisszene noch irgendwie abfinden können, lieferten Politk & Verbände gegen Ende des Jahres 2020 noch ein weiteres echtes Gustostück ab. Einem ganz klugen Kopf kam in dunkler Stunde die glorreiche Idee, im Lockdown ein Tennisturnier zu veranstalten. Und so dürfte jener Verband, der allen ITN-Turnier-Veranstaltern das Abhalten von Turnieren untersagte, beim zuständgen Ministerium um eine Sondergenehmigung angesucht haben.

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“Es liegen die entscheidenden zwei Wochen vor uns”

“Es stehen uns jetzt wirklich die entscheidenden zwei Wochen bevor, und es ist jetzt höchst notwendig, alle sozialen Kontakte zu beschränken”, mit diesem Statement wurden und werden die Menschen dieses Landes seit Monaten im Dauer-Rhythmus bei den unzähligen Regierungs-PK*s beschallt. Schon kurios, dass dann ausgerechnet seitens der ach so besorgten Politik Veranstaltungen mit als Spitzensportlern getarnten Hobbyspielern in der Größenordnung von 150 bis 200 Teilnehmern genehmigt werden. Das kann kein Hobbyspieler verstehen! Haben wir nun eine riesige Gesundheitskrise, dann müssen wir uns alle an Lockdown-Regeln halten. Oder ist die Corona-Krise doch nicht so schlimm, dann lasst uns die Hallen aufsperren und auch Turniere für ‘Hobbyspieler veranstalten. Dieses “Gleicher als Gleich” und die Spaltung der Tennis-Community ist jedenfalls gründlich daneben gegangen. Über die Folgen die diese verzichtbaren Turniere auslösen, wurde scheinbar noch gar nicht nachgedacht. Das der Verband bei diesem fraglichen Projekt nicht an die Breitensportler dachte, und eine indiskutable Veränderung der Leistungsstärken im Hobbysport in Kauf nimmt, war klar. Doch die Wettbewerbsverzerrung wird bis in die erweiterte Spitze wirken. Spieler mit Landesliga A Niveau die keine Aufnahme in die ominöse Spitzenspieler-Liste fanden, werden neben dem Trainingsrückstand auch mit fehlender Matchpraxis zu Beginn der Mannschaftsmeisterschaften im Frühjahr zu kämpfen haben. Dazu gibt es für die “Privilegierten” auch noch ÖTV-Punkte für die Rangliste und die Möglichkeit sich für die anstahenden Mannschaftsmeisterschaften im ITN zu verbessern. Da wird es schwer werden mit dem Geichheitsgrundsatz!

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Mitglieder verärgert und Breitensport-Tennisszene gespalten

Bleibt als abschließendes Fazit, dass sich die Verbände in der aktuellen Corona-Krise – nennen wir es – unglücklicher Weise verrannt haben. Auf die echten Spitzensportler und unsere international tätigen Nachwuchshoffnungen zu schauen, und für die nötigen Genehmigungen zum Training beim Ministerium zu sorgen, sowie hin und wieder auch kleinere – nicht öffentlich ausgeschriebene – Turniere für die Besten zu veranstalten, das hätte sich die Breitensportszene erwartet. Genauso wie sie erwartet hatte, die Öffnung der Tennishallen durchzusetzen. Stattdessen “spaltete” man die Hobbytennisszene, privilegierte einige hundert Spieler jenseits eines Spitzenspielerstatus und stieß mehr als hundertfünfzigtausend zahlende Mitglieder vor den Kopf. Die sorgen immerhin für rund ein Drittel des Budgets, stellen eigentlich den Tennissport an sich dar, und dürfen in der aktuellen Situation gnädiger Weise via Live-Streams zuschauen, wie Hobbyspieler mit ITN 5 und ITN 6 getarnt als Spitzenspieler trainierend durch die Halle “turnen”. Liebe Freunde! Der Fasching ist gestern zu Ende gegangen. Die Tennishallenbetreiber haben sich bereits zu einem Verband zusammengeschlossen, vielleicht ……….. .Hobby- und Freizeitspieler buchen Tennisplätze, kaufen Hallen-Abos, zahlen Mitgliedsbeiträge, erwerben Rackets, Bälle und Bekleidung, konsumieren in den Restaurants & Kantinen der Tennisclubs, spielen Turniere & Meisterschaft, nehmen sich Trainerstunden und sind einfach die tragende Säule des Tennissports in diesem Land. Sie haben sich mehr als eine Zuseherrolle verdient. Und nochmals zur Erinnerung ins Stammbuch der Entscheidungsträger geschrieben: Abstandregeln sind am Tennisplatz leichter als überall anders einzuhalten, Hygiene-Konzepte haben wir schon von Mai bis November letzten Jahres problemlos umgesetzt. Und um einen Test zu machen braucht man keinen Hochschulabschluss.

 

 

 

 

 

von Claus Lippert

Donnerstag
18.02.2021, 10:50 Uhr
zuletzt bearbeitet: 18.02.2021, 15:18 Uhr