Günter Bresnik über Bob Brett: "Zwischen Vaterfigur und großem Bruder"

Günter Bresnik blickt im Interview mit dem Standard auf seine Beziehung zu Bob Brett zurück, der Anfang Dezember nach einer Krebserkrankung verstorben ist. Auf die Beziehung zu einem Menschen, mit dem er weit über den Tennissport verbunden war. 

von Michael Rothschädl
zuletzt bearbeitet: 11.01.2021, 20:30 Uhr

Günter Bresnik pflegte eine enge Beziehung zu Bob Brett
Günter Bresnik pflegte eine enge Beziehung zu Bob Brett

Im Alter von 67 Jahren ist die australische Trainerlegende Bob Brett Anfang Jänner an einer langwierigen Krebserkrankung verstorben. Besondere Bekanntheit erlangte Brett durch seine Zusammenarbeit mit Boris Becker, welchen er zwischen 1987 und 1991 betreute und im Januar 1991 nach dem Erfolg Beckers bei den Australian Open sogar an die Spitze der Weltrangliste führte. Außerdem betreute Brett auch Spieler wie Goran Ivanisevic und Marin Cilic.

Auch Günter Bresnik bezeichnet im Interview mit dem Standard die Partnerschaft mit Boris Becker als dessen Durchbruch: "Becker zu trainieren war zu diesem Zeitpunkt ein schwieriges Unterfangen. Es war gut, dass er ihm privat nicht zu nahe gekommen ist. Becker war schon ein Superstar und mehr damit beschäftigt, sich abzuschotten. Später wählte Bob bei Goran Ivanišević einen ganz anderen, persönlicheren Zugang. Es ist die Kunst eines Trainers, zu wissen, was man zulässt, um den sportlichen Erfolg zu steigern." Genau das sei eine der großen Stärken von Bob Brett gewesen, wie Bresnik betont.

Brett "Leitfigur für alle Coaches"

Mit seiner Philosophie sei der Australier für viele Trainer ein Vorbild gewesen, wie der Ex-Coach von Dominic Thiem erklärt: "Er war über viele Jahre für alle Coaches eine Leitfigur. Er hat sich unabhängig von der Arbeit mit seinen Schützlingen sehr für das Tennis engagiert. Bob hat für den Sport gelebt wie kaum ein anderer. Sein Fokus lag weniger auf der Technik, sondern mehr auf der Fitness." Außerdem habe er für seine berufliche Zukunft stets weitsichtige Entscheidungen getroffen, sei etwa früh nach Amerika gegangen um zu einem der "Lieblingsschüler" von Harry Hopman zu werden. "Zu einem hohen Prozentsatz traf er die richtigen beruflichen Entscheidungen."

Die Beziehung Bresniks zu Brett ging aber weit über die berufliche Natur hinaus, wenngleich das erste Zusammentreffen aufgrund ihrer damaligen Schützlinge zustande kam: "Bob war Trainer von Boris Becker, der sich häufig mit meinem Schützling Horst Skoff unterhielt. So kam ich mit ihm in Kontakt. Wir entwickelten eine enge Freundschaft, die weit über den Tennissport hinausging." Natürlich habe man sich viel über Tennis unterhalten, aber auch Architektur, Literatur und private Dinge seien zur Sprache gekommen. 

Die Laufgruppe der Startrainer

Zeit dafür hatten die beiden Übungsleiter genug, gingen sie doch jahrelang gemeinsam um sechs Uhr laufen, wie Bresnik verrät: "Es war egal, wo wir waren: Ob in Hamburg um die Binnenalster oder entlang der Strände von Miami. Wir bildeten eine Laufgruppe mit anderen Trainern. Mit Chris Lewis aus Neuseeland, der einst Ivan Lendl trainierte. Mit Carl-Axel Hageskog aus Schweden. Lauter so Fitnessfanatiker wie Bob." Während diesen Laufeinheiten stand man im ständigen Austausch, die betreuten Spieler trainierten in der Folge auch oft gemeinsam. Brett habe Bresnik außerdem immer wieder gesagt, was er von den Matches von Horst Skoff dachte. 

Dementsprechend groß schätzt der Österreicher auch den Einfluss des Australiers auf seine Trainerlaufbahn ein: "Für meine Laufbahn als Trainer war er gemeinsam mit Ion Tiriac die wichtigste Person in meinem Leben. Durch sein Entgegenkommen ersparte ich mir eine Unzahl an Fehlern." Er sei für ihn "jemand zwischen einer Vaterfigur und einem großen Bruder" gewesen, man habe sich einander anvertraut. Als sich Brett etwa um einen Krankheitsfall in der Familie kümmern musste, habe er Bresnik gebeten, sich in dieser Zeit um seinen Spieler zu kümmern. 

Emotionale Erlebnisse zusammen

Und auch in den letzten Tagen von Bob Brett hätte dieser enge Kontakt angehalten, wie Bresnik verrät: "Über die letzten Monate stand ich in täglichem Kontakt mit seiner Tochter. Ich habe den Verlauf seiner letzten Tage sehr intensiv miterlebt. Mit ihm selbst sprach ich kurz vor Weihnachten noch per Videoschaltung." Die beiden hätten laut Bresnik vor allem drei emotionale Erlebnisse verbunden. Als der Vater von Bob Brett verstarb, besuchte ihn der Wiener in Paris. "Der Abend, an dem die Nachricht aus Australien kam, war ewig bedrückend und ging mir sehr nahe. Dadurch wurde unser Verhältnis gestärkt", erinnert sich der 59-Jährige.

Gleichzeitig wäre Brett nach Österreich gereist, um sich von Bresniks Mutter zu verabschieden, kurz bevor diese verstarb. Aber auch ein emotionales Erlebnis rund um den Tennissport bleibt dem Österreicher in Erinnerung: "Beruflich hat mich am meisten bewegt, als Becker 1989 die US Open gewann. Man muss wissen: Bob war immer ein sehr gefasster Mensch. Auf viele wirkte er vielleicht überhart. In diesem Moment aber weinte er vor Freude."

Hier geht es zum gesamten Interview! 

von Michael Rothschädl

Montag
11.01.2021, 21:15 Uhr
zuletzt bearbeitet: 11.01.2021, 20:30 Uhr