"Ich will selbst entscheiden, wann es vorbei ist"
Der 33-Jährige spricht im Interview über sein Comeback, die Gerry Weber Open und die Zukunft nach der Tennis-Karriere.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
04.06.2011, 10:50 Uhr

Herr Haas, Sie haben eine lange Verletzungspause hinter sich. Nach 15 Monaten, die Sie leider im Tennisgeschehen zuschauen mussten, sind Sie jedoch erfreulicherweise Vater geworden. Wie ist die Einschätzung der letzten Monate aus Ihrer Sicht?
„Es ist wirklich einiges passiert in den letzten Monaten. Vor 15 Monaten wurde ich an der Hüfte operiert, das war wieder ein großer Rückschlag in meiner Karriere. Ich hatte starke Schmerzen, habe allerdings vier Tage nach der OP erfahren, dass ich Vater werde, das hat mir sehr geholfen, die harte Zeit durchzustehen. Außerdem war es mir so möglich, die Schwangerschaft meiner Frau zu begleiten, bin zu jedem Termin mitgegangen. Das war eine sehr schöne Erfahrung, all dies miterleben zu können. Wäre ich fit gewesen, wäre mir das mit Sicherheit nicht möglich gewesen. Viele Dinge verändern sich einfach, Prioritäten werden neu gesetzt und rücken in den Vordergrund. Nichtsdestotrotz trainiere ich zurzeit sehr gewissenhaft, um mein Fitnesslevel wieder zu erreichen. Es war ein sehr schönes Gefühl, als ich hier in Halle mein Siegerfoto von 2009 gesehen habe. Das motiviert und ich hoffe, dass ich bei meinem Lieblingsturnier sozusagen meinen Titel von vor zwei Jahren verteidigen kann.“
Was für ein Gefühl hatten Sie nach Ihren ersten Einsätzen dieses Jahr bei den BMW Open in München im Doppel und bei den French Open im Einzel?
„Im Großen und Ganzen bin ich mit meiner Leistung zufrieden. Ich muss einfach mehr spielen, um zu sehen, wo ich stehe, das lässt sich schlecht im Training herausfinden. Ich muss mich erst wieder an das Level gewöhnen. Mein Körper hat in den letzten Matches nicht so mitgespielt, wie ich es mir gewünscht hätte, er muss das Gefühl wiederfinden, bis zum Ende fighten zu können. Im Moment fühle ich mich fit, bin extra früh angereist, um im Vorfeld viel auf Rasen trainieren zu können. Ohne Physiotherapeuten geht es zwar nicht mehr, aber die Schläge sitzen.“
Was ist Ihr Ziel dieses Jahr bei den Gerry Weber Open?
„Ich möchte zunächst die erste Runde gewinnen. Natürlich wünsche ich mir, wie vor zwei Jahren den Titel zu holen, aber das Ziel ist doch noch sehr weit weg. Man muss da realistisch bleiben und step by step sehen, wie es läuft. Ich lasse einfach alles auf mich zukommen, warte ab, welchen Gegner ich zuerst vor mir habe und versuche, das Match zu gewinnen.“
Wie sieht Ihr Plan für die Zukunft aus, wie weit wollen Sie gehen, wenn der Körper nicht mehr auf das Level kommt, dass Sie sich wünschen?
„Ich denke, dass ich im November noch einmal ein Resümee ziehen werde, wie es gelaufen ist und wie es mir geht. Es macht natürlich auf Dauer keinen Spaß, wenn man sich immer wieder quälen muss, immer wieder verletzt ist und sich ständig zurückkämpfen muss. Wenn es so weiter geht, dann muss man auch sagen können ‚Jetzt reicht es‘.“
Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, was die Zukunft bringt, wenn Sie Ihre aktive Tennis-Karriere beenden?
„Als ich 2003 zweimal an der Schulter operiert wurde, war ich auch 15 Monate außer Gefecht gesetzt. Da war ich allerdings 25 Jahre alt, die Situation war eine andere, ich wusste, dass ich mich wieder zurückkämpfen kann. Mit 33 Jahren mache ich mir nun natürlich andere Gedanken. Es gibt einige Angebote und Möglichkeiten, die ich mir vorstellen könnte. Generell kenne ich das Tennisgeschäft und da gibt es Türen, die mir offen stehen. Ich könnte mir aber auch vorstellen, erst einmal ein Jahr Abstand vom Tennisgeschehen zu nehmen und mich ganz auf meine Familie zu konzentrieren. Würde ich beispielsweise mit einem Spieler auf Tour gehen, hätte ich dafür auch keine Zeit“
Inwieweit kann Ihnen das „herzlich Willkommen“ in Halle/Westfalen helfen?
„Ich denke, genau das sind die Momente, wofür man das alles macht. Es ist großartig, wenn man das Feld betritt und die Zuschauer klatschen und jubeln, das ist einfach das Highlight und darauf freue ich mich tierisch.“
Ist es richtig, dass Sie Ihr eventuelles Karriereende nicht ganz unvorbereitet trifft?
„Ich gehe jetzt noch einmal raus und schaue, was passiert. Ich möchte mir auch selbst beweisen, dass ich wieder spielen kann. Dafür bin ich zu ehrgeizig, einfach den Schläger in die Ecke zu legen, ohne es noch einmal versucht zu haben. Ich will selbst entscheiden, wann es vorbei ist, und mir diese Entscheidung nicht von einer Verletzung oder andern äußeren Umständen aufzwingen lassen.“
Wie bewerten Sie die Entwicklung der deutschen Davis Cup-Mannschaft?
„Ich freue mich sehr, dass es so gut läuft. Sie haben mittlerweile ein gutes Alter erreicht, sie unterstützen sich gegenseitig und springen füreinander in die Bresche. Sie treten viel routinierter auf als vor ein paar Jahren, haben Erfahrung gesammelt. Sie sind als Team zusammen gewachsen, das hat sich ja in Kroatien gezeigt.“
Interview: Gerry Weber Open; Foto: GEPA pictures