Hanfmann im Interview: "Das ist auch für Thiem und Wawrinka kein Selbstläufer"

Für Yannick Hanfmann geht es beim ATP-Challenger-Turnier in Marbella um wichtige Punkte und ordentlich Selbstvertrauen für die kommenden Wochen. Im exklusiven Interview mit tennisnet.com spricht der 30-Jährige über die Comebacks von Dominic Thiem und Stan Wawrinka, seine bisherige Saison sowie den Aussetzer von Alexander Zverev.

von Nikolaus Fink aus Marbella
zuletzt bearbeitet: 27.03.2022, 07:12 Uhr

Yannick Hanfmann trifft in Marbella in Runde eins auf Mario Vilella Martínez
© Getty Images
Yannick Hanfmann trifft in Marbella in Runde eins auf Mario Vilella Martínez

Herr Hanfmann, Sie werden zum ersten Mal in Ihrer Karriere in Marbella spielen. Warum haben Sie sich dazu entschieden, hier aufzuschlagen?

Das ist die erste Chance, in Europa auf Sand zu spielen. Ich habe nach Australien kein Hartplatzturnier mehr gespielt und war inzwischen in Südamerika auf Asche unterwegs. Ich habe dann zwar kurz überlegt, ob ich nach Indian Wells und Miami fliegen soll, habe mich dann aber dagegen entschieden. Deswegen will ich in Europa viel auf Sand spielen. Jetzt kommt die erste Woche. Man weiß von Marbella, dass das Wetter normalerweise gut ist und die Bedingungen für das Training passen. In dieser Woche ist das ein bisschen schwieriger, weil das Wetter nicht so gut ist und es außerdem ein Combined Event mit den Damen ist. Daher sind immer viele Trainingsplätze belegt. Ich freue mich dennoch auf die Woche, weil die Bedingungen hier echt super sind.

Wie haben Sie sich in den ersten Trainingseinheiten gefühlt? Wie gut haben Sie den Ball am Schläger?

Grundsätzlich fühle ich mich gut. Das sind aber nur die Eindrücke aus dem Training. Ich habe schon seit ein paar Wochen kein Match mehr gespielt, denke aber, dass ich mit guten Leistungen auf jeden Fall ein paar Runden gewinnen kann. Das Feld ist sehr stark, aber ich freue mich nach einigen Trainingswochen einfach, dass es wieder losgeht. Es ist gut, dass wieder ein Turnier ansteht.

Mit Dominic Thiem und Stan Wawrinka sind in Marbella auch zwei ehemalige Grand-Slam-Sieger am Start. Was sagt das über dieses Turnier aus?

Das zeigt vielleicht die Ambitionen das Turniers. Im vergangenen Jahr fand hier ein ATP-250-Event statt. Ich denke auch, dass das Turnier dafür alles mitbringt. Mit diesem Feld könnte das auch ein ATP-Event sein. Dass sich die beiden für ein Antreten entschieden haben, zeigt, dass die Woche gut passt, um Matches zu spielen. Ich hoffe, dass sie fit sind und spielen können. Denn sie sind zwei großartige Spieler.

Ich hoffe, dass ich im nächsten Match gegen ihn zumindest einen Satz gewinne.

Yannick Hanfmann über ein etwaiges Wiedersehen mit Rafael Nadal.

Parallel findet in Miami gerade ein ATP-Masters-1000-Turnier statt. Wie ist es dem gemeinen Sportfan aus Ihrer Sicht zu vermitteln, dass auch in Marbella starkes Tennis gezeigt wird?

Ich finde es nicht schlimm, dass auch in Miami gespielt wird. Natürlich nimmt es ein bisschen den Fokus von diesem Turnier weg, aber die Challenger kann man zumindest alle anschauen. Wenn man will, kann man an jedem Tag starkes Tennis im Challenger-Livestream sehen. Bei Miami ist der Zugang schwieriger. Grundsätzlich wissen wir im Tennissport schon seit einigen Jahren, dass es viele gute Spieler gibt. Ich weiß nicht, wann genau das begonnen hat. Ich habe aber das Gefühl, dass wir alle immer noch enger zusammenrücken. Klar, die Spitze ist immer noch eine eigene Liga - vor allem, wenn es bei den Grand Slams über Best of five geht. Vielleicht sehen wir hier in der kommenden Woche aber Thiem und Wawrinka, die gegen einen Spieler zwischen Weltranglistenposition 100 und 200 Probleme haben. Die können auch gutes Tennis spielen. Zudem haben die beiden auch eine Weile nicht gespielt. Im Tennis hängt viel von der Tagesform ab. Das könnte man auch in der kommenden Woche sehen. Es sind Topspieler dabei, aber auch welche, die Ende 100 bis Anfang 200 stehen. Da muss man trotzdem eine gute Leistung abrufen. Das ist auch für Thiem und Wawrinka kein Selbstläufer. 

Sie haben bei den Australian Open gegen den späteren Sieger Rafael Nadal in der zweiten Runde in drei Sätzen verloren. Wie blicken Sie mit rund zwei Monaten Abstand auf dieses Match zurück?

Ich weiß ja, wie es ist, gegen Rafa zu spielen, wenn er ein Grand-Slam-Turnier gewinnt (lacht). Ich habe in Paris (2019, Anm.) gegen ihn gespielt. Da hat es sich relativ scheiße angefühlt, weil ich nicht viel Land gesehen habe. Klar sagt man sich dann, dass es toll war, auf dem Centre Court zu spielen und so weiter. Im Endeffekt will man aber trotzdem eine gute Leistung zeigen. In Paris habe ich das nicht auf den Platz gebracht. Anfang des Jahres habe ich gegen Rafa viel besser gespielt. Es war auch ein engeres Match. Es waren zwar trotzdem glatte drei Sätze, aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht so glatt war. Ich glaube, dieses Gefühl hatte er auch. Deswegen bin ich mit diesem Match auf jeden Fall glücklicher als mit jenem in Paris. Ich habe gemerkt, dass ich über die vergangenen Jahre noch einmal besser geworden bin. So soll das natürlich auch sein. Ich habe mich verbessert und von diesem Match viel Positives mitgenommen. Das hat mir viel Selbstvertrauen gegeben, dass ich auch auf diesem Level bestehen kann. Ich hoffe, dass ich im nächsten Match gegen ihn zumindest einen Satz gewinne. Vielleicht wäre es auf Rasen ein bisschen besser (lacht).

In der ersten Runde der Australian Open haben Sie mit Thanasi Kokkinakis einen Spieler geschlagen, der in dieser Saison bislang sehr gute Leistungen zeigte. War das so eine Partie, in der Sie gesehen haben, dass Sie das Potential für die Top 30 oder Top 50 haben?

Ja, auf jeden Fall. Ich glaube schon, dass ich das Niveau für die Top 30 habe. Die Frage wird sein, ob ich das physisch packe. Ich hatte immer wieder mit Verletzungen zu kämpfen und muss diesbezüglich Konstanz in mein Jahr bekommen, um die Ergebnisse einzuspielen. Die Top 30 erreichst du nicht mit ein bis zwei Turnieren. Da musst du schon einige gute spielen. Ich hatte in den vergangenen Jahren meist zwei bis drei richtig gute Turniere. Der Turnierkalender muss ebenfalls passen. Man darf nicht zu viel spielen, aber natürlich auch nicht zu wenig. Wenn ich auf dem Level spiele, das ich in den vergangenen Monaten gezeigt habe, bin ich sehr sicher, dass ich bald nicht außerhalb der Top 100 (109, Anm.), sondern auf jeden Fall in den Top 100 und wahrscheinlich sogar ein bisschen höher stehe. Vielleicht in den Top 60 oder so. Ich war dort aber noch nicht (Hanfmanns Karrierehoch ist Platz 92, Anm.). Deswegen kann ich nicht sagen, dass das ein Selbstläufer wird. Ich glaube aber, dass ich das in mir drin habe.

Welche Ziele haben Sie sich für diese Saison gesteckt?

Ich verstehe, dass man das in Interviews immer gerne hört. Wenn ich es auf ein Ranglistenziel herunterbrechen soll - was ich nicht so gerne mache -, würde ich sagen, dass ich die Top 60 in diesem Jahr anvisiere. Ich glaube, das habe ich auch drin. Ich stecke meine Ziele aber eher turnierbezogen. Ich würde gerne im Davis Cup spielen. Ich war als Ersatzspieler in Rio dabei und würde auf jeden Fall gerne dabei sein, wenn wir in der Hauptrunde in Deutschland spielen. Dafür muss man eine entsprechende Ranglistenposition haben. Zudem will ich bei den Grand Slams gut performen. Ich will in diesem Jahr in Paris gut spielen. Ich war auch bei zwei ATP-250-Turnieren im Finale (Kitzbühel 2020, Gstaad 2017, Anm.). Einen Titel kann ich mir schon gut vorstellen.

Das war ein Riesenfehler von ihm.

Yannick Hanfmann über den Aussetzer von Alexander Zverev.

Sie hatten beim Davis Cup mit Alexander Zverev unmittelbar nach dessen Aussetzer in Acapulco Kontakt. In Miami entstand nun nach weiteren Fehltritten von Jenson Brooksby und Jordan Thompson eine größere Debatte. Wie bewerten Sie diese Thematik?

Das ist ein schwieriges Thema, keine Frage. Ich muss auch ein bisschen aufpassen, was ich sage. In erster Linie finde ich, dass das, was Sascha gemacht hat, absolut falsch war. Er hat das auch als Erster eingesehen. Wir haben auch in Rio darüber geredet. Klar, das war ein Riesenfehler von ihm. Es ist immer scheiße, weil es halt einfach passiert ist. Zu Brooksby: Ich finde, es gehört dazu, Schläger zu werfen. Aber warum unkontrolliert? Das verstehe ich überhaupt nicht und finde ich extrem dumm von den Jungs, denen das passiert. Wir sind talentiert genug, dass uns das nicht passieren sollte. Deswegen, solche Sachen ... Ich kenne mich mit dem Regelwerk nicht so genau aus, wäre aber völlig dafür, härter durchzugreifen, wenn so etwas passiert. Auf dem Platz, nicht im Nachhinein mit 20.000 Dollar Strafe. Das ist schön und gut, aber es geht auch um das Match. Wenn so etwas wie bei Brooksby passiert, finde ich schon, dass er einen Default bekommen könnte und das Match verliert. Da bin ich absolut dabei.

Finden Sie die Strafe für Alexander Zverev gerechtfertigt?

Ich weiß nicht, ob man ihn über das Finanzielle kriegen kann. Ich glaube nicht. Ich denke nicht, dass man Sascha mit einer 20.000- oder 25.000-Dollar-Strafe irgendwie nervt (Zverev musste zunächst 40.000 Dollar zahlen und das Preisgeld von 30.000 Dollar zurückgeben. Die zusätzliche Strafe von 25.000 Dollar wurde auf Bewährung ausgesprochen, Anm.). Ich glaube, da müsste man sich etwas anderes überlegen. Jetzt ist es nicht so gekommen und ich glaube, dass das für ihn gut ist, weil er sich nach dem Acapulco-Szenario mega schlecht gefühlt hat. Ich würde jetzt auch einmal sagen, dass so etwas bei ihm nicht mehr vorkommen wird. Dafür ist er clever und schlau genug. Ich würde sagen, dass er noch einmal gut weggekommen ist.

Das Einzel-Tableau in Marbella

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