Juan Carlos Ferrero im Exklusiv-Interview: "Tennis ist mein Leben"

Juan Carlos Ferrero spricht im Interview mit tennisnet.com über seine enge Verbundenheit mit dem Tennissport, die gemeinsamen Ziele mit Schützling Carlos Alcaraz und erklärt, welch hohen Stellenwert Tennis in seiner Heimat Spanien innehat.

von Michael Rothschädl
zuletzt bearbeitet: 09.03.2022, 09:33 Uhr

Juan Carlos Ferrero blieb auch nach seiner spielerischen Laufbahn dem Tennis eng verbunden
Juan Carlos Ferrero blieb auch nach seiner spielerischen Laufbahn dem Tennis eng verbunden

Das Ende Ihrer Laufbahn als Spieler war für Sie nicht einmal annähernd ein Abschied vom Tennis - mit der Zusammenarbeit mit Spielern wie Alexander Zverev oder Carlos Alcaraz als Trainer und dem Betrieb einer eigenen, erfolgreichen Akademie. Haben Sie jemals genug von diesem Sport?

Tennis ist mein Leben. Als Spieler bin ich in der Akademie gewachsen und darüber hinaus hatte ich das Gefühl, dass wir zusammenwachsen. Das Ende meiner professionellen Laufbahn auf der Tour war dadurch viel einfacher, weil ich wusste, dass ich die Akademie habe und mit dem Tennis weiterhin verbunden bleiben würde.

Wenn Sie auf Ihre Profikarriere zurückblicken: Sie haben ein Grand-Slam-Turnier gewonnen, waren die Nummer eins der Welt - gibt es da noch etwas, das Ihnen in Ihrer Karriere fehlt?

Ich bin zufrieden mit dem, was ich als Spielerin erreicht habe. Als Trainer genieße ich die Tour jetzt auf eine völlig andere Art und Weise, mit großen neuen Zielen.

Sie haben in einer erfolgreichen Ära des spanischen Tennissports gespielt, kurz bevor Rafa Nadal sein höchstes Niveau erreichte. Und jetzt steht mit Carlos Alcaraz eine neue, große Hoffnung für das spanische Tennis vor den Türen. Haben Sie einen Wandel in der Wahrnehmung des Tennissports in Spanien beobachtet?

Rafael Nadal hat die Präsenz des Tennissports in den spanischen Medien auf jeden Fall erhöht. Sie war bereits zuvor sehr hoch, aber Rafael Nadal hat sie auf ein anderes Niveau gehoben.

Was denken Sie über den aktuellen Status des spanischen Tennissports? Garbiñe Muguruza und Paula Badosa sind bei den Damen an der Weltspitze, Rafael Nadal, Pablo Carreño Busta, Roberto Bautista Agut und natürlich Carlos Alcaraz sind bei den Herren sehr weit vorne.

Spanien ist bereits lange Zeit in der Weltspitze vertreten. Es ist eindeutig eine der Adressen für den Tennissports: Nicht nur wegen der spanischen Spieler, sondern auch aufgrund der vielen Spieler aus anderen Ländern, die in Spanien trainieren. Das gute Wetter, all die Clubs, die Trainer, die Turniere: Wenn die Profispieler all das weiterhin so sehr unterstützen, denke ich, dass es ein Leichtes sein wird, dass wir für eine lange Zeit eine derartige Messlatte bleiben können.

Wie schaffen Sie es, die Reisen mit Carlos Alcaraz zu den Turnieren und die Leitung Ihrer Akademie unter einen Hut zu bringen?

Es ist enorm wichtig, dass man bei jeder dieser Aufgaben auf ein gutes Team zählen kann. Glücklicherweise habe ich ein großartiges Team, mithilfe dessen sich das alles managen lässt.

In einem Gespräch mit der ATP vor ein paar Monaten sagten Sie, dass Sie sehr schnell einschätzen können, wie schnell sich ein Spieler entwickeln kann. Wenn Sie sehen, dass Carlos Alcaraz gerade den Sprung in die Top 20 geschafft hat, sind Sie dann nicht doch ein wenig überrascht?

Ich weiß, dass er es schaffen kann. Er hat das Potenzial und arbeitet hart dafür, aber ich bin dennoch ein wenig überrascht, wenn er seine Ziele so schnell erreicht.

Inwieweit hilft Ihnen Ihre Erfahrung als Grand-Slam-Champion dabei, einen Mann wie Carlos Alcaraz zu trainieren, der das Potential hat, schon bald ebenso um die ganz großen Titel zu kämpfen?

Ich habe sehr viele der Dinge erlebt, die er in seiner Karriere erlebt und noch erleben wird. Diese Erfahrung und die Ratschläge, wie er damit umgehen kann, helfen ihm sehr. Das ist ein kleiner, aber wichtiger Vorteil auf diesem Niveau.

Zunächst sah Carlos Alcaraz wie ein Sandplatzspezialist aus, erzielt aber jetzt - in einem durchaus frühen Stadium seiner Karriere - auch auf Hartplatz großartige Ergebnisse. Ist es Ihr Ziel, aus ihm einen "kompletten Spieler" zu machen, der auf allen Belägen mithalten kann? 

Auf der Tour wird hauptsächlich auf Hartplatz gespielt. Dementsprechend ist es wichtig, das Spiel auf diesem Untergrund zu beherrschen. Carlos´ Spiel ist großartig für Hartplatz. Im Club hingegen ist er nur auf Sandplätzen aufgewachsen, daher fühlt er sich natürlich auf Sand sehr wohl.

Wenn ich mit Trainern spreche, komme ich sehr gerne auf ein Zitat von Javier Frana zurück, der sagt, dass die Hauptaufgabe von Trainern darin besteht, einem Spieler zu helfen, seine Identität zu finden. Haben Sie das Gefühl, dass Carlos seine Identität bereits gefunden hat?

Ich denke, ja. Er ist noch jung und wird sich natürlich noch weiterentwickeln, aber er scheint sich in vielerlei Hinsicht schon auf einen gewissen Stil festgelegt zu haben.

Vor ein paar Tagen hat Carlos in Rio de Janeiro seinen ersten ATP-500-Titel gewonnen. Was glauben Sie, kann Carlos in dieser Saison erreichen?

Wir haben hohe Ziele für dieses Jahr. Das Hauptziel ist aber immer noch, dass er viele Erfahrungen sammelt und sich weiter verbessert. Wir würden das Jahr aber gerne mindestens unter den Top 15 der Weltrangliste beenden. Zur Saisonmitte werden wir uns vielleicht ein höheres Ziel setzen, wenn wir diese positive Dynamik mitnehmen können.

Er will die Nummer eins werden und ich werde ihm so gut wie möglich dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen.

Juan Carlos Ferrero über Schützling Carlos Alcaraz. 

Blicken wir etwas weiter in die Zukunft. Da Sie mit einem der vielversprechendsten jungen Spieler zusammenarbeiten: Wer wird Ihrer Meinung nach in fünf Jahren das Herrentennis dominieren?

Wir arbeiten darauf hin, dass Carlos in der absoluten Weltspitze mitspielt und sich mit den Besten messen kann. Er will die Nummer eins werden und ich werde ihm so gut wie möglich dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen.

Ein weiterer Spitzenspieler, mit dem Sie gearbeitet haben, ist Alexander Zverev. Im Jahr 2020 sagten Sie, dass es ihm die mangelnde Konstanz in seinem Spiel noch schwer macht, ein Grand Slam zu gewinnen. Bei den letzten Majors schien er diese Konstanz gefunden zu haben, trotzdem hat er es nicht geschafft, den Titel zu gewinnen. Wie sehen Sie den aktuellen Stand von Alexander Zverev?

Sascha (Anm. Alexander Zverev) hat bewiesen, dass er das Niveau hat, ein Grand Slam zu gewinnen. Natürlich gibt es viele gute Spieler und es ist alles andere als einfach. Ich denke aber, dass er es schaffen kann, wenn er weiterhin so gut arbeitet.

Zum Abschluss noch eine eher persönliche Frage: Sie sind jetzt 42 Jahre alt. Wie lange, glauben Sie, wird der Tennissport noch diesen hohen Stellenwert in Ihrem persönlichen, aber auch beruflichen Leben behalten?

Ich denke, ich werde immer mit dem Tennis verbunden sein. Ich lebe mit meiner Familie in meiner Tennis-Akademie, also denke ich, dass ich auch in Zukunft zumindest teilweise mit dem Tennis verbunden sein werde.

Das Interview mit Juan Carlos Ferrero wurde schriftlich durchgeführt.

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Mittwoch
09.03.2022, 08:20 Uhr
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