Kein One-Hit-Wonder - Indian-Wells-Siegerin Bianca Andreescu

Mit der Wildcard auf den Wüstenthron - das hat Bianca Andreescu als erste Spielerin in Indian Wells überhaupt geschafft.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 18.03.2019, 10:22 Uhr

Bianca Andreescu ist gekommen um zu bleiben
© Getty Images
Bianca Andreescu ist gekommen um zu bleiben

Es muss schon viel passiert sein, damit eine dramatische Final-Niederlage von Roger Federer in den Hintergrund gedrängt wird. Aber es war ja viel passiert an diesem Endspiel-Sonntag in Indian Wells, eben nicht nur Federers Drei-Satz-Scheitern gegen den zupackenden Österreicher Dominic Thiem. Davor hatte eine Sensationsstory ihr krönendes Happy-End gefunden, ein spektakulärer Tennis-Moment, von dem man einmal im Rückblick behaupten könnte, er sei der Beginn von etwas ganz Großem gewesen. Bianca Andreescu war die Hauptdarstellerin dieser Geschichte, eine 18-jährige Kanadierin mit rumänischen Wurzeln, die den finalen Showdown gegen eine gewisse Angelique Kerber mit einer Ausgebufftheit, Cleverneß und Willensstärke gewann (6:4, 3:6, 6:4), dass der Wimbledon-Siegerin später nichts anderes übrig blieb, als artig eine Glückwunschadresse abzuschicken: „Keine hat es hier mehr verdient zu siegen als Du.“ 

Es war nicht einfach nur ein Sieg beim größten regulären WTA-Wettbewerb abseits der Grand Slams, sondern durchaus eine Offenbarung. Eine Ankündigung, dass diese außergewöhnliche Teenagerin in näherer und mittlerer Zukunft ein gehöriges Wörtchen mitsprechen dürfte in der ohnehin gerade ziemlich aufgewühlten, spannungsreichen Welt des Frauentennis. Gerade erst liegen ja zwei Grand Slam-Titel der unkonventionellen Japanerin Noami Osaka und das famose Comeback der Schweizerin Belinda Bencic in der Weltspitze hinter den Beteiligten des Wanderzirkus, da kommt nun Andreescu um die Ecke – eine Spielerin, die in ihren jungen Jahren schon mit allen Wassern gewaschen ist und über eine natürliche Spielintelligenz verfügt, die man nicht erlernen kann. „Ein Star ist geboren“, merkte die legendäre Chris Evert nach dem faszinierenden Finalfight Andreescus gegen Kerber an, „sie ist kein One-Hit-Wonder, das ist klar.“

Das Spiel und den Charakter für die Spitze

Wer wollte, konnte den Coup Andreescus durchaus symbolisch aufladen. Mit ihren 18 Jahren war die fintenreiche Newcomerin nun die jüngste Wüsten-Königin in Indian Wells seit einer gewissen Serena Williams (17 Jahre/1999) – und zugleich die Nachfolgerin von Osaka, die ihren steilen Aufstieg in absolute Gipfelregionen vor zwölf Monaten in Kalifornien begonnen hatte. Osaka war damals noch die Nummer 72 der Weltrangliste, heute ist sie die Frontfrau des Tingelbetriebs. „Man muss immer vorsichtig sein. Aber Bianca hat das Spiel und den Charakter, um ganz vorne zu landen“, sagte die Begründerin des professionellen Tennis, die Amerikanerin Billie Jean King.

Vor zwölf Monaten spielte Andreescu noch weit abseits der großen Branchenbühnen, sie zog damals bei ITF-Turnieren in Japan umher, stand in der Weltrangliste um Platz 200. Zu Saisonbeginn 2019 machte sie erstmals mit dem Finaleinzug in Auckland auf sich aufmerksam, sie schlug auf dem Weg ins Endspiel die Turnierfavoritin Caroline Wozniacki, verlor den Pokalkampf aber gegen Julia Görges. Die Ernüchterung des Zweitrunden-Abschieds bei den Australian Open steckte sie bald weg, schon in der Woche vor Indian Wells landete sie beim Wettbewerb in Acapulco im Halbfinale. Doch den Erfolgsweg beim „fünften Grand Slam“, den Sieg als Wild Card-Spielerin, konnte niemand vorausahnen – auch nicht Turnierdirektor Tommy Haas, der die Kanadierin mit einer Wild Card ausgestattet hatte: „Was für eine verrückte Geschichte“, sagte Haas hinterher, nach dem letzten Favoritinnensturz aus den Händen von Andreescu.

Andreescu wirkt manchmal etwas altklug

Die Teenagerin wirkt manchmal etwas altklug, etwa, als sie bei der Siegerehrung verkündete, sie lebe und handele schon seit Jahren nach der Devise: „Wer an Großes glaubt, wird auch Großes erreichen.“ Aber sie verfügt eben auch über eine Spielweise, über ein Handlungskonzept, das frühe Reife ausdrückt. Andreescu ist ein Gegenentwurf zur öden Ballprügelei, die dieser Tage das Geschehen im Wanderzirkus bestimmt und nicht selten Langeweile bei den Fans erzeugt. Gegen Kerber packte die Himmelsstürmerin wie selbstverständlich ihr ganzes taktisches Arsenal aus, spielte sogar die scheinbar antiquierten Mondbälle, um Tempo aus dem Duell zu nehmen. Stopps, Powerschläge, Winkelbälle – es war alles geeignet, um ihrer favorisierten Gegnerin keine Ruhe und Gewissheit zu lassen. 

Und eins kam noch hinzu für Andreescu, ein Plus, eine Stärke, die man hat oder nicht – nämlich eine Willenskraft, sich auch gegen alle möglichen Widrigkeiten durchzusetzen. Erschöpft und kaputt wirkte sie oft im Endspiel, kein Wunder nach ausnahmslos Drei-Satz-Schlachten, die sie in den letzten Tennis-Fall für Zwei gebracht hatten. „Ich bin soooo müde“, sagte sie bei einem Gespräch mit ihrem Trainer Sylvain Bruneau auf dem Centre Court, „aber ich will auch unbedingt diesen Sieg.“ Den sie dann auch schaffte, gegen alle Erwartung, gegen jede Vernunft.

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Kerber Angelique

von Jens Huiber

Montag
18.03.2019, 21:08 Uhr
zuletzt bearbeitet: 18.03.2019, 10:22 Uhr

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