Bambi-Augen und Killerinstinkt
Die 18-jährige Britin erweist sich bei den US Open als Favoritenschreck.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
01.09.2012, 20:42 Uhr

Von Petra Philippsen aus New York
Bisher schien es, als hätteLaura Robsonkaum etwas Schlimmeres passieren können, als im Alter von 14 Jahren den Junioren-Titel in Wimbledon zu gewinnen. Seit Jahrzehnten sehnt man sich auf der Insel nach einem neuen Champion, und da war sie also endlich, eine vielversprechende Britin. Die heimischen Medien stürzten sich mit Argusaugen auf sie, nach jedem noch so unbedeutenden Junioren-Match bei den Grand Slams musste Robson Rede und Antwort stehen, und das in den größten Pressekonferenzräumen, die sonst nur den Stars der Branche vorbehalten sind. Die enorme Last der Erwartungen und die Ungeduld, die sich schnell bei ihren Landsleuten einschlich, schulterte der Teenager erstaunlich gut.
Erfolgreichste Britin seit 14 Jahren
Sie ließ sich nicht verrückt machen und nun, mit 18 Jahren, sorgt Robson bei den US Open mächtig für Furore – seit mehr als 40 hatte keine Britin mehr derart bei einem Grand-Slam-Turnier aufgetrumpft.Zwei Tage nachdem sie die dreimalige US-Open-Siegerin Kim Clijsters in Rente geschickt hatte,zog sie mit einem Dreisatz-Sieg über die Gewinnerin der letztjährigen French Open, die ChinesinNa Li,ins Achtelfinale ein. Zwei so hoch dekorierte Spielerinnen hatte seit Virginia Wade 1968 keine Britin mehr bei einem einzigen Grand Slam geschlagen. Und so weit vorgedrungen bei einem der vier wichtigsten Turniere war seit 14 Jahren keine mehr. "Ich habe in den letzten Wochen wirklich hart gearbeitet und hatte einige enge Matches gegen sehr erfahrene Gegnerinnen", meinte Robson, "ich denke, es war an der Zeit, dass ich anfange, ein paar davon mal zu gewinnen."
Von ihren unschuldigen Bambi-Augen darf man sich nicht täuschen lassen, denn Robson hat auf dem Tennisplatz den Killerinstinkt. Und so ist es auch nicht einmal unwahrscheinlich, dass ihr Lauf in Flushing Meadows weitergeht, obwohl in der nächsten Runde mit der AustralierinSamantha Stosurdie Titelverteidigerin wartet. Denn der Sieg über Clijsters, die seit neun Jahren nicht mehr bei den US Open verloren hatte, war kein Ausrutscher, wie siemit dem Triumph über Na Li untermauerte.Die Chinesin war den ganzen Sommer über in Bestform, gewann in Cincinnati und stand in Montreal im Finale und schlug dabei binnen elf Tagen vier Top-Ten-Spielerinnen. Die 30-Jährige zählt zu den fittesten auf der Tour, mit sehr guter Technik. Das hatte man aber wohl vergessen, Robson zu sagen, denn die spielte so frech und stark auf, dass man lange nicht unterscheiden konnte, wer von beiden eigentlich die Nummer acht und wer die Nummer 88 der Welt gewesen ist.
Verbesserung der Fitness
Dass der Aufschlag und ihr Spiel von der Grundlinie ihre Stärken sind, hatte niemand je bezweifelt. Doch der Sprung, der Robson in diesem Sommer im athletischen Bereich gelang, ist außergewöhnlich. Andy Murrays Fitnesscoach Jez Green hatte ihr Beine gemacht, auch die neue Zusammenarbeit mit Zeljko Krajan, dem Ex-Coach der früheren Weltranglistenersten Dinara Safina, zeigt Wirkung. "Durch die Arbeit mit ihm habe ich viel Selbstvertrauen bekommen", sagte Robson, "und wir haben an meiner Spieltaktik gefeilt." Früher versuchte sie, so schnell wie möglich die Punkte zu machen, jetzt hat sie die Fitness, die Ballwechsel länger zu gestalten und höheres Tempo mitzugehen. So knickte sie auch gegen Na Li am heißesten Tag in Flushing Meadows am Ende nicht ein. "Ich denke, das Level war immer da", sagte sie, "ich musste es nur vom Training ins Match transportieren."
Die Zeit, in der sie stetig von Verletzungen geplagt wurde, ist passé. Robson hat in diesem Sommer einen riesigen Entwicklungsschritt gemacht, angefangen mit dem Gewinn der olympischen Silbermedaille im Mixed. Und seit ihrem Beutezug in New York kennt man den hübschen, kessen Teenager nun auch außerhalb der Insel. Auf der Anlage wird sie von Fans belagert, ihre Twitter-Gemeinde wächst täglich. Fußballstar Wayne Rooney ist der neueste Anhänger, wenn auch mit Anlaufschwierigkeiten. "Er hat meinen Namen falsch geschrieben", sagt Robson und lachte, "er hat Robinson geschrieben. Aber ich freue mich trotzdem, dass er mein Match geschaut hat." Der bekannte britische Comedian James Corden hatte sogar auf der Tribüne gesessen, das war Robson nicht entgangen. "Ich habe die ganze Zeit versucht, ihm nicht zuzuwinken", sagte sie und lachte wieder. Manchmal, da ist sie eben noch der kichernde Teenager, der mit seiner fröhlichen und eloquenten Art die Menschen für sich einnimmt. Aber spätestens seit diesen US Open haben ihre Gegnerinnen bei ihr nichts mehr zu lachen.(Foto: Jürgen Hasenkopf)