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„Sie ist jetzt die Spielerin, die es zu schlagen gilt“

Die 23-jährige Deutsche erreichte zum zweiten Mal die Vorschlussrunde und trifft dort auf Vorjahresfinalistin Agnieszka Radwanska.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 02.07.2013, 16:54 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus Wimbledon

Gerade hatteSabine Lisickiim grünen Grand-Slam-Paradies von Wimbledon die Tür zur Halbfinal-Herrlichkeit aufgestoßen, da saß der derzeit beste Tennisspieler der Welt in den BBC-Fernsehstudios. Und auch er, der magische Novak Djokovic, der bisher alles überragende Mann der Offenen Englischen Meisterschaften des Jahres 2013, reihte sich sofort in die immer größere Schar der Lisicki-Fans ein: „Sie ist das Mädchen mit dem Lächeln im Gesicht. Es macht einfach Spaß, ihr zuzuschauen“, sagte der Serbe, „ich bin glücklich, dass sie weiter im Turnier geblieben ist.“

Wimbledons Herzen im Sturm erobert

Wohin dieses neueste Wimbledon-Märchen des deutschen Tennis-Fräuleins führt, ist noch ungewiss. Ins Finale vielleicht, vielleicht sogar auf den Thron des All England Club, genau 25 Jahre, nachdem eine gewisse Steffi Graf hier zum ersten Mal zur Rasen-Königin ausgerufen wurde. Doch eins steht schon jetzt fest nach anderthalb turbulenten, mitreißenden Grand-Slam-Wochen: Diese Sabine Lisicki, die am Dienstag aus den rauschhaften Höhen des Williams-Sensationssieges nicht unsanft auf dem Grasteppich landete, sondern mit einem 6:3, 6:3-Sieg über Estlands Kaia Kanepi in die exklusive Runde der letzten Vier vorstieß, diese „unheimliche Powerfrau“ (tennis.com) hat Wimbledons Herzen aufs Neue im Sturm erobert -  mit mächtigem Sturm und Drang auf den Courts, aber eben auch mit ihrer erfrischenden Ausstrahlung.

„Kein deutscher Profi seit Boris Becker liebt Wimbledon so sehr wie Lisicki. Und das ist auch das Geheimnis ihres Erfolgs“, sagte die große, alte Dame Martina Navratilova über die 23-jährige Berlinerin. Lisicki sei nun „eindeutig die Turnierfavoritin Nummer eins“, erklärte die einstige Weltranglisten-Erste Tracy Austin (USA), „sie ist die Spielerin, die es zu schlagen gilt für den Pokalsieg.“ Übrigens auch nach dem Eindruck der Buchmacher, bei denen Lisicki vor dem Halbfinale gegen Agnieszka Radwanska (7:6 (5), 4:6, 6:2 im Viertelfinale gegen die Chinesin Na Li) die Wettfavoritin Nummer eins ist. Als Spielverderberin für deutsche Gegnerinnen kennt sich die Weltranglisten-Vierte Radwanska gut aus, im letzten Jahr hatte sie die Grand Slam-Reise von Angelique Kerber hier in der Vorschlußrunde beendet.

In den pausenlosen Verrücktheiten dieses Wimbledon-Turniers 2013, eines Wettbewerbs der schier grenzenlosen Überraschungsmomente, behielt Lisicki am achten Spieltag eisern die Ruhe, zeigte gegen Kanepi die gewachsene Reife und Cleverness einer Athletin, die auf dem heiligen Rasen schon Stammgast in der entscheidenden Grand-Slam-Phase ist. Während ja alle Revoluzzer, Partykiller und Favoriten-Vertreiber gleich in der nächsten Runde wieder ausschieden, One-Hit-Wonder wie Sergiy Stakhovsky, der Federer-Besieger, oder Michelle Larcher de Brito, die Sharapova-Bezwingerin, war Lisicki hellwach und stark genug, um nach dem Serena-Umsturz auch die unspektakuläre Arbeit gegen Kanepi effizient zu vollenden. „Solche Siege sind genau so wichtig wie Siege gegen Williams“, sagte Bundestrainerin Barbara Rittner, „da zeigt sich die professionelle Einstellung, die Klasse einer guten Grand-Slam-Spielerin.“

Schwere Aufgaben gemeistert

Jedenfalls war sie nun schon zum zweiten Mal nach 2011 im Halbfinale angelangt, diese strahlende, im Grand-Slam-Reich des All England Club immer vergnügte Deutsche – die vom Publikum geliebte Lisicki, die Wimbledon so sehr liebt. „Es ist ganz einfach: Wenn du lächelst, kannst du auch nicht unzufrieden sein. Dann spielst du besseres Tennis“, sagte die frühere britische Tennisgröße und BBC-Moderatorin Sue Barker, „Lisicki schwebt hier auf einer Welle der Popularität.“ Und sportliche Anerkennung verdient sie sich sowieso bei einem Turnier, bei dem sie von der ersten Runde an schwerste Herausforderungen zu meistern hatte: Zum Auftakt siegte sie gleich gegen die ehemalige French-Open-Gewinnerin Francesca Schiavone aus Italien, dann gegen die Russin Elena Vesnina, angereist mit der Empfehlung eines frischen Turniersieges in Eastbourne, dann gegen Australiens Samantha Stosur, auch sie eine Grand-Slam-Championesse. Und schließlich auch noch gegen Serena Williams, mit einem Knalleffekt, der noch lauter war als alle anderen sportlichen Coups im irre gewordenen Wimbledon 2013. „Ich musste von Anfang an für großes Tennis bereit sein. Und das war ich auch“, sagte Lisicki nach dem glatten Erfolgserlebnis gegen Kanepi, „ich gehe jetzt mit großem Selbstbewusstsein in die entscheidenden letzten Tage.“

Auf der Tribüne verlebten Vater Richard und Mutter Elisabeth Lisicki genau wie Coach Wim Fissette einen vergleichsweise ruhigen Nachmittag, an dem „Super Sab“ (The Mirror) dem Viertelfinalmatch klar die Prägung verlieh – und eigentlich nur Anfang des zweiten Satzes einmal in kleinere Schwierigkeiten geriet, als sie ihren Aufschlag zum 1:2 verlor. Doch das Malheur wurde schnell getilgt, über 3:2 und 5:3 ging es der Vollendung des Halbfinal-Traumes immer näher. „Es war nicht einfach für Sabine, die Konzentration zu halten – gegen eine Gegnerin, die ohne Rhythmus spielt“, sagte Rittner, „aber sie hat das wirklich toll gemeistert, 24 Stunden nach diesem Williams-Kracher.“ Zwei Matchbälle aber vergab die Berlinerin noch, bevor sie nach dem dritten, verwandelten Siegpunkt zum Freudensprung abhob vom Rasen des Court 1 – schwerelos leicht nach dem vorerst letzten Happy End auf Wimbledons Wiesen. „Ich freue mich auf das, was jetzt noch kommt“, sagte Lisicki hinterher, „und ich spüre nicht den geringsten Druck.“(Foto: GEPA pictures/ Alan Grieves)


Hier das Damen-Tableau in Wimbledon.

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Dienstag
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