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Melbourne-Überraschung Danielle Collins: "Es läuft fast unheimlich perfekt hier"

Sie hatte bislang noch kein Match bei einem Major-Turnier gewonnen - jetzt steht sie bei den Australian Open im Viertelfinale.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 20.01.2019, 16:12 Uhr

In einem Boxkampf hätte man wahrscheinlich das Handtuch geworfen, denn Angelique Kerber lag schwer in den Seilen – schon früh in ihrem letzten Grand-Slam-Stündlein von Melbourne, nach dem 0:6 verlorenen Auftaktsatz. Aber Danielle Collins hieb weiter ihre groben Punches ins Feld der berühmten Gegnerin, mit traumwandlerischer Sicherheit. Mit einer Power und Präzision beim 6:0, 6:2-Triumph, als wäre es das Selbstverständlichste überhaupt auf der Welt.

Was es ganz und gar nicht war: Denn Collins, die stolze Bezwingerin beider deutscher Tennis-Asse im Frauenwettbewerb, auch von Julia Görges in Runde eins, diese 25-jährige Amerikanerin ist erst mit diesem Grand-Slam-Gastspiel zu internationaler Reputation gelangt. Und auch zum Phänomen der Open, zur Spielerin, von der man nicht weiß, ob sie nicht am Ende noch in einem verblüffenden Siegeslauf den Pokal auf dem Centre Court in die Höhe stemmen wird.

„Es läuft fast unheimlich perfekt hier“, sagt Collins. Und tatsächlich: Was Collins mit überbordendem Selbstbewusstsein, gutem Auge, strategischem Geschick und ordentlich Zielwasser in den Schlägen anstellt in Melbourne, ist ein Überraschungscoup der exquisiten Sorte. „Das hat Top Ten-Niveau. Und das ist schlichtweg fantastisches Tennis“, lobte Altmeisterin Chris Evert die Sensationsdarstellerin. Es zeige auch, so Evert, „dass man nach einer guten Ausbildung noch eine gute Karriere im Profitennis vor sich haben kann.“

"Mein Vater ist der härteste Arbeiter der Welt", sagt Collins

Collins Berufswege sind so ungewöhnlich wie ihr sportliches Coming Out in diesem australischen Sommer. Denn in jungen Jahren brachte sich die Amerikanerin das Tennisspielen auf öffentlichen Plätzen in St. Petersburg selbst bei, oft fragte sie einfach ältere Spieler, Frauen genauso wie Männer, ob sie zu einer Partie bereit wären. „Mit Zwölf war ich soweit, dass ich eigentlich jeden schlug“, sagt Collins. Als Inspiration diente dabei auch die Karriere der Williams-Schwestern, die unter dem Regiment von Daddy Richard einst auch auf sogenannten „Public Courts“ die ersten Schritte zu Weltruhm gegangen waren.

Collins besuchte nie eine der Eliteakademien als Teenagerin, dafür fehlte der Familie das Geld. Aber sie fühlte sich schon ihrer Eltern wegen verpflichtet, sich anzustrengen in ihrem Sport: „Mein Vater ist der härteste Arbeiter, den ich kenne. Er arbeitet auch jetzt noch, mit 80, als Landschaftsgärtner“, sagt Collins, „deshalb ließ ich die Dinge nie schleifen.“ Sie entschied sich dann auch – trotz verlockender Offerten – gegen den frühen Einstieg ins Profigeschäft, besuchte stattdessen das College in Virginia.

Zwei Mal wurde sie amerikanische Hochschulmeisterin, doch auf die Tennistour zog es sie erst, nachdem sie ihren Abschluss als Medienwissenschaftlerin in der Tasche hatte. „Diese Ausbildung hilft mir enorm“, sagt Collins, „es gibt mir Ruhe in bestimmten Matches. Weil ich dann denke: Es ist auch okay, wenn es nicht klappt. Ich werde immer in der Lage sein, einen guten Job zu haben. Auch ohne Tennis.“

Nun gegen Landsfrau Sloane Stephens

Doch das Leben mit Tennis wird nun auch gerade immer besser. Im letzten Jahr schimmerte bei den Turnieren in Indian Wells und Miami schon einmal die Klasse von Collins auf, sie bezwang in Miami auf dem Weg ins Halbfinale sogar ihr großes Idol Venus Williams. Heimlich, still und leise kletterte sie in der Weltrangliste empor, bis zum aktuellen Ist-Stand auf Platz 35.

Collins trifft nach ihrem Coup gegen Kerber nun auf Sloane Stephens, die US Open-Siegerin des Jahres 2017, wieder kämpft sie dann gegen eine aus dem Establishment der Branche. Aber an einem der immer häufigeren guten Tage kann sie jede schlagen, überall im Tennis-Universum. Die erfrischende Tennis-Autodidaktin, der Deutschen-Schreck, die Selfmade-Frau Danielle Collins. „Ich muss mich vor niemandem verstecken“, sagt sie.

von Jörg Allmeroth

Sonntag
20.01.2019, 20:10 Uhr
zuletzt bearbeitet: 20.01.2019, 16:12 Uhr