Ohne Satzverlust ins Hamburg-Finale

Der Schützling von Joakim Nyström ließ im Halbfinale auch dem Südtiroler Andreas Seppi keine Chance.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 24.07.2010, 15:47 Uhr

Fast schon Mitleid muss man dieser Tage mit den Gegnern von Jürgen Melzer haben. Mit viel Variation, aggressiven Returns, etlichen Angriffen und Stopps zieht der Niederösterreicher seinem Gegenüber den Nerv – und stets in den (wenigen) heiklen Phasen packt er derzeit seine besten Bälle aus. Das war im Halbfinale vom Hamburg nicht anders. Mit einem klaren 6:4, 6:2 über den Italiener Andreas Seppi nach 80 Minuten zog Österreichs Nummer eins ins neunte ATP-Finale der Karriere ein, das erste in diesem Jahr und bei einem ATP-World-Tour-500-Turnier sowie seit dem Triumph in der Wiener Stadthalle vom 1. November, seinem zweiten Titel auf der Tour nach Bukarest 2006. „Heute war ein gutes Match von mir. Allerdings hat es sich auf dem Platz nicht so glatt angefühlt, wie es das Ergebnis aussagt“, so Melzer. Nun geht es gegen Andrey Golubev, der den Deutschen Florian Mayer mit 7:6 (6), 6:4 ausschaltete. Der in Russland geborene, in Italien lebende und für Kasachstan spielende 23-Jährige – er feierte am Donnerstag Geburtstag – ist in Hamburg nach fünf Matches ohne Satzverlust. Wie Melzer, der aber in der ersten Runde ein Freilos hatte.

Volles Risiko in größter Not

300 ATP-Punkte und 104.000 Euro Preisgeld hat Melzer sicher, weitere 200 Zähler und 124.000 Euro könnten hinzukommen. „Ich fühl mich derzeit auch einfach toll“, sagte er in der Pressekonferenz. Seit Wochen spielt er schon in der Form seines Lebens – und das sieht ihm besonders bei den Big points an. Bei 1:1 musste er einen Breakball abwehren, heikel wurde es aber erst später. 4:4, 15/30, zweiter Aufschlag – ein Break gegen sich könnte den Satzverlust zur Folge haben. Doch das saß beim mental im Vergleich zu früher viel gefestigteren 29-Jährigen keineswegs im Hinterkopf. Mit vollem Risiko drosch er auf den Ball – Service-Winner und in der Folge das 5:4. Vom Druck befreit griff Melzer im nächsten Game voll an, und das zahlte sich aus: Mit einem schnellen Return auf Seppis zweiten Aufschlag erspielte er sich zwei Satzbälle. Den ersten vergab er nach einem „Bad bounce“ per Rückhand-Fehler, beim zweiten zwang er Seppi zum Rückhand-Fehler. Der erste Durchgang war im Trockenen.

Den Widerstand gebrochen

Im zweiten Satz startete Seppi stark, der Weltranglisten-70. kam gleich im ersten Game zu zwei Breakbällen. Wieder zog Melzer auf beeindruckende Weise den Kopf aus der Schlinge: ein fantastischer Rückhand-Winner, ein Ass, ein Service-Winner – und in der Folge schnappte er sich nach Kampf das Game. Bei 2:1 stellte er dann die Weichen auf Sieg: Mit einem tollen Vorhand-Longline aus der Defensive holte er das Break. Kurzes Zittern im nächsten Spiel: Nach einem der zahlreichen verspringenden Bälle hatte Seppi wieder zwei Breakchancen, ein Angriffsfehler und ein Service-Winner von Melzer machten diese aber zunichte. Es war das letzte Mal, dass Seppi zu Breakbällen kam (er nützte keine seiner fünf Chancen) und Melzer ärgern konnte. Der Widerstand war gebrochen, die 3:12-Stunden-Schlacht vom Vortag gegen den Brasilianer Thomaz Bellucci machte sich beim 26-Jährigen etwas bemerkbar, die Kräfte schwanden. Und so fixierte Melzer kurz darauf mit einem erneut guten Returnspiel den Sieg.

„Platz war einem Semifinale nicht würdig“

So erfreut Melzer über den Final-Einzug war, ein wenig Ärger mischte sich ins Stimmungs-Hoch. Dem hatte er auch schon während seines Auftritts Luft gemacht: „Der Wind heute war weniger ein Problem als der Platz. Der wird im Lauf der Woche immer schlechter und umso schlechter springen die Bälle ab. So positiv ich mich über die gesamte Organisation äußern kann: Der Platz ist eine Katastrophe und einem Semifinale nicht angemessen.“ Die Zuseher nahmen ihm den Groll nicht übel, feuerten ihn vehement an. „Durch den Wimbledon-Sieg mit Philipp (Petzschner) hab ich mich vielleicht etwas in die Herzen der deutschen Fans spielen können. Die haben mich auch heute toll unterstützt. Das wird hoffentlich auch gegen Golubev so sein.“ Um seinen dritten Einzel-Titel kämpft Melzer im Finale am Sonntag – mit vollstem Selbstvertrauen: „Durch die Erfolge der letzten Wochen merkt man schon den steigenden Respekt der Gegner. Es ist schön, viele gute Matches zu spielen und das Selbstvertrauen zu haben, sich selbst zu sagen: ‚Wenn der mich schlagen will, muss er heute ein verdammt gutes Tennis spielen.’ Wenn ich mal verlieren sollte, wirft mich so etwas nicht um.“

Foto: M. Huber

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