Monte-Carlo-Finalist Sam Weissborn: "Dieser Erfolg gibt mir Riesenaufwind"

Sam Weissborn hat mit seinem monegassischen Partner Romain Arneodo sensationell das Endspiel des ATP-Masters-1000-Turniers in Monte-Carlo erreicht. Und dort bei zwei Matchbällen sogar die Chance auf den Titel gehabt. Im Interview mit dem ÖTV gibt Weissborn Einblicke in sein Leben als Tennisprofi.

von ÖTV
zuletzt bearbeitet: 17.04.2023, 14:53 Uhr

Sam Weissborn und Romain Arneodo am Sonntag in Monte-Carlo
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Sam Weissborn und Romain Arneodo am Sonntag in Monte-Carlo

Sam, eine unglaubliche Woche von euch! Ihr wart bloß mit einer Wildcard überhaupt im Bewerb und ein Punkt hat letztlich zum ATP-Masters-1000-Sensationssieg gefehlt. Wie sehr trauerst du den zwei vergebenen Matchbällen im Finale noch nach?

Sam Weissborn: Gar nicht mehr. Wir haben mutig gespielt und das gemacht, was wir uns vorgenommen haben. Es kommt, wie’s kommt. Wir haben mit dem Finale so viel erreicht, uns die weitere Saison finanziert. Bei einem ATP-Challenger ist der Druck für mich höher – denn auf der Ebene musst du zehn starke Wochen im Jahr spielen. Bei so einer Woche wie dieser ist dagegen das Finale bereits ein kompletter Wendepunkt in meiner Karriere.

Romain war bei seinem Heimspiel in Monte-Carlo 2017 zwar schon einmal im Halbfinale. Aber wie sehr habt ihr euch mit dieser Woche selbst überrascht?

Komplett! Vor der Woche haben wir uns gesagt: „Eine Runde gewinnen, wäre super.“ Das ist von den Punkten her wie ein Challenger-Sieg. Für dieses starke Feld hatten wir in der ersten Runde dann noch eine relativ gute Auslosung. Danach haben wir, unter anderen, gegen das zweit-, sechst- und fünftbeste Doppel des Vorjahres gespielt. Es wäre mutig zu sagen, dass wir das erwartet haben, beinahe alle drei zu schlagen. (Lacht)

Wenn euch das wer vor der Woche gesagt hätte, ihr spielt hier im Finale: Was hättet ihr darauf geantwortet?

Wahrscheinlich hätten wir einfach nur geschmunzelt. Wir hätten auch ein Viertelfinale im Vorhinein unterschrieben. Aber wie es dann manchmal so geht, läuft dann auch mal alles in die richtige Richtung.

Was war das für dich überhaupt für ein Erlebnis, zum ersten Mal in deiner Karriere ein ATP-Masters-1000-Turnier zu spielen, dann auch noch vor so einer Kulisse, mit einem euch im Finale euphorisch unterstützenden Fürst Albert von Monaco auf der Tribüne?

In erster Linie war es eine Riesenehre für mich, überhaupt mitzuspielen. Daher war die erste Runde besonders wichtig. Man macht sich im Vorhinein Gedanken, ob das nur eine Mitleids-Wildcard ist oder weil Romain noch einen Partner gesucht hat. Dann beweist du es dir selbst, dass du da hingehörst – das war ein schönes, befreiendes Gefühl. Manche denken weniger nach, bei manchen rennt das Rad da oben dauernd. Ich bin schon mehr letzterer Typ. Ich hatte immer wieder Zweifel, ob ich’s draufhabe. Dieser Erfolg gibt mir jetzt natürlich Riesenaufwind. So macht das Tennis auch wieder deutlich mehr Spaß.

Du hast in deiner 2009 begonnenen Profikarriere bis vor Monte-Carlo 270.375 US-Dollar Preisgeld erspielt – abzüglich Steuern und allen Kosten. Wie ist es dir überhaupt möglich gewesen, dich über so einen langen Zeitraum zu finanzieren, zumal du dich ja schon 2014 aufs weniger lukrative Doppel verlegt hast?

Da gibt’s zwei Faktoren. Der eine ist die Meisterschaft. Die meisten, die auf der ITF-Tour oder ATP-Challenger-Doppel spielen, finanzieren sich so ihr Leben. Ohne Liga zu spielen, wäre das Profidasein für die meisten Leute gar nicht möglich. Der zweite Faktor ist das Glück mit einem Management, das an mich geglaubt hat und mich finanziell unterstützt. Ich bin jetzt seit zehn Jahren bei McCartney Sports unter Vertrag, das von Raimund Carl geführt wird, der mich eigentlich durch meine Karriere getragen hat. Und mich nicht nur einmal überredet hat, es weiter zu versuchen, auf mich eingeredet hat, dran zu glauben. Dafür bin ich ihm nun umso dankbarer. Sonst würde ich schon längst aus dem Körbchen zuspielen (als Trainer arbeiten; Anmerkung), denn ich habe mir oft die Sinnfrage gestellt. Und dann wäre da noch Klaus Greiner, der sich immer zuverlässig und schnell um meine Schläger kümmert, rein als Freundschaftsdienst. Einfach, weil er mich gern unterstützt. Abgesehen davon, dass das natürlich finanziell hilft, ist das ein schönes Gefühl, dass es solche Leute gibt, die aus selbstlosen Gründen helfen.

Wie viel Erleichterung bringt jetzt so ein 76.070-Euro-Scheck? Den kann man nicht nur als Profi, sondern auch als Jungvater sicher gut brauchen, oder?

Auf jeden Fall! Das ist ein super Scheck, aber was mir persönlich mehr gibt, ist, jetzt die großen Turniere spielen zu können, ein regelmäßiges, gutes Einkommen sicher zu haben und vor allem die Erinnerungen, die ich mit meiner baldigen Frau und mit meinem Sohn dadurch kriegen werde. Ich habe drei der vier Grand Slams schon mal alleine gesehen, jetzt werden wir all das miteinander erleben können – und das ist unbezahlbar.

Sehr schöne Worte. Aber worin wird das Geld nun eigentlich investiert?

Es wird gar nicht investiert, ich will es erst mal möglichst nicht angreifen. Aber vielleicht werden Romain und ich künftig einen gemeinsamen Trainer auf die Tour mitnehmen. Das ist halt schwierig, sich da auf jemanden zu verständigen, dem beide vertrauen. Aber wir werden drüber reden. Ansonsten habe ich mit meiner jungen Familie den Plan, vielleicht mal was Eigenes zu schaffen – der Plan ist jetzt etwas realistischer geworden.

Wie sehr beflügelt dich auch das Vaterdasein?

Es macht einen Riesenunterschied. Die ganze Tour ist so viel unwichtiger und alles viel entspannter für mich, wenn da draußen der Kleine sitzt, für mich nicht mehr klatscht als für die anderen – weil er einfach eine schöne Zeit hat. Unterm Strich ist Tennis ein Spiel. Es ergibt keinen Sinn, sich zu viel Stress zu machen. Im Endeffekt geht es darum, das Bestmögliche herauszuholen.

2023 hätte für dich ganz anders verlaufen können. Ursprünglich wolltest du dieses Jahr zusammen mit deinem Landsmann und Kumpel Maximilian Neuchrist spielen, oder?

Ja, das war der Plan, heuer mit Max zu starten. Aber dann hat er beschlossen, im Einzel nochmal richtig durchzustarten. (Lacht) Ich habe vom letzten Jahr bereits gewusst, wie schwer es als Doppelprofi ist, mit Einzelspielern zu spielen, da bei denen der Fokus eben immer auf dem Einzel liegt. Ich habe ihm daher gesagt: „Konzentriere dich darauf, wenn du dort jetzt so gut spielst und ich schaue, dass ich wen für das Doppel finde.“ So habe ich danach Romain geschrieben und ihn gefragt, ob wir uns zusammentun möchten. Und Max spielt jetzt unglaublich. Ich bin riesenfroh für ihn, dass er es jetzt auch nochmals zu den Grand Slams geschafft hat. Ich freue mich für ihn gleich viel wie für mich selbst.

Du hast schon vor ca. zwei Monaten gemeint, dass das heuer deine bisher beste Saison werden könnte. Was hat dich da so zuversichtlich gemacht?

Ich hatte im letzten Jahr schon unglaubliche Voraussetzungen dazu, mit vielen Punkten im Rücken und mehr als ein halbes Jahr kaum was zu verteidigen. Ich bin dann aber mit meinem damaligen Doppelpartner ein bisschen in ein Tief gefallen. Und das ist jetzt halt überhaupt nicht der Fall.

Was macht Romain und dich als Doppel aus? Wodurch ergänzt ihr euch so gut?

Erst einmal passt’s in sozialer Hinsicht. Wir sind relativ auf einer Wellenlänge, nehmen es beide nicht überernst und es geht uns vor allem darum, uns mit der Profikarriere ein schönes Leben zu machen. Und spielerisch passt’s, weil wir relativ unterschiedlich sind. Wir sind den vielen älteren Teams auch auf der physischen Ebene überlegen. Romain ist sehr schellkräftig, hat unglaubliche Grundschläge. Meine Stärke liegt eher am Netz, und so ergänzt sich das ganz gut: Er bereitet vor, ich sahne vorne ab. (Lacht)

Dein jetziger Aufstieg hat aber wohl noch einen anderen Grund: Dein Aufschlag ist lange Zeit ein Manko gewesen. Woran hat das gelegen und inwieweit siehst du diese Baustelle mittlerweile behoben? In Monte-Carlo hast du ja großteils sehr stark serviert.

Ich habe in der Jugend nie übertrieben schlecht serviert, aber es stimmt, ich hatte dann eine Phase, in der ich nicht gut serviert und echt Schwierigkeiten gehabt habe. Das war überwiegend eine Selbstvertrauenssache. Wenn man schlecht serviert und mitbekommt, dass die Leute drüber reden, dann kommt es irgendwann in deinen Kopf hinein und wird darin abgespeichert – wie auf einer Festplatte, und du kriegst es nicht mehr weg. Aber irgendwann kommt dann der Moment, wo du es mal allen zeigst, was du draufhast, und dann wirst du wieder entspannter. Für mich ist das Problem schon seit ein paar Jahren weitgehend aus der Welt geschafft. Ich bin wirklich zufrieden damit, wie sich das in den letzten Jahren entwickelt hat und wie ich in Monte-Carlo serviert habe.

Was war eigentlich dein Saisonziel und inwieweit musst du es jetzt vielleicht revidieren?

Wir wollten es zu den Grand Slams schaffen. Die US Open waren das Ziel. Die sind etwas weiter weg, bis Ende August ist genug Zeit. Wir sind dann aber gleich gut in diese Saison gestartet, haben bei den wichtigen Turnieren gut gespielt, einen großen ATP-Challenger in Belgien gewonnen, dann ein Halbfinale beim ATP-250-Turnier in Marseille, wo wir erst am Sonntagabend als Alternates reingekommen waren und dann eineinhalb Stunden vor unserer ersten Runde angekommen sind, dann unglaublich gespielt haben. Dank Monte-Carlo sind wir jetzt nicht nur schon ab den French Open fix bei den Grand Slam drinnen, sondern können jetzt schon fast durchwegs auf der ATP-Tour spielen – und werden das dann hoffentlich auch für viele Jahre tun können, wir wollen uns da natürlich dauerhaft etablieren. So lässt sich nun fixer planen, das macht mehr Spaß. Als Profi braucht man schon wen daheim, der viel Verständnis dafür hat, und so wird es nun mit der größeren Planungssicherheit auch für die Familie leichter.

von ÖTV

Montag
17.04.2023, 18:50 Uhr
zuletzt bearbeitet: 17.04.2023, 14:53 Uhr