Mailand: Halbfinals stehen fest

Andrey Rublev, Borna Coric, Hyeon Chung und Daniil Medvedev erreichen das Halbfinale der Erstauflage der Next Gen ATP Finals in Mailand. Im Fokus des Geschehens stehen allerdings zahlreiche Regeländerungen.

von Florian Heer
zuletzt bearbeitet: 10.11.2017, 08:45 Uhr

Herzliche Gratulation: Andrey Rublev (l.) nimmt die Glückwünsche von Denis Shapovalov entgegen

Kaum in Mailand angekommen bestand die größte Hürde des ersten Tages für den ortsunkundigen Reporter darin den Presseraum des Turniers zu finden. Kein renommierter Tennisclub, keine bekannte Turnieranlage wurde als Austragungsort für die Erstauflage der Next Gen ATP Finals in Norditalien auserkoren, sondern ein Messegelände. Und noch dazu kein x-beliebiges.

Mit über 2 Millionen Quadratmetern Ausstellungsfläche ist die neue Messe Mailand das angeblich größte Expositionsgelände weltweit. Neben Parallelveranstaltungen wie der China Commercial Vehicles Show, der Energy Show oder der Metal Working Machine Tool Show kann ein internationales Tennisturnier da fast schon zur Nebensache geraten.

Schließlich eingetroffen in der Halle Ost, wo sich das eigentlichen Turniergelände befindet, hat die ATP ihren Next Gens und deren Publikum eine angemessene Bühne aufbereitet. Begleitet von mannigfaltigen Lichteffekten gibt es neben zahlreichen Imbissstuben und Merchandisingständen auch zwei Showcourts, auf denen sich die Spieler auf ihre Matches vorbereiten. Zuschauen ist hier ausdrücklich erwünscht.

Klar, vollkommen neu ist diese Idee nicht - die ATP-Finals in London oder auch das ATP-Turnier in Wien haben Trainingsplätze ähnlich präsent auf ihrem Turniergelände platziert, aber es bietet den Zuschauern doch immer wieder ein fantastische Möglichkeit einen genaueren Einblick auf die Trainingsarbeit der Stars zu erhaschen.

Überangebot an neuen Regeln

Und dann sind da natürlich noch die neuen Regeln auf dem Platz. 10 sind es an der Zahl, die das Tenniserlebnis vor Ort und an den verschiedenen Bildschirmen weltweit noch intensivieren sollen.

Während das "Player Coaching" nur für die Daheimgebliebenen einen Unterhaltungswert darstellt, erfreuen sich die Zuschauer vor Ort an der "Free Movement Policy", welches es ermöglicht auch zwischen den Ballwechseln den Sitzplatz zu verlassen bzw. einzunehmen. Mit einer Einschränkung jedoch: die Personen auf den berühmten Plätzen nah am Geschehen und direkt hinter den Spielern, welche oft für VIPs bzw. Sponsoren reserviert werden, führen auch in Mailand zu Spielverzögerungen. Da hier Bewegungen direkt im Blickfeld der Spieler von statten gehen, wird auch beim Tennisexperiment darauf gewartet bis die jeweilige Personen ihren Platz eingenommen haben.

Die wohl bahnbrechendste Regeländerung stellen sie "Shorter Sets" mit best-of-5-Sätzen bis 4 und einem Tie-Break beim Spielstand von 3-3 dar. Ziel ist es die Matches kürzer und spannender zu gestalten. Dass dies nicht immer zutreffen wird, hat der letzte Tag der Gruppenphase bereits gezeigt als Hyeon Chung den Lokalmatadoren, Gianluigi Quinzi, 1-4, 4-1, 4-2, 3-4(6), 4-3(3) in zwei Stunden und sechs Minuten niederkämpfte. Chung, der damit unbesiegt einen Platz im Halbfinale manifestieren konnte, benötigte hierzu allerdings fünf Minuten länger als Nick Kyrgios für seinen Sieg gegen Dustin Brown in Wimbledon letztes Jahr in einem klassischen 5-Satz-Match auf Grand Slam-Ebene.

Beliebte Shot Clock

"Ich mag die Shot Clock", ließ Chung nach seinem Erfolg in der anschließenden Pressekonferenz verlauten. Diese Neuerung gibt den Spielern exakt nur 25 Sekunden Zeit vor und zwischen den Punkten bis sie den Ball wieder ins Spiel bringen müssen. Die Begründung des 21-jährigen Koreaners ist jedoch speziell.

"Manchmal bekomme ich ein Warning vom Schiedsrichter, da ich meine Brille putzen muss. Dies bedeutet, dass ich bei längeren Matches eigentlich ständig mit einer Verwarnung rechnen muss. Ich mag die Shot Clock", unterstreicht der Jungstar aus Asien mit einem süffisanten Lächeln.

Daniil Medvedev, einer von drei Russischen Turnierteilnehmern, sieht in den angezeigten schwindenden Sekunden am Spielfeldrand aber eine ernsthafte Unterstützung.

"Ich glaube, dass die Shot Clock ist eine gute Sache ist. Ich habe in meiner Karriere bereits einige Verwarnungen für Zeitverzögerung erhalten. Manchmal läufst du einfach ein wenig auf dem Platz herum, beginnst dann mit dem Ball zu tippen und schon ist es soweit und du erhältst eine Verwarnung", sagt der gebürtige Moskowiter und spricht sich auch für die Einführung des Systems auf ATP-World-Tour-Ebene aus.

"Ich habe keinen Timer in meinem Kopf, der mir verrät wann die 25 Sekunden um sind. Hier kann ich es sehen. Das ist fair. Wenn ich dann mit dieser visuellen Hilfe eine Verwarnung erhalte, bin ich selber daran schuld."

ATP-Next-Gen-Finals Kein Showevent

Obwohl es bei den Next Gen ATP Finals keine Weltranglistenpunkte zu erwerben gibt, scheint es von den Spielern als ernsthafte Veranstaltung wahrgenommen zu werden. Diesen Eindruck bestätigte zumindest das Verhalten von Jared Donaldson nach seinem letzten Auftritt in Mailand. Der US-Amerikaner hat all seine drei Gruppenmatches in dieser Woche verloren und dabei nur einen einzigen Satz gewinnen können.

"Das ist der schlechteste Wochenverlauf, den ich mir hätte vorstellen konnte", gab der Weltranglisten 55. in - auch verständlicherweise - sichtlich schlechter Laune wortkarg zu Protokoll. "Die anderen Jungs sind wohl offensichtlich besser als ich."

Das neue Turnierformat sieht Donaldson für sein schlechtes Abschneiden jedoch nicht in der Verantwortung. "Es gelten die gleichen Regeln für alle. Es ist Tennis. Ich habe einfach verloren."

Es bleibt also festzuhalten, dass trotz zahlreicher Regeländerungen zumindest noch eine Konstante existiert: Niederlagen scheinen sich immer gleich schlecht anzufühlen. Für eine endgültige Bewertung seitens des Reporters ist es noch zu früh. Schließlich liegen noch zwei Tage in Mailand vor ihm.

von Florian Heer

Freitag
10.11.2017, 08:45 Uhr