Osaka-Coach Sascha Bajin: "Manchmal denke ich, ich bin in einem Traum unterwegs"

Sascha Bajin sorgt als Coach von Naomi Osaka für Furore - und wurde jüngst zum Trainer des Jahes 2018 gewählt.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 25.01.2019, 13:04 Uhr

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Sascha Bajin, Naomi Osaka
© Getty Images
Erfolgsgespann in Melbourne: Sascha Bajin und Naomi Osaka

Es war in der ersten Turnierwoche des Jahres, da standen Sascha Bajin und Naomi Osaka stolz zusammen auf dem Centre Court in Brisbane. Bajin hatte soeben die Trophäe als „Trainer des Jahres 2018“ überreicht bekommen, gemeinsam posierten Coach und Spielerin danach lächelnd und ein wenig verschüchtert für die Fotografenmeute. Dann, ganz fix, zeigte Osaka demonstrativ auf den baumlangen Münchner und verschwand buchstäblich aus dem Bild.

Es war klar, was die junge Japanerin damit ausdrücken wollte: Dieser Moment gehört nicht mir, sondern ihm. Jenem Übungsleiter Bajin, der ohne Zweifel eine der verblüffendsten Karrieren im Welttennis hingelegt hat. „Wenn ich morgens aufwache, denke ich manchmal, ich bin in einem Traum unterwegs“, sagt der 34-jährige.

Vom Sparringspartner zum Trainer des Jahres

An diesem Samstag kann Wunderliches passieren, am anderen Ende der Welt, im australischen Melbourne. Ein Sieg noch von Osaka, der US-Open-Königin, ein Sieg im Endspiel gegen Petra Kvitova – und die schüchterne Tennis-Majestät wäre nicht nur doppelte Grand-Slam-Siegerin, sondern auch die neue, erstaunliche Nummer 1 der Welt. Und mit ihr eben auch Bajin, der von solch einem Augenblick stets geträumt hatte, auf einem langen Weg, der ihn in jungen Jahren schon an die Seite solcher Starspielerinnen wie Serena Williams, Victoria Azarenka oder Caroline Wozniacki geführt hatte. 

Bei ihnen, den früheren Nummer 1-Spielerinnen, war „Big Sascha“ noch in anderer Funktion tätig, als sogenannter Sparringspartner, als jemand, der enorm wichtig war für einen geräuschlosen, geschliffenen Trainingsbetrieb. Bajin hatte seinen Spaß daran, er war immer ein wichtiges Teammitglied, bei Williams war er sogar ein 24-Stunden-Assistent, der zeitweise im Haushalt der Diva mitlebte. Aber Bajin ließ, sehr diskret und ohne die Loyalität zu seinen Arbeitgeberinnen zu belasten, auch durchblicken, dass er sich ein wenig in dieser Rolle unterfordert fühlte.

Als das Management von Osaka Ende 2017 an den sympathischen, stets umtriebigen, hochtourig agierenden Münchner herantrat und ihn fragte, ob er den Trainerjob übernehmen wolle, musste Bajin „keine einzige Sekunde“ überlegen – zumal ihn gerade Wozniacki, die etwas kapriziöse Dänin, grundlos vor die Tür gesetzt hatte. Bajin war nie ein Wasserträger in seinem früheren Leben auf der Tour, das konnten nur Böswillige über ihn behaupten. Aber bei Osaka war er nun doch erstmals in leitender Funktion tätig, als Entscheider, als Planer und Stratege. 

"Mit Naomi ist es nie langweilig", sagt Bajin

Er brauchte dennoch nicht lange, um sich zurechtzufinden, er ging mit einer interessanten Mischung aus Demut und Selbstbewusstsein ans Werk: „Ich war bereit, jeden Tag neu zu lernen. Aber ich wusste auch, dass ich etwas kann“, sagt Bajin, „es ist eine wundervolle Zeit mit Naomi, es ist nie langweilig mit ihr.“ Nicht zuletzt auch, weil Osaka sich eine herrliche Authentizität im Glitzerbetrieb bewahrt hat, in dieser glitzernden Scheinwelt. „Sie sagt dir immer die Wahrheit. Auch wenn das manchmal weh tut und anderen undiplomatisch vorkommt“, sagt Bajin, „aber ich mag diese Unkonventionalität total.“

Die charakterlichen Gegensätze von Trainer und Tennisstar wirkten keineswegs blockierend für Aufschwung und Rückenwind. Bajin ist temperamentvoll, zupackend, energisch, ein ewiger Guter Laune-Hersteller, einer, für den das Glas immer halb voll ist. Mit diesem „Positivismus“, so nennt Bajin es selbst, verhalf er der sensiblen, scheuen, zurückhaltenden Japanerin rasch zu mehr Stabilität. „Sie wirkt befreit, hat eine solidere Statur“, sagt etwa Martina Navratilova, eine große Fürsprecherin von Osaka.

Ihren größten Moment erlebten Bajin und Osaka natürlich bei den US Open, dort, wo das große Centre Court-Drama um Serena Williams den sagenhaften Triumph des Ausnahmetalents bitter überschattete. Doch in Fachkreisen war klar, dass Osaka nun ganz oben im Frauentennis angekommen war und eine konstante Größe in den kommenden Pokalkämpfen sein würde. Auch wegen der tadellos funktionierenden Partnerschaft mit Big Sascha, mit dem Münchner Bajin. Schon an diesem Samstag könnten sie beide vom Gipfel strahlen, es wäre eine Krönung auch der eigenen Karriere, die Bajin unwirklich vorkäme: „Das hätte ich mir jetzt noch nicht vorstellen können“, sagt er, „obwohl ich immer gesagt habe: Ich möchte nur Spielerinnen trainieren, die auch die Nummer 1 werden können.“ 

von Jörg Allmeroth

Samstag
26.01.2019, 08:00 Uhr
zuletzt bearbeitet: 25.01.2019, 13:04 Uhr