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Roger Federer zum 21. Mal in Melbourne: "Der Letzte, der übrig geblieben ist"

Roger Federer feierte in Melbourne seinen 21. Auftaktsieg bei den Australian Open. Trotz des starken Auftritts sieht er sich nicht als Topfavorit für den Turniersieg.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 20.01.2020, 12:40 Uhr

Roger Federer
© Getty Images
Roger Federer

Als Roger Federer vor 20 Jahren und vier Tagen erstmals bei den Australian Open auf den Platz marschierte, stand ihm ein kleiner, großer Spieler entgegen. Ein Mann, der einen Namen in der Tenniswelt hatte. Anders als Federer, seinerzeit die Nummer 62 der Weltrangliste. Doch es war damals auch ein Duell von Gestern gegen Gegenwart, Federers Match gegen den legendären Amerikaner Michael Chang. Federer gewann das Spiel in drei Sätzen, er schied dann später in der dritten Runde aus, gegen den Franzosen Arnaud Clement. Chang, Clement und all die anderen, sie sind längst in den Ruhestand getreten, Federer begegnet ihnen heute schon noch, aber die anderen sind entweder Trainer von Gegnern. Oder Spielerberater und  Funktionäre. „Ich bin der Letzte, der aus dieser Zeit übrig geblieben ist“, sagt Federer selbst kopfschüttelnd.
 
Tatsächlich: Federer ist immer noch dabei. Immer noch und immer wieder in einer unvergleichlichen Marathon-Karriere. Er wurde zum einsamen Tennis-Regenten, zur eisernen Nummer eins, zum unerbittlichsten Spielverderber für ganze Generationen, er gewann 20 Majors. Er musste sich seine Macht teilen, erst mit Rafael Nadal, dann auch mit Novak Djokovic. Aber er stellte alle möglichen und unmöglichen Rekorde auf, und nun, bei den Australian Open 2020, hat er auch gerade wieder eine Bestleistung markiert. Keiner hat öfters in Melbourne aufgespielt als Federer, 21 Mal nun, 21 Mal hintereinander, und auch 21 Mal als Gewinner des heiklen Auftaktmatches. Federer hatte sich jegliches Pflichtmatch vor dem Grand-Slam-Spektakel versagt, er war lieber in Dubai für harte Trainingswochen geblieben – und doch trat er am Montag aufs Neue in der Paraderolle des alters- und zeitlosen Maestro auf.

Federer: "Leichter, als ich es erwartet hatte"

Der Amerikaner Steve Johnson, wahrlich kein Mann ohne Klasse oder Ambitionen, hatte die Partie gegen den 38-jährigen Schweizer mit 3:6, 2:6 und 2:6 verloren, ehe er sich überhaupt so richtig sortiert und berappelt hatte. „Ein wunderbarer Auftakt. Sicher leichter, als ich es erwartet hatte“, meinte Federer, zu dessem ersten Spiel in den „Zwanzigern“ auch die komplette Familie aufmarschiert war: Frau Mirka sowie die Zwillingstöchter und Zwillingssöhne. Full House, unter dem geschlossenen Hallendach der Rod Laver Arena. Draußen prasselten Regen-Sturzfluten nieder, der Spielbetrieb wurde im Laufe des frühen Abends auch abgebrochen, aber Federer, der sich seine Privilegien über zwei Jahrzehnte hart erstritten hat, verlebte einen entspannten Auftakt. Ohne nervtötendes Warten, ohne Verzögerung, ohne Verschiebung von Matches.

"Muss und will nicht jeden Rekord brechen"

Natürlich: In Melbourne und anderswo wird dieses Jahr auch immer eine Frage mitschwingen, die Frage nach dem Ende dieser Ausnahmekarriere. Die Frage: Wie lange noch, Roger Federer? Federer vermittelt den Eindruck, als wisse er es selbst nicht wirklich. „Ich arbeite so, dass es weitergeht“, sagt Federer, „es gibt kein Datum, dass ich da im Kopf hätte.“ Aber die Federer-Astrologen haben Hochkonjunktur, jedes Wort, jede Entscheidung wird abgewogen auf Anzeichen, was passieren könnte. So lud auch Federers sehr üppiger Terminkalender für 2020 schon wieder zu Spekulationen ein, zur Überlegeung, Federer wolle an all diesen Schauplätzen wenigstens noch einmal vorbeischauen – und sich dann wohlverdient zur Ruhe setzen. Mit dann 39 Jahren und weit über tausend Tourmatches auf dem Buckel. Als Federer im letzten Jahr die magische Grenze überschritt und seinen 100. Turniertitel in Dubai feierte, hielt er den Weiter, immer Weiter-Enthusiasten unter den eigenen Anhängern ja quasi das Stoppschild vors Gesicht. „Ich muss und ich will nicht jeden Rekord brechen, den es da draußen gibt“, sagte Federer, „davon habe ich mich längst verabschiedet. Das war auch nie das ganz große Ziel.

Federer holte sich vor drei Jahren, direkt nach der längsten Verletzungspause seiner Karriere, den vielleicht unerwartetsten Triumph seiner Karriere – den Melbourne-Pokal 2017. Bis heute kann er nicht glauben, „dass mir dieses Ding gelungen ist. Es ist immer noch komplett irreal.“ Aber die Zeit ist weiter fortgeschritten, eine hungrige, lauernde Generation aufstrebender Rivalen bedrängt die Topleute, auch ihn, den ewigen Maestro. Wie könne er sich mit seinen 38 Jahren noch automatisch zu einem der Topfavoriten für ein Turnier wie in Melbourne ausrufen, sagt Federer: „Dafür ist ein Grand Slam zu hart. Und heute noch viel härter als vor zehn, zwanzig Jahren.“ In einer anderen Zeit, in der Federer schon da war.

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von Jörg Allmeroth

Montag
20.01.2020, 12:40 Uhr
zuletzt bearbeitet: 20.01.2020, 12:40 Uhr

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