Russlands Angriff auf den Tennisthron mit Daniil Medvedev und Andrey Rublev
Novak Djokovic ist angeschlagen, bei den Buchmachern rückt deshalb Daniil Mevedev zum Topfavoriten bei den Australian Open auf. Der 25-Jährige ist Anführer einer vielversprechenden russischen Generation.
von SID
zuletzt bearbeitet:
13.02.2021, 19:03 Uhr

Daniil Medvedev zuckte nur kurz mit dem Mundwinkel und blickte finster drein. Auch nach seinem Achtelfinal-Einzug bei den Australian Open blieb der Weltranglistenvierte seiner Linie treu, über Siege nicht zu jubeln. Dabei hätte er in letzter Zeit allen Grund dazu. Als Anführer einer aufstrebenden russischen Tennisgeneration ist Medvedev momentan der heißeste Spieler der Tour - und auf einmal Topfavorit in Melbourne.
Aufgrund der großen Fragezeichen hinter der körperlichen Verfassung des Weltranglisten-Führenden Novak Djokovic, der wegen seiner Bauchmuskelverletzung das Training am Tag vor seinem Achtelfinale am Sonntag ausließ, ist Medvedev bei den Buchmachern zum ersten Anwärter auf den Titel aufgerückt. Auch wenn der 25-Jährige von einer
Favoritenrolle nichts wissen will. "Ich versuche, mich als gar nichts zu sehen", sagte er nüchtern, "ich versuche einfach, meine Matches zu gewinnen."
Kein Platz für Khachanov
Das gelingt Medvedev derzeit hervorragend. Zwar leistete er sich in seiner Drittrundenpartie gegen den Serben Filip Krajinovic eine kleine Auszeit, das 6:3, 6:3, 4:6, 3:6, 6:0 war dann aber sein 17. Sieg in Folge auf der Tour. Und als wäre diese Bilanz nicht schon faszinierend genug: Zehn dieser Siege waren gegen Top-10-Spieler, gleich dreimal
bezwang er Deutschlands Nummer eins Alexander Zverev. So gewann Medvedev im Herbst nicht nur das Masters in Paris und die ATP Finals, sondern auch den ATP Cup direkt vor den Australian Open.
Der Titel beim Mannschaftswettbewerb wurde auch deshalb möglich, weil Medvedev eben nicht Russlands einziger vielversprechender Jungstar ist. In Andrej Rublev, mit 23 Jahren schon die Nummer acht der Welt, stand ein weiterer potenzieller Grand-Slam-Champion im Aufgebot. Dass für Karen Khachanov (24), immerhin 20. der Weltrangliste, schon kein Platz im Team mehr war, spricht für eine große russische Tenniszukunft.
Karatsev überrascht in Melbourne
Auch bei den Australian Open deutet sich dies an. Erstmals überhaupt stehen drei Russen im Achtelfinale von Melbourne - neben Medvedev und Rublev schaffte es auch der ungesetzte Aslan Karatsev (27) unter die besten 16. Doch die Hoffnungen ruhen vor allem auf Medvedev, der schon bei der Fünfsatz-Niederlage im Finale der US Open 2019 gegen Rafael Nadal ganz nah am ersten Grand-Slam-Titel dran war.
"Wenn er so weitermacht, könnte er größer werden als alle Eishockeyspieler oder Fußballer", prophezeite Yevgeny Kafelnikov, in den 90ern zweimaliger Grand-Slam-Champion. Schon jetzt berichtet Kafelnikov von großer Euphorie in der Heimat ob der rosigen Zukunft, die sich da andeutet.
"In den Tennisclubs wollen die Junioren nicht mehr wie Kafelnikov oder Safin sein", erzählte der Sydney-Olympiasieger: "Sie wollen wie Medvedev, Rublev oder Khachanov sein." Als letzter Russe triumphierte Marat Safin 2005 bei einem Major-Turnier, in Melbourne war das. 16 Jahre später stehen seine designierten Nachfolger an gleicher Stelle schon
bereit.