„Das ist nicht das, was ich will“

Sabine Lisicki spricht im Interview mit Eurosport über Wimbledon und aggressive Schlagzeilen.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 11.07.2014, 12:05 Uhr

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Sabine Lisicki avancierte 2013 zur ersten deutschen Wimbledon-Finalistin seitSteffi Graf1999 und erreichte in dieser Saison das Viertelfinale. Im Exklusiv-Interview mit eurosport.yahoo.de macht die 24-Jährige aber deutlich, dass sie mehr will und warum die Trainerfrage dabei eine entscheidende Rolle spielt. Darüber hinaus erklärte Lisicki, wie sie mit Druck und aggressiven Schlagzeilen umgeht.

Welche Rolle spielt Druck in Ihrer Karriere?

Sabine Lisicki: Druck ist etwas, das ich mir selbst mache. Das ist für mich ganz normal und gehört im Sport dazu. Und nicht nur da, sondern allgemein im Leben. Wenn du etwas erreichen oder einen guten Job abliefern willst, dann wirst du immer auch Druck haben.

In der Individualsportart Tennis müssen Sie damit aber allein umgehen...

Lisicki: ... und das ist doch viel besser so. Ich kann selbst darüber entscheiden, wie ich am besten damit zurechtkomme und sehen, wie es für mich persönlich am besten funktioniert. Das kann zwar dauern, bis man den richtigen Weg gefunden hat, aber es liegt in der eigenen Verantwortung.

Wie gehen Sie mit der Situation vor den großen Matches um? Da passiert es häufig, dass Sie nicht wissen, wann Sie überhaupt dran sind, weil zuvor eine andere Partie läuft, die zwei oder auch vier Stunden dauern kann. Wie schaffen Sie es, da die Konzentration hochzuhalten?

Lisicki: Ich kann und muss mich überhaupt nicht stundenlang konzentrieren. Die Konzentration brauche ich erst in dem Moment, wo es rausgeht auf den Court. Wenn ich die schon vorher aufbauen würde, dann würde ich sehr viel Kraft und Energie vergeuden, die ich nachher brauche. Daher muss ich versuchen, entspannt zu bleiben. Die Kunst besteht darin, auf dem Platz fokussiert zu sein, um alles abrufen zu können.

Was tun Sie, um in der Wartezeit auf das Match entspannt zu bleiben?

Lisicki: Ich spiele zum Beispiel Karten, wenn es in Wimbledon mal regnet, oder ich höre Musik. Dann lese ich auch hin und wieder ein Buch...

... und da können Sie sich dann tatsächlich auf den Inhalt eines Buches konzentrieren - mit dem Wissen, dass gleich ein großes Match ansteht?

Lisicki: Ja, das klappt.

Gesundheitlich mussten Sie Rückschläge hinnehmen. Nicht nur durch Verletzungen, sondern auch durch die Diagnose einer Gluten-Unverträglichkeit. Wie haben Sie das verarbeitet?

Lisicki: Ich war sehr froh, als ich vor ein paar Jahren erfahren habe, warum es mir nicht gut ging: es lag an einer Gluten-Unverträglichkeit. In dem Moment damals hatte ich Panik und ein paar Fehler gemacht. Inzwischen arbeite ich da mit dem Lebensmittelhersteller Dr. Schär zusammen, um das Thema den Leuten näherzubringen und dafür zu sorgen, dass die Menschen eben nicht in Panik ausbrechen. Für mich als Sportlerin ist die Gesundheit sowieso das A und O - zumal es mit das Schwierigste ist, auf der Tour gesund zu bleiben. Das liegt daran, dass wir von Januar bis November ein straffes Turnierprogramm haben. Da ist es dann umso wichtiger, den eigenen Turnierplan richtig zu organisieren und in den richtigen Phasen Pausen einzubauen. Das ist ein Lernprozess und beileibe nicht einfach.

Durch Ihre Beziehung zum Entertainer Oliver Pocher sind Sie auch außerhalb des Sports in die Schlagzeilen geraten. Immer wieder gab es Kritik, Sie würden ihrem Sport nicht mehr die nötige Aufmerksamkeit zukommen lassen. Prallt das an Ihnen ab?

Lisicki: Es ist nicht immer leicht, mit diesen medialen Mechanismen umzugehen. Das musste ich erst lernen, gerade am Anfang war das nicht einfach. Mit der Zeit ging das aber immer besser. Ich bin der Meinung, dass private Dinge privat bleiben sollen - zumal sowieso schon sehr viel über mich bekannt ist. Aber ich habe eben diese Zeit gehabt, in der es Schlagzeilen gab, ich eine langwierige Verletzung hatte und trotzdem Termine wahrnehmen musste. Das war definitiv eine große Herausforderung für mich.

Auf der sportlichen Seite haben Sie gerade ein Wimbledon-Turnier hinter sich, in dem Sie bis ins Viertelfinale gekommen sind. Wie ordnen Sie das ein?

Lisicki: Nachdem ich bei den French Open aufs Handgelenk gefallen war, habe ich Angst gehabt, dass etwas gebrochen ist und ich vielleicht in Wimbledon gar nicht spielen kann. Vor diesem Hintergrund ist das Viertelfinale natürlich sehr gut. Aber: Das Viertelfinale ist nicht das, was ich will. Mein Ziel ist der Turniersieg, daran gibt es keine Zweifel. Zufrieden bin ich aber trotzdem, vor allem deshalb, weil ich die Situation ins Positive drehen und in Wimbledon was daraus machen konnte.

Es scheint so, als ob Ihnen in Wimbledon ohnehin nichts passieren kann ...

Lisicki (lacht): Ja, bei meinen letzten fünf Teilnahmen habe ich immer mindestens das Viertelfinale erreicht, 2011 stand ich im Halbfinale, im vergangenen Jahr im Endspiel. Diese Kombination aus Rasen und Wimbledon gibt mir eine unglaubliche Sicherheit. Ich weiß da einfach ganz genau, was ich tun muss. Für mich geht es nun darum, diese Sicherheit mitzunehmen auf die anderen Beläge. Lange Zeit habe ich geglaubt, dass ich viel verändern muss, wenn es dann auf die Hartplatz-Turniere geht. Aber ein guter Aufschlag bleibt ein guter Aufschlag, unabhängig vom Belag. Und auch auf Hartplatz bin ich in der Lage, lange Ballwechsel auszuspielen. In dieser Hinsicht will ich mich weiter verbessern.

Mit Hilfe eines neuen Trainers?

Lisicki: Ja, wir sind im Moment dabei, jemanden zu finden, der mich da weiterbringen kann. Ich arbeite ja seit meiner Kindheit mit meinem Vater zusammen und wir sind beide der Meinung, dass Input von außen hilfreich sein wird.

Welche Trainer stehen zur Debatte?

Lisicki: Das kann ich im Moment noch nicht sagen...

... aber dann verraten Sie uns doch zumindest das Anforderungsprofil.

Lisicki: Es wird ein Coach sein, der mich komplett betreut und eine gewisse Erfahrung mitbringen muss. Allein schon deshalb, weil ich selbst inzwischen über große Erfahrung verfüge und jemanden brauche, der das alles richtig zu bewerten weiß und selbst kennt. Ich arbeite sehr gerne hart, ohne allerdings die Lockerheit und den Spaß am Tennis zu vernachlässigen. Das möchte ich auf jeden Fall beibehalten.

Sie haben bereits vor vier Jahren das Ziel ausgegeben, die Nummer eins zu werden und einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen? Sind diese Zielvorgaben noch gültig?

Lisicki: Klar. Das sind meine Ziele, meine Träume. Ich war ja im vergangenen beim Finale in Wimbledon schon sehr knapp davor und arbeite weiter daran. Daher suche ich ja auch einen neuen Trainer, um wieder in diese Richtung zu kommen. Ich war in der Saison 2012 schon die Nummer zwölf der Welt. Das ist nicht mehr weit nach ganz oben. Da entscheiden dann kleine Dinge darüber, ob es für die Top Fünf, Top Ten oder Top 20 reicht.

Neben Ihnen standen in den vergangenen Jahren auchAngelique KerberundAndrea Petkovicdicht vor einem Grand-Slam-Erfolg. Und Sie alle vermitteln den Eindruck, dass Sie sich die starken Ergebnisse gegenseitig gönnen.

Lisicki: Der Eindruck stimmt. Wir gönnen uns das und wir profitieren voneinander. Das zieht dich unheimlich mit, wenn du bei den anderen siehst, was möglich ist. Es macht uns alle stärker. Und außerdem ist es super für das Fed-Cup-Team, mit dem wir ja in diesem Jahr das Endspiel erreicht haben und dort im November in Prag auf Tschechien treffen. Das ist für uns eine Riesensache.

Sie haben bereits mit 210 km/h aufgeschlagen, inoffiziell ein Weltrekord - und ein Wert, den viele Männer auf der ATP-Tour meist nicht erreichen. Wie haben Sie das denn fertiggebracht?

Lisicki: Ich habe einen schnellen Arm und immer schon stark aufgeschlagen. Das habe ich dann einfach so beibehalten. Und es ist eine Waffe, die sich immer gut eignet.

Frau Lisicki, ich bedanke mich für das Gespräch.

(Interview:Tobias Laure/Eurosport)

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