„Dass es gleich derart gut läuft, überrascht auch mich“

Im Interview mit tennisnet.com spricht die 20-jährige Nachwuchshoffnung über die bislang starke Saison und die Geschehnisse in Japan.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 20.03.2011, 19:55 Uhr

Von Christian Storhas

Cedrik-Marcel Stebe ist 2011 kaum zu stoppen. Von seinen ersten 22 Spielen gewann er dieses Jahr ganze 20, darunter fallen zwei Future-Triumphe, ein Challenger-Finale, sowie ein Challenger-Halbfinale. Der 20-Jährige aus Vaihingen an der Enz, der Ende letzten Jahres in die Schüttler-Waske-Tennis-University nach Offenbach gewechselt war und gegenübertennisnet.comals Saison-Ziel die Top-100 angegeben hatte, befindet sich auf dem besten Wege nach ganz oben. Im Interview spricht er über eine bewegte Woche beim Challenger im japanischen Kyoto, dass zeitgleich mit der Erdbebenkatastrophe stattfand, seine neue Entwicklung und die weitere Saisonplanung.

Cedrik, erst einmal Glückwunsch zu Deiner starken Serie. 20:2 Siege im Jahr 2011, darunter zwei Future-Triumphe, ein Challenger-Finale und ein Challenger-Halbfinale, das kann sich sehen lassen. Wie überrascht bist Du selbst, dass es gleich derart gut lief zum Saisonstart?

Natürlich weiß man nie wie es laufen wird, aber ich hatte trotzdem von Anfang an ein gutes Gefühl. Ich war sehr motiviert endlich wieder Turniere spielen zu können. Trotzdem bin ich aber schon ein wenig überrascht, dass es gleich so gut läuft, weil nach einer längeren Pause weiß man nie, wie schnell man wieder seine Form findet.

Wie erklärst Du Dir die derzeitige Topform – was machst Du zurzeit besser als gegen Ende der letzten Saison?

Naja, zum einen weht durch den Wechsel zur Schüttler-Waske-Tennis-University ein neuer Wind in meinem Tennis-Leben. Das war einfach nötig, um neue Reize zu setzen. Und ich denke einfach, dass es sehr gut war, dass wir während der Verletzungspause trotzdem weiter gearbeitet haben, vor allem an meiner mentalen Stärke. Im Training gab es auch einige Umstellungen. Ich denke jeder Trainer oder jedes Trainerteam arbeitet auf gewisse Weise anders. Durch die professionelle Betreuung an der SWTU, hat sich bei mir vor allem im physischen, spieltaktischen und mentalen Bereich viel getan. Mental haben wir echt sehr viel gearbeitet und mein Spiel ist allgemein auch wesentlich aggressiver geworden.

Wie gefällt Dir das dortige Umfeld? Welcher Trainer ist für Dich zuständig, sowohl in der Akademie als auch bei den Turnieren?

Das Umfeld gefällt mir sehr gut. Es ist alles sehr professionell und nicht weit weg von zu Hause. Ich habe dort viele verschiedene Trainingspartner, Rainer Schüttler, Alexander Waske, Thomas Fabbiano, Sebastian Rieschick und auch einige jüngere Spieler wie Richard Becker oder Tim Focht. In der Akademie sind Alexander Waske und Benjamin Ebrahimzadeh für mich zuständig. Meine Turnierbegleitung variiert immer. Es kommt darauf an, was man gerade am meisten benötigt. Einen Fitness- oder einen Tennis-Coach. Die Trainer stehen alle ständig in engem Kontakt miteinander.

Man hört auch von anderen Spielern oft gutes über die Akademie. Gibt es keine Kritikpunkte?

So spontan fallen mir keine ein.

Das Umfeld dort ist mit diversen Tennis- und Athletiktrainern umfassend bestückt. Das wird doch sicherlich auch seinen Preis haben – wie finanzierst Du derzeit Deine Karriere? Gibt esUnterstützung vom Verband, Sponsoren oder ist das Tennisleben mit Reisecoach in deinen Rankingregionen schon rentabel?

Ja natürlich ist das alles nicht billig. Das ganze Training, die ganzen Reisen, Hotels, Verpflegung usw. Rentabel ist es bei mir noch nicht. Im Moment finanziere ich das selbst mit meinen Preisgeldern und mit Hilfe meiner Eltern. Equipment und Ausstattung erhalte ich von meinen Sponsoren Adidas und Head.

Vor einer Woche hast du im japanischen Kyoto ein rein deutsches Challenger-Finale gegen Dominik Meffert, den Du dann in der Folgewoche in Guangzhou (China) besiegt hast, verloren. Was hat Deinen ersten Challenger-Titel letztlich verhindert?

Es war einfach nur eine Kopfsache.  Bei ein oder zwei Punkten bin ich einfach etwas unkonzentriert gewesen und habe meine Chancen dann auch nicht genützt, Es war dann schwer wieder zurückzukommen. Auf diesem Level entscheiden oft nur Kleinigkeiten.

In Europa hat zu dieser Zeit jeder über die Erdbebenkatastrophe in Japan gesprochen. Wie war die Stimmung bei den Japanern in Kyoto. Wie viel habt ihr als Spieler dort von der Erdbebenkatastrophe mitbekommen? Wie war es für Dich zu diesem Zeitpunkt in Japan zu sein, wenn auch relativ weit entfernt vom Epizentrum des Bebens?

Zu dem Zeitpunkt als ich noch dort war, waren die Japaner noch relativ entspannt. Sie haben alles zur Kenntnis genommen, haben sich aber noch keine größeren Sorgen gemacht. Man selbst hat natürlich alles mitbekommen und ist froh, dass das doch relativ weit weg passiert ist. Die Spieler haben auch darüber geredet, aber so wirklich Sorgen hat sich am Anfang niemand gemacht und gegen Samstag und Sonntag waren dann ja auch die meisten Spieler schon über alle Berge. Ich persönlich habe mir am Anfang keine Sorgen gemacht. Als sich die Lage dann zugespitzt hat, hat man sich dann schon mehr und mehr an dem Gedanken fest gehalten, dass man hier schnellstmöglich weg will. Ein ungutes Gefühl war schon da.

Hatte die besondere Situation irgendwie einen Einfluss auf Deine Konzentration oder Deine Psyche während des Finales oder hast Du das komplett verdrängt auf dem Platz?

Nein, ich habe mir darüber auf dem Platz keine Gedanken gemacht und glücklicherweise auch keine Probleme gehabt mich zu konzentrieren. Selbstverständlich habe ich die Geschehnisse in den Nachrichten verfolgt, aber sobald ich auf dem Platz war, habe ich versucht, nicht daran zu denken. Trotzdem waren und sind all meine guten Gedanken und meine Anteilnahme beim japanischen Volk und den Opfern dieser schrecklichen Umweltkatastrophe.

Nach dem Finale hat Andre Begemann spontan ein Mixed-Doppel gespielt und dabei rund 3.000 Dollar für die Opfer der Katastrophe gesammelt. Hast Du da auch mitgewirkt?

Nein mitgewirkt habe ich nicht. Ich war nach dem Match ein wenig enttäuscht, da es so eng gewesen ist und schon mein zweites Finale bei einem Challenger war, bei dem mir der Titel durch die Lappen gegangen ist. Deswegen habe ich mich gleich verkrochen. Ich hätte gern mitgemacht, war aber in diesem konkreten Moment emotional etwas durcheinander. Die Zuschauer waren begeistert, was ich so gehört habe. Eine gelungene Aktion.

Wie hast Du diese für dich sicher bewegte Woche allgemein erlebt? Mit welchen Erwartungen bist Du in das Turnier gegangen?

Ich bin relativ entspannt  in das Turnier gegangen, habe mich einfach auf jede einzelne Runde konzentriert und auf mein Können vertraut. Ich wusste, dass ich mit Allen mithalten kann. Ich bin jetzt ein anderer Spieler als 2010, wo es ja auch schon recht gut lief. Ich denke, dass ich mich noch mehr weiterentwickelt habe. Wenn ich jetzt auf die Zeit in Japan zurückblicke, kann ich momentan nur sagen, dass mich die Geschehnisse sowohl auf als auch neben dem Platz sehr bewegt haben. Für Japan hoffe ich das Beste.

Du hast in Kyoto mit Yuichi Sugita (ATP 177) und Go Soeda (ATP 109) die auf Position vier und eins gesetzten Lokalmatadoren ausgeschaltet, in Guangzhou dann Lukas Lacko (ATP 119), der  davor zwei Jahre Top-100 stand. Vergangenes Jahr hast Du ja auch schon Top-100-Spieler geknackt. Was fehlt derzeit, um diese Erfolge konstant über einen längeren Zeitraum einzufahren?

Man merkt schon wie weit man noch von einigen Spielern entfernt ist. Spielerisch kann ich, denke ich, mit allen mithalten. Ich glaube die Fitness spielt eine große Rolle und auch die mentale Stärke ist sehr wichtig, um immer das Maximum geben zu können. An diesen Baustellen bin ich aber dran.

Nach Kyoto bist Du ja dann beim ebenfalls mit 35.000 Dollar dotierten Challenger in Guangzhou angetreten. Du hast dort aufgrund deiner Leistung in Kyoto ein „Special Exempt“ bekommen und gleich wieder das Halbfinale erreicht. Haben die acht Matches von Kyoto nicht an deiner Fitness genagt?

Durch die kontinuierliche und sehr gute Betreuung von unserem Fitnesscoach/Physio Christian Rauscher, haben mir die vielen Matches nicht so viel ausgemacht, sodass ich direkt wieder angreifen konnte und bis zum Halbfinale habe ich mich auch gut gefühlt. Am Abend vor dem Halbfinale oder am Morgen muss ich allerdings etwas gegessen haben, das mir nicht gut getan hat, denn auf dem Platz hab ich mich extrem schlapp gefühlt. Ich hatte Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und auch das Gefühl, dass ich mich übergeben muss. Am Anfang war es noch okay, aber nach und nach ist es mir immer schlechter gegangen. Da kann man nichts machen, aber ich hoffe dass ich für die nächste Woche in Pingguo wieder fit bin, denn dafür habe ich, aufgrund meiner Halbfinalteilnahme in Guangzhou auch ein SE bekommen.

Bei unserem letzten Interview Ende letzten Jahres hast Du angegeben 2011 in die Top-100 vorstoßen zu wollen. Damals mit Rang 378 noch ein sehr optimistisches Ziel wirst du in der am Montag erscheinenden Rangliste schon auf einem Platz um 240 geführt werden. Wie geht Deine Planung 2011 weiter? Wirst Du nach diesem erfolgreichen Saisonstart nur noch Challenger spielen oder auch noch das ein oder andere Future?

Ich denke, dass ich keine Futures mehr spielen werde, denn in den Regionen um die 200 bis 250 kommt man mit Futures nicht mehr weiter. Man muss sich mit Besseren messen, auf größeren Turnieren. Um langfristig vorwärts zu kommen, muss man sich dort behaupten, sonst bleibt man stehen.

Was sind Deine Ziele für die nächsten Monate? Die Grand-Slam-Qualifikationen in Roland Garros und Wimbledon sind durchaus in Reichweite zumal du nicht allzu viele Punkte zu verteidigen hast in den nächsten Monaten.

Roland Garros und Wimbledon sind mir denke ich so gut wie sicher durch die Halbfinalteilnahme hier in Guangzhou. Das war ein kurzzeitiges Ziel, aber über die nächsten Monate, will ich einfach schauen, dass ich weiter kontinuierlich arbeite, konzentriert bin und dann stimmen auch die Ergebnisse von allein. Das Ziel, die Top 100 im Jahr 2011 zu erreichen, bleibt natürlich weiterhin erhalten.(Foto: Jürgen Hasenkopf)

von tennisnet.com

Sonntag
20.03.2011, 19:55 Uhr