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Die größten Favoritenstürze auf dem heiligen Rasen

Steffi Graf, Boris Becker und Pete Sampras. Allesamt mussten in Wimbledon bittere Niederlagen gegen große Außenseiter hinnehmen.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 19.06.2011, 09:43 Uhr

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Von Christian Albrecht Barschel

Wimbledon ist bis heute das prestigeträchtigste Tennisturnier der Welt. Hier wurden Helden für die Ewigkeit geboren. In der Vergangenheit gab es aber auch immer wieder faustdicke Überraschungen und Sensationen auf dem heiligen Rasen von Wimbledon, wo die großen Favoriten ins Straucheln kamen und letztendlich auch gefallen sind. Sicherlich wird es auch in diesem Jahr zu einigen Überraschungen kommen – und vielleicht sogar wieder zu einer Sensation.

Im letzten Jahr war die größte Überraschung an der Church Road in London das Aus von Venus Williams. Die fünfmalige Wimbledonsiegerin unterlag im Viertelfinale der Bulgarin Tsvetana Pironkova mit 3:6, 2:6. Außerdem kam es beinahe zur wohl größten Sensation in der Wimbledongeschichte. Roger Federer, Titelverteidiger und sechsfacher Titelträger, stand in der ersten Runde gegen den Kolumbianer Alejandro Falla kurz vor dem Aus. Falla führte gegen den „großen Maestro“ mit 7:5, 6:4, 4:6, 5:4 und servierte zum Matchgewinn. Doch Federer befreite sich aus dieser Situation und kam dem Sensations-Aus zuvor.

Andere große Champions entkamen in der Vergangenheit dagegen nicht ihrem Schicksal eines völlig überraschenden „Knockouts“.tennisnet.comblickt auf einige große Sensationen in der Wimbledongeschichte zurück.

Lori McNeil – Steffi Graf 7:5, 7:6 (5) – 1. Runde 1994

Die Erstrunden-Niederlage von Steffi Graf im Jahre 1994 war wohl die größte Sensation, die es bis heute in Wimbledon gegeben hat. Die Deutsche ging als Titelverteidigerin und haushohe Favoritin in das Turnier. Fünfmal hatte die „Gräfin“ bereits in London triumphiert und war bis zu diesem 21. Juni 1994 seit drei Jahren ungeschlagen in Wimbledon. An einem dunklen und regnerischen Dienstagnachmittag mit zwei Regenunterbrechungen verlor Graf gegen die starke Rasenspielerin Lori McNeil.

Die 30-Jährige US-Amerikanerin entzauberte die Deutsche mit ihrem Serve-and-Volley-Spiel und attackierte immer wieder die schwächere Rückhand von Graf. „Ich werde mich schon nicht umbringen“, kommentierte Graf ihr Aus hinterher. Es war die bis heute einzige Niederlage in Wimbledon einer topgesetzten Titelverteidigerin in der Damenkonkurrenz. Graf schied in ihrer gesamten Karriere nur zweimal in der ersten Runde eines Grand-Slam-Turnier aus – das erste Mal als 15-Jährige bei den US Open 1984. McNeil nutzte die Euphorie ihres Paukenschlags und spielte sich bis ins Halbfinale vor, wo sie schließlich der späteren Siegerin Conchita Martinez mit 8:10 im dritten Satz unterlag.

Peter Doohan – Boris Becker 7:6 (4), 4:6, 6:2, 6:4 – 2. Runde 1987

Boris Becker reiste 1987 als zweifacher Wimbledonsieger nach London und hatte zudem den Turniersieg im benachbarten Queen’s Club im Gepäck. Becker, zu diesem Zeitpunkt immer noch blutjunge 19 Jahre alt, war also der Topfavorit auf den Wimbledontitel. In der zweiten Runde musste der Deutsche gegen den unbekannten Australier Peter Doohan antreten, zu diesem Zeitpunkt Nummer 70 der Welt. Reine Formsache also für Becker, der Doohan beim Vorbereitungsturnier in Queen’s in der ersten Runde noch glatt geschlagen hatte.

Doch Doohan spielte das Match seines Lebens auf dem Court 2, der in den nächsten Jahren als „Friedhof der Stars“ (Graveyard of Champions) allseits bekannt wurde, und warf den Titelverteidiger aus dem Turnier. "Das ist ein unglaubliches Gefühl, Wimbledonsieger Boris Becker auf Rasen geschlagen zu haben. Das dauert sicher ein paar Tage, bis ich mich an diesen Gedanken gewöhnt habe. Ich ging nämlich nie mit der Idee in das Match, etwas gewinnen zu können", sagte Doohan anschließend. Becker nahm die überraschende Niederlage recht gefasst auf. „Ich habe keinen Krieg begonnen. Niemand ist gestorben. Ich habe nur ein Tennismatch verloren, nicht mehr.“

George Bastl – Pete Sampras 6:3, 6:2, 4:6, 3:6, 6:4 – 2. Runde 2002

Die wohl größte Sensation in der Wimbledongeschichte in der Herrenkonkurrenz fand in der zweiten Runde im Jahre 2002 statt. Pete Sampras wurde als siebenfacher Wimbledonsieger in seinem Match gegen den Schweizer George Bastl nur auf Platz zwei angesetzt. Sampras fasste das als Majestätsbeleidigung auf und der „Friedhof der Stars“ machte seinem Namen mal wieder alle Ehre. Bastl, Nummer 145 der Welt und nur als „Lucky Loser“ in das Hauptfeld gerutscht, spielte „Pistol Pete“ in den ersten beiden Sätzen förmlich an die Wand.

Der US-Amerikaner kam aber wieder zurück und vergab bei einer 4:3-Führung im fünften Satz einen Breakball. Kurz danach ging alles ganz schnell und Bastl schaffte die Riesen-Sensation mit dem ersten Fünfsatz-Sieg seiner Karriere. Für Sampras, der sich danach als wahrer Champion verhielt, war es das letzte Match auf dem heiligen Rasen in Wimbledon. "Er hat das Spiel gewonnen, nicht ich habe es verloren. Er war mental am Ende stärker als ich und das muss man anerkennen." Dieser 26. Juni 2002 bot zudem noch weitere faustdicke Überraschungen, Am gleichen Tag flogen die Nummern zwei und drei der Setzliste Marat Safin und Andre Agassi ebenfalls früh aus dem Turnier raus.

Ivo Karlovic – Lleyton Hewitt 1:6, 7:6 (5), 6:3, 6:4 – 1. Runde 2003

Traditionell eröffnet der Titelverteidiger am Montag auf dem Centre Court das Wimbledonturnier. So betrat Lleyton Hewitt, der im Jahr zuvor siegreich war, am 23. Juni 2003 wohl mit der großen Gewissheit den Platz, dass die erste Runde nur ein leichter Aufgalopp ist. Denn sein Erstrundengegner war der bis dahin völlig unbekannte Ivo Karlovic. Der Kroate, Nummer 203 der Welt, qualifizierte sich nicht nur für sein erstes Wimbledonturnier, es war auch sein erstes Grand-Slam-Match überhaupt. Und so war es auch völlig verständlich, dass der erste Satz nach 19 Minuten an Hewitt ging. Doch dann nahm die Sensation ihren Lauf und der 2,08 Meter große Karlovic hämmerte den topgesetzten Australier unter anderem mit 18 Assen aus dem Turnier.

In der anschließenden Pressekonferenz präsentierte sich Karlovic, dem sein Stottern und gebrochenes Englisch sichtlich peinlich war, ziemlich wortkarg. Auf die Frage, ob sein Vater oder seine Mutter ebenfalls besonders groß sind, witzelte der Kroate. „Nein, nur Durchschnitt. Vielleicht ist es der Postbote.“ In den nächsten Jahren machte sich Karlovic dann weiter einen Namen als Aufschlagriese, unter anderem mit dem schnellsten je gemessenen Aufschlag. Und Hewitt bekam 2009 bei den French Open seine späte Revanche. Trotz der 55 Asse von Karlovic, was zu diesem Zeitpunkt Rekord war, konnte Hewitt den Kroaten besiegen.

Jelena Dokic – Martina Hingis 6:2, 6:0 – 1. Runde 1999

Martina Hingis und das Wimbledonturnier waren nie die dicksten Freunde. Zwar gewann “Miss Swiss“ im zarten Alter von 16 Jahren 1997 in Wimbledon, aber danach lief bei Hingis auf Rasen nur wenig zusammen. 1999 kam die Schweizerin als Topgesetzte und mit der bitteren Finalniederlage bei den French Open gegen Steffi Graf im Gepäck nach London. Hinigs war noch sichtlich angeschlagen vomTränendrama in Parisund schied in der ersten Runde sang- und klanglos aus.

Das 16-jährige Wunderkind Jelena Dokic aus Australien, zu diesem Zeitpunkt Nummer 129 der Welt, fegte die Nummer eins der Welt mit 6:2, 6:0 förmlich vom Platz. „Das passiert jedem einmal. So dermaßen enttäuscht bin ich nicht“, gab Hingis danach an. Das gleiche Schicksal widerfuhr der Schweizerin zwei Jahre später. Als Topgesetzte schied sie in der ersten Runde gegen die Spanierin Virgina Ruano Pascual (Nummer 83) mit 4:6, 2:6 aus.(Fotos: GEPA pictures)

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