ServusTV-Rechteeinkäufer David Morgenbesser - "Pay TV wird immer einen schweren Stand haben"
David Morgenbesser ist bei ServusTV verantwortlich für den Einkauf von Sportrechten. Im Interview mit tennisnet.com skizziert der erfahrene Medienmanager die Rahmenbedingungen im Sportrechtehandel, erläutert die neue digitale Plattform von ServusTV - und spart nicht mit Lob für die Konkurrenz.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
31.03.2022, 09:26 Uhr

tennisnet: Herr Morgenbesser. Erleben wir gerade die spannendste Zeit in Sachen Rechtevergabe auf dem Sportmarkt?
David Morgenbesser: Der Rechteeinkauf war schon immer eine spannende Angelegenheit. Marktbedingungen verändern sich, die Mitbewerber wechseln. Was neu ist, dass auch kleinere Anbieter dazu kommen. Und dass Sport-Ligen und Verbände ihre eigenen Produkte entwickeln, wie z.B. F1, ATP oder die NFL. Durch die Digitalisierung und Diversifizierung ist der Wettbewerb um die Zuseher daher noch größer geworden.
tennisnet: Müssen Sie sich in Ihrer Funktion als Rechteeinkäufer für ServusTV manchmal zweiteilen? Die Situationen für Österreich und Deutschland sind ja doch unterschiedlich.
Morgenbesser: Ich kenne diese Zweiteilung ja auch aus eigener Erfahrung: mein Vater ist Österreicher, meine Mutter Deutsche. Aber grundsätzlich kümmere ich mich neben den Sportrechten auch um die Distribution, die technische und die des Contents. Da liegt der Fokus stark auf Deutschland. Über eine clevere Distributionsstrategie generieren wir Reichweite und Bekanntheit. Bei den Sportrechten ist der Fokus in Österreich etwas ausgeprägter.
tennisnet: Nun hat ServusTV in den vergangenen Jahren Dominic Thiem auf der ATP-Tour und auch bei manchen Grand-Slam-Turnieren medial begleitet. Wie funktioniert dieser Rechteeinkauf faktisch? Und: Ist ein ähnliches Modell mit Alexander Zverev in Deutschland denkbar?
Morgenbesser: Die TV-Rechte werden immer länderweise ausgeschrieben. Wir hatten in 2021 etwa die Rechte für Roland Garros für Deutschland und für Österreich die Australien Open sowie die US Open akquiriert. In 2019 wurden von Sky für ServusTV auch 15 Spiele bei den ATP-Tour-1000- bzw. 500-Turnieren lizensiert. In Deutschland haben wir im letzten Jahr angefangen, die nationalen Turniere einzukaufen. ServusTV hat den MercedesCup in Stuttgart, die bett1 Open in Berlin und die Hamburg Open gezeigt, dazu den Davis Cup und den ATP Cup. Letztere für beide Länder. Auch in diesem Jahr wird unser Fokus auf den deutschen Turnieren liegen. Die Grand-Slam-Turniere sind in Deutschland von Eurosport bereits besetzt und es gibt derzeit (hoffentlich ändert sich dies bald mit Zverev) keinen nationalen Held wie Dominic Thiem in Österreich. Daher würde es derzeit keinen Sinn machen, wenn wir das Produkt parallel zu Eurosport ebenfalls auf ServusTV Deutschland senden.
tennisnet: Nun hat der Deutsche Tennis Bund den Zuschlag für die Austragung einer Finalgruppe im Davis Cup 2022 bekommen. Die Matches werden vom 14. bis zum 18. September stattfinden. Wird ServusTV diese Veranstaltung übertragen?
Morgenbesser: Dieses Event ist für uns sehr interessant. Wir arbeiten mit Hamburg als Turnier eng zusammen, mit dem DTB ebenso. Und mit der e I motion, der veranstaltenden Agentur, verbindet uns ohnehin eine langjährige Partnerschaft. Aber die Ausschreibung durch den Rechteinhaber Kosmos hat noch nicht gestartet.
"Für zwei Sportkanäle ist der Markt zu klein"
tennisnet: Sie haben auch lange Jahre für Sky gearbeitet, bei ServusTV agieren Sie nun für das Free TV. Haben Sie den Eindruck, dass die Akzeptanz der Zuschauer, für Inhalte ein Abonnement abzuschließen, in der jüngeren Vergangenheit gestiegen ist?
Morgenbesser: Ich glaube, dass es durch die neuen technischen Möglichkeiten und die Konvergenz der Medien eine deutlich höhere Akzeptanz dafür gibt, für Bewegtbild zu bezahlen. Es gibt immer noch eine Hemmschwelle vom Preis her. Dadurch hat DAZN zu Beginn großen Erfolg gehabt, weil sie einfach günstiger in den Markt gegangen sind. Nach der Preisanpassung bei DAZN muss man sehen, wie 30.- Euro im deutschen Markt aufgenommen werden. Auch bei Sky wird mit verschiedenen Preismodellen versucht, die jüngere Zielgruppe zu erreichen. Aber durch Netflix, spotify, Amazon Prime, etc. sind die Leute schon viel mehr gewohnt als noch vor sechs, sieben Jahren, dass sie für Inhalte auch bezahlen. Die Akzeptanz wird weiter steigen, aber Pay TV wird es im deutschsprachigen Raum immer schwerer haben als z.B. im europäischen Pay-TV-Mutterland England, wo die Leute seit vier Jahrzehnten gewohnt sind für exklusiven Content zu bezahlen.
tennisnet: Eine wichtige Frage für die übertragenden TV-Sender ist die Planbarkeit. Nun gibt es kaum einen Sport, bei dem sich die Länge eines Matches weniger genau vorhersagen lässt als beim Tennis. Würde dieser Umstand nicht auch bei ServusTV nach einem eigenen Sportsender quasi schreien?
Morgenbesser: Lassen Sie uns zunächst die Märkte anschauen, dann die Produkte. In Österreich gibt es ORF Sport Plus. Das ist ein reiner Sportsender, der u.a. den kleineren Disziplinen mediale Aufmerksamkeit verschafft. Und für zwei Sportkanäle ist der österreichische Markt einfach zu klein. In Deutschland mit Sport1 und Eurosport als pan-europäischer Sender übrigens genauso. Wir haben gerade unsere neue OTT Plattform ServusTV On diese Woche gestartet. Dort bieten wir alle relevanten Sportarten an, wie z.B die UEFA Champions oder Europa League, die European Qualifier, DFB-Pokal, ATP und Grand Slam Tennis, SailGP, DTM, WRC und wenn wir gerade bei Motorsport sind ist die Formel 1 und die Unterklassen ein gutes Beispiel, wie wir mit ServusTV On eine bisher nicht dagewesenes kostenloses Angebot für den Zuseher schaffen. Wenn wir nun die Formel 1 übertragen, haben wir darüber hinaus aus ServusTV On noch die Formel 2, die Formel 3 und den Porsche Super Cup oder beim Davis Cup hatten wir im vergangenen Herbst alle drei Streams aus den jeweiligen Spielorten gleichzeitig. ServusTV On wird auf dem Big Screen genutzt zudem natürlich auch auf dem Second Screen. Wir haben auf unserer OTT-Plattform oft sechs, sieben Sportarten gleichzeitig im Livestream am Laufen. Unser Angebot funktioniert. Die Kunden können sich so ihr Programm selbst kuratieren. ServusTV bietet im Free TV ein Vollprogramm an. Die Premium-Produkte, die wir im Sportbereich haben, sind dabei ein kleiner, wiewohl wichtiger Baustein.
"Die Formel 1 hat in Österreich eine wahnsinnig große Tradition"
tennisnet: Wer nicht selbst Österreicher ist, kann wohl nicht ermessen, welch kapitaler Einschnitt die Vergabe der Formel-1-Rechte an ServusTV in Österreich war. Nach vielen Jahrzehnten, in denen dieses Recht beim ORF lag. Nun übertragen ServusTV und der ORF jeweils die Hälfte der Rennen.
Morgenbesser: Wir haben die Rechte ja komplett gekauft. In der Öffentlichkeit wird ja manchmal von einer Teilung ausgegangen, aber wir sind der Komplettinhaber der Rechte. Und haben dem ORF die Sublizenz erteilt. ServusTV hat nur einen Sender. Wir haben uns angesehen, wo es Überschneidungen gibt und haben dafür einen Sublizenz-Partner gesucht. Und mit dem ORF einen gefunden, der dies hervorragend macht. Der Gewinner der letzten Saison war der Zuschauer in Österreich. Wir haben durch unsere Qualität eine schon sehr gute Sendung des ORF noch ein wenig besser gemacht. So viel mediale Präsenz wie im letzten Jahr hatte die Formel 1 noch nie. Was natürlich auch damit zusammenhängt, wie die Saison am Ende sportlich verlaufen ist.
tennisnet: Warum ist gerade die Formel 1 wichtig?
Morgenbesser: Weil diese Serie in Österreich eine wahnsinnig große Tradition hat. Nicht umsonst ist Österreich, gemessen an den TV-Inhalten, der drittgrößte Markt weltweit, wenn es um die Formel 1 geht. Österreich ist Motorsport-verrückt, mit Legenden wie Niki Lauda oder Jochen Rindt. Und natürlich ist das auch aufgrund der Rennställe Red Bull und Alpha Tauri ein Must-Have für uns.
tennisnet: Fußball spielt mittlerweile auch eine große Rolle bei ServusTV.
Morgenbesser: Das war ja die eigentliche Sensation: Dass ServusTV die Rechte an der Fußball Europameisterschaft 2024 und 2028 gekauft hat. Das war vom medialen Impact noch größer als der Kauf der Formel-1-Rechte. Das war wie eine Zeitenwende.
tennisnet: Das Königsrecht in Österreich ist aber nach wie vor der alpine Skisport. Und da ganz besonders das Hahnenkammrennen in Kitzbühel. Wie groß ist das Interesse von ServusTV, diese Highights ebenfalls einzukaufen?
Morgenbesser: ServusTV hat die ÖSV-Rechte ab dem kommenden Jahr gekauft. Und zwar ein umfassendes „Highlight-Paket“. Wir werden ab der Zieldurchfahrt des ersten Läufers bis zum darauffolgenden Event in Österreich ein umfassendes digitales Angebot auf ServusTV On schaffen. Neben einer normalen Highlightsendeung werden wir einen eigenen Wintersportkanal schaffen, wo der Zuseher bereits die besten Szenen während des Live Rennen dort zur Verfügung gestellt bekommt. Ab Sölden und sodann bei allen ÖSV-Events werden wir ein Produkt haben, wo wir Live-Action mit sehr geringem Zeitversatz zeigen können. Und das ist das Maximum, was man im Zusammenspiel mit der European Broadcasting Union, der Agentur Infront und den ganzen Verquickungen erreichen kann. Für mehr müsste man ja auch die Rechte in Deutschland und der Schweiz noch kaufen, um den Overspill nach Österreich abzusichern. Aber unser Highlight-Produkt ist ein sehr, sehr gutes. Und wird uns digital weiter voranbringen.