Der tägliche Wahnsinn im Hause Tomic

Der Monegasse Thomas Drouet beschreibt in seinen kürzlich veröffentlichten Tagebucheinträgen die unglaublichsten Szenen.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 18.09.2013, 11:11 Uhr

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Respektlosigkeiten, Absurditäten und äußerst bedenkliche Geschehnisse, die am Ende in einem brutalen Ausraster von Trainervater John Tomic endeten, beschreibt der aus Monaco stammende Tennisspieler Thomas Drouet in seinen Tagebüchern, die vor kurzem auf der australischen News-Plattform „news.com“ veröffentlicht wurden. Ursprünglich wurde der 30-Jährige als Sparringpartner für Top-Spieler Bernard Tomic engagiert, der das temperamentvolle Talent aus Australien auch auf der Tour begleiten sollte. Aus der anfänglichen Euphorie über diesen lukrativen Job, entspann sich Stück für Stück ein beengendes Horrorszenario, aus dem es für den Patchwork-Familienvater scheinbar keinen Ausweg mehr zu geben schien.

Weihnachten im Hause Tomic

Von Beginn an beschreibt Drouet die Atmosphäre auf dem Trainingsplatz als äußerst angespannt. Schreianfälle und Ausraster des herrischen Vaters waren an der Tagesordnung, während er auch immer wieder mit Wutausbrüchen von Sohn Bernard zu kämpfen hatte. Der Druck während der Trainingseinheiten war durchgehend spürbar. Erstes Negativ-Highlight waren für den Monegassen die Weihnachtsfeiertage 2012, die er entsprechend dem Wunsch von Vater Tomic in der Familien-Residenz in Gold Coast (Australien) verbrachte: „Es ist Weihnachten, aber er(Anm.: John Tomic)sagt mir, dass er meinen Lohn kürzen werde, von 1200 Euro pro Woche auf etwa 1000 Euro. Mein Essen sollte zwar gezahlt werden, aber ich muss es mir immer selber kaufen. ‚Ich zahle dir zu viel‘, sagte John. ‚Wenn es dir nicht passt, kannst du nach Hause fahren.‘ Ich habe meinen Job als Manager im Monte Carlo Country Club gekündigt und kann jetzt auch nicht mehr zurück. Aber John hat noch mehr Neuigkeiten. Er sagt mir, dass er mir das Gehalt für den ersten Weihnachtsfeiertag nicht zahlen wird, da wir an dem Tag nicht trainieren.“

Da Drouet in einer Beziehung mit zwei Kindern lebt und auch sein Haus abzubezahlen hat, bleibt ihm in weiterer Folge keine Wahl, als diesen Job zu behalten. Die fehlende Bekanntheit auf der Tour ermöglichte ihm auch noch kein anderes Engagement, was Vater Tomic durchaus bewusst war. Es sollte auch in weiterer Folge immer wieder zu Androhungen bezüglich Gehaltskürzungen kommen. Hier noch ein kurzer Auszug zu einer weihnachtlichen Trainingssession: „John sagt, ich soll einen Satz mit Bernard spielen. Ich soll so hart spielen und ihn so sehr quälen, wie ich nur kann. Er sagt weiter, dass, wenn ich mehr als drei Spiele in einem Satz mache, Bernard zu Fuß nach Hause laufen muss. Gefangen zwischen der Angst vor John und meinem Mitgefühl für Bernard, spiele ich aus Furcht vor einem Gegenschlag so gut, wie ich nur kann und gewinne den Satz. Bernard ist stinksauer auf mich, zerbricht einen Schläger und erhält von seinem Vater den Befehl, zu laufen. Ganz tolle Stimmung.“

Kontrollverlust-Ängste verhärten die Fronten

In weiterer Folge verhärten sich die Fronten zwischen John Tomic und dem Rest des Betreuerstabes. Der Trainervater versucht, getrieben durch die Angst, die Kontrolle über seinen Sohn zu verlieren, immer wieder einen Keil zwischen Bernard und seinen Sparringpartner zu treiben. Dieser vermutet hinter den ständigen Grenzüberschreitungen von John Tomic Kriegstraumata, die der gebürtige Kroate beim Bürgerkrieg der 90er-Jahre in seiner Heimat  davongetragen haben könnte – dazu ein besonders obskurer Eintrag: „John kauft im Supermarkt eine Luftdruckpistole, denn er möchte jagen gehen. Ich lache und sage ‚Gut, kauf sie‘. Als wir nach Hause kommen, sagt Bernard: ‚Wer ist hier der härteste Mann – wir werden gegenseitig auf uns schießen.‘ Er meinte es als Scherz. John sagt, er würde es tun, holt die Pistole raus und schießt auf ihn. Sein Bein beginnt zu bluten.“

Ein Schlag ins Gesicht

Während einer Trainingseinheit zwischen den Turnieren in Barcelona und Madrid kommt es auf einem Trainingsplatz in Monte Carlo zu einer folgenschweren Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn. John Tomic ist mit der Leistung von Bernard nicht einverstanden und will, dass das Training beendet wird. Der Sohn ist jedoch völlig anderer Meinung und befiehlt Drouet dazubleiben, um weiter mit ihm trainieren zu können: „John wird rasend und dann – pow! Ein Schlag, ich konnte nicht glauben, was sich da direkt vor meinen Augen abspielte. Bernard sagte nichts, doch er hatte Tränen in den Augen. John ging einfach weg, lehnte zwei Schläger gegen die Wand, trat mit seinem Fuß auf sie herunter und zerbrach sie. Crack, crack – zerbrach sie einfach beide und sagte Bernard, dass er nun für die nächsten drei Wochen keine Turniere mehr spielen werde. Ich sollte alle Flüge stornieren.“ Drouet versuchte aufgrund dieser Szene, Bernard davon zu überzeugen, sich nun endgültig von seinem Vater loszusagen. Doch dieser Schuss ging nach hinten los…

Ein Ende mit Schrecken

Auf dem Weg zum Turnier nach Madrid gab es immer wieder verbale Attacken des Trainervaters gegen Drouet, der sich zum wiederholten Mal mit dieser Situation abfand. Vor dem Spielerhotel kam es dann jedoch zum allseits bekannten Höhepunkt, der auch den Endpunkt der Zusammenarbeit bedeutete: „Vor dem Hotel sagte John, ich solle meine Tasche abstellen, um ihm zu folgen. Wir gingen neben das Hotel. Ich dachte, er würde sich entschuldigen, stattdessen beschimpfte er mich. Ständig sah er sich um, was ich etwas seltsam fand. Da war niemand. Er sagte: ‚Sag mir nochmal, was du mir heute Morgen gesagt hast.‘ Ich sagte ihm nochmal: ‚Du hältst dich für den Größten, aber das ist okay, John – Bernard wird mich bezahlen, damit ich mit ihm zusammenarbeite.‘ Er spuckte mir ins Gesicht. Ich wischte die Spucke weg, als er wegging und ich sagte ihm nochmal, dass er ein ganz toller Typ sei. Plötzlich drehte er sich zu mir um und gab mir einen Kopfstoß. Ich erinnere mich daran, dass ich um Hilfe schrie, als ich fiel.“

Von Bartoli zu Tsonga

John Tomic wurde in weiterer Folge von der ATP für ein Jahr von allen Turnieren verbannt und darf die jeweiligen Anlagen nicht mehr betreten. Außerdem wurde kürzlich von einem Gericht in Madrid eine achtmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung gegen den gewaltbereiten Trainervater ausgesprochen. Für Drouet ging es nach diesen schier unglaublichen Erlebnissen in der Arbeitsgemeinschaft um Marion Bartoli weiter, wo er an dem grandiosen Erfolg der Französin in Wimbledon teilhaben durfte. Nach ihrem Rücktritt trainiert der Monegasse aktuell mit dem Weltranglisten-Achten Jo-Wilfried Tsonga, der sich von seinem Trainer Roger Rasheed getrennt hatte. Seinem nunmehr ehemaligen Trainingspartner Bernard Tomic gibt er an dem durchlebten Albtraum keine Schuld und resümiert am Ende seines Tagebuches: „Ich wünsche Bernard das Beste!“(Text: sb; Foto: GEPA pictures)

Teil eins der Tagebucheinträge (Englisch)
Teils zwei der Tagebucheinträge (Englisch)

von tennisnet.com

Mittwoch
18.09.2013, 11:11 Uhr