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Tennisfotograf Juergen Hasenkopf: "Carlos Alcaraz ist noch fotogener als Nadal!"

Wie lässt sich's in Wimbledon fotografieren - und welcher der beiden Finalisten Novak Djokovic und Carlos Alcaraz ist fotogener? Wir haben bei Tennisfotograf Juergen Hasenkopf nachgefragt.

von Florian Goosmann aus Wimbledon
zuletzt bearbeitet: 16.07.2023, 13:26 Uhr

Carlos Alcaraz
© Juergen Hasenkopf
Carlos Alcaraz

Juergen, das Herrenfinale steht an, Carlos Alcaraz gegen Novak Djokovic. Ein Match für gute Fotos?

Absolut! Carlos Alcaraz ist noch eine Stufe fotogener als Nadal. Er ist emotional, spielerisch top, dazu kommt seine gesamte Dynamik. Auch die Freude und Interaktion mit den Zuschauern. Im Halbfinale hatte jemand etwas reingerufen und Alcaraz hat geantwortet, das sieht man selten. Das war zwar kein Motiv für ein Foto, aber es sagt etwas über die Persönlichkeit des Spielers aus./

Was ist mit Djokovic?

Auch Djokovic ist gut zu fotografieren. Wenn man eine halbe Stunde bei ihm bleibt, hat man alles. Was im Halbfinale passiert ist, war sehr ungewöhnlich. Dass er auf die Buhrufe reagiert hat, so getan hat, als ob er weint. Oder beim Abschied, als er sarkastisch gewunken hat. Nur sein Bart ist ungünstig.

Kim Clijsters hat den Bart auf Twitter gelobt. Aber du meinst wohl wegen der Fotos...

Das Gesicht wird dadurch dunkler, dazu die weißen Klamotten in Wimbledon. Große Kontraste sind immer schwierig. Hinzu kommt das geschlossene Dach. All das macht die Bildbearbeitung langwieriger. Man muss das Gesicht aufhellen. Würde man das gesamte Bild heller machen, würde es ausgewaschen wirken. Also geht das nur partiell. Man sitzt daher ewig an den Fotos, um die Gesichter gut hinzubekommen.

Wie fotogen sind die jungen Nachwuchskräfte generell?

Iga Swiatek ist sehr problematisch. Mit der Kappe ist sie schwer zu fotografieren, sie gibt einem wenig. Auch Jannik Sinner - ein super Spieler, aber es kommt wenig rüber. Ebenfalls die Kappe: Wenn er Licht im Gesicht haben soll, muss er gegen die Sonne spielen. Und dann bekommt man ihn nur, wenn er den Ball hochwirft oder mal hochschaut.

Gibt es in Wimbledon spezielle Herausforderungen?

In Wimbledon springt der Ball kaum ab, die Spieler nehmen ihn alle sehr tief. Alle schauen nach unten. Ein großer Spieler wie Daniil Medvedev hält ständig den Kopf runter, er gräbt fast den Rasen um. Bei Garbine Muguruza war das auch immer so. Bei Alexander Zverev ist's ein ähnliches Problem. Man hofft auf den Return, dass der Ball nach dem Aufschlag höher abspringt und er seitlich schauen muss. Wenn Zverev sich bei der Vorhand streckt, hat er zudem eine Spannweite wie ein Albatross. Solch ein Bild druckt niemand, da reicht das Format nicht (lacht). Also fotografiert man von ihm eher die Rückhand.

Zverev streckt oft auch die Zunge raus beim Schlagen.

Das machen einige. Dominic Thiem ist noch eine Stufe drüber: Er streckt die Zunge raus und hat die Augen beim Treffpunkt geschlossen. Man muss ihn also vorher erwischen. Eigentlich will man die Spieler beim Treffen fotografieren, aber als Tennisfotograf weiß man, wer dabei schlecht aussieht. Man kennt seine Spieler. Bei Thiem muss man knipsen, wenn der Ball einen halben Meter vorm Schläger ist und er ihn fixiert.

In Wimbledon ist in der ersten Woche extrem viel los, die Anlage komplett voll. Vom 12er-Platz durch die Gasse zwischen Court 3, Court 4 und Court 8 entlangzulaufen, ist manchmal unmöglich. Wie machst du das, mit zig Kameras und langen Objektiven?

In diesem Jahr war es extrem. Das Problem wurde offiziell angesprochen. Früher gab es einen Ordner, der den Mittelgang freigehalten hat. Der hat nun gefehlt. Wenn man es eilig hat – keine Chance. Außer man rempelt Leute beiseite, was mir schwerfällt. Mich nervt das Festhalten an Traditionen. Auch Paris hat nur ein kleines Gelände, aber dort hat man sich weiterentwickelt. Man hat einige Außenplätze abgerissen und dafür Tribünen hingebaut. In Wimbledon geschieht zu wenig. Die Spieler finden das Flair toll, die Zuschauer auch. Aber für Fotografen ist es schwierig.

Auf den kleinen Plätzen gibt es zudem keine Tribünen, auch hier sind die Wege sehr schmal.

Das ist ein weiteres Problem. Früher konnten wir auf dem Rasen sitzen, in diesem Jahr wurde das untersagt. Zu Dominic Stricker auf Court 7 bin ich nicht draufgekommen. Ich musste mich in die Menge stellen und über die Köpfe der Zuschauer hinweg fotografieren. Dementsprechend sehen die Fotos aus.

Wo lag das Problem?

Die Security-Guards haben uns nicht auf die Plätze gelassen. Ich habe mit einem gesprochen, er hat erklärt, das sei eine Entscheidung des „Ground Staffs“, der Rasenhüter. Es bestanden Bedenken, dass wir den Rasen schädigen! Aber diese Dinge wurden angesprochen und werden im kommenden Jahr hoffentlich wieder besser. In Wimbledon mahlen die Mühlen allerdings sehr langsam. Man will sich nicht verändern. Wobei sie ohnehin mit allem nachziehen. Werbung gibt es mittlerweile ja auch.

Zeigen die Zuschauer in Wimbledon denn Verständnis, wenn du es mal eilig hast?

Absolut! Speziell im Vergleich, wenn man sich in Paris durch die Zuschauermengen kämpft, um zu einem anderen Platz zu kommen. Die Franzosen gehen nicht aus dem Weg. Einer hat mir in diesem Jahr einen Bodycheck verpasst. Der Brite entschuldigt sich, selbst wenn man in einen hineinläuft. Aber auch nach Wimbledon kommt immer mehr Event-Crowd. Leute, die nur herkommen, weil sie mal in Wimbledon gewesen sein wollen. Das Tennis interessiert viele nicht. Pimm’s trinken gehört ja dazu. Aber viele laufen mittlerweile auch mit Bierbechern rum, sind mittags schon betrunken. Eine junge Frau saß dieser Tage nur noch im BH da. Früher wäre sie rausgeflogen – „That’s not the British way“, hätte man gesagt. Auch die zunehmende Reinruferei auf dem Centre Court gab es früher nicht.

Letzte Frage: Von wo aus kannst du das Finale fotografieren?

Ich bekomme eine Nummer zugeteilt. Da kein deutscher Spieler dabei ist, bin ich wohl weiter hinten platziert. Beim Pokalfoto werden erst mal die großen Agenturen bedient, die Briten und die Fotografen aus den Ländern der Finalisten. Während des Matches ist das aber egal. Novak Djokovic wird Vorhand und Rückhand so spielen wie die gesamten letzten zwei Wochen auch.

Vielen Dank, Juergen, für das Gespräch!

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von Florian Goosmann aus Wimbledon

Sonntag
16.07.2023, 11:55 Uhr
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