„Quo vadis, Tennis?“ , Teil 5 – Stirbt die einhändige Rückhand aus?

Wir beleuchten in unserer Serie "Quo vadis, Tennis?" die Veränderungen des Tennissports.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 01.01.2016, 08:15 Uhr

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ITF Großbritannien Damen
<enter caption here> during day five of the Barclays ATP World Tour Finals at the O2 Arena on November 19, 2015 in London, England.

Von Philipp Heger

Statistisch spielen immer weniger Spieler einhändig

Seit längerem ist zu beobachten, dass ein Großteil der Spieler inzwischen die Rückhand mit beiden Händen schlägt. Federer galt lange als der letzte Mohikaner, der mit einer Hand auf der Rückhand noch erfolgreich war. Ende 2009 stand mit Federer nur ein Einhänder in den Top Ten der Weltrangliste, also nur 10 %. In den Top 20 waren es fünf Spieler (25 %). Unter den Top 50 immerhin 16 Spieler (32 %). In den Top 100 dann schließlich 33 Spieler (33 %). Zwar sind aktuell in der Jahresabschluss-Rangliste mit Federer, Wawrinka und Gasquet wieder mehr Einhänder unter den Top Ten (33 %) und mit Thiem und Lopez weitere zwei unter den Top 20 (somit insgesamt fünf, 25 %). Aber in den Top 50 befinden sich aktuell nur elf Spieler, die die Rückhand nicht beidhändig schlagen (22 %). In den Top 100 sind es auch nur exakt 22 Spieler (22 %).

Vergleicht man mit früher, so waren die Einhänder eher in der Übermacht. Anfang 1990 waren unter den Top Ten noch sechs Einhänder. Anfang 1980 waren es gar nur drei Beidhänder. Und auch zu Beginn der Open Era spielten nur wenige Spieler die Rückhand mit beiden Händen. Populär und salonfähig wurde die beidhändig geschlagene Rückhand als Björn Borg die Tour dominierte. Viele Spieler eiferten ihm nach, und mehr und mehr Spieler feierten große Erfolge mit ihrer beidhändigen Rückhand. Ihm folgten Jimmy Connors, Mats Wilander, Andre Agassi, Jim Courier und diverse andere.

Spieltaktische Bedeutung der beidhändigen Rückhand

Vorteile der beidhändigen Rückhand sind vor allem, dass man den Ball besser blocken kann und es dadurch einfacher ist, zu returnieren. Die geringere Reichweite gleichen viele Spieler mit besserer Beinarbeit aus. Außerdem werden die meisten Profispieler heute schon sehr früh auf eine Laufbahn als Berufsspieler vorbereitet. Und gerade Jugendliche haben deutlich bessere Chancen, wenn sie mit beiden Händen schlagen. Auch viele Einhänder wie Youzhny, Edberg und Sampras haben in ihrer Jugend eine beidhändige Rückhand gespielt, bevor sie dann im frühen Teenager-Alter auf einhändig umstellten.

Neben einer klaren Tendenz zur überrissenen beidhändigen Rückhand erfreut sich aber mittlerweile auch der Slice wieder zunehmender Beliebtheit. Federer und Murray, aber auch Nadal streuen immer wieder unterschnittene Bälle ein. Noch vor Jahren dagegen wurde die Rückhand fast nur gezogen. Spieler wie Hewitt, Safin oder Agassi vermieden unterschnittene Slice-Bälle. Erst mit Federers Dominanz erlebt der Slice ein kleines Comeback. Durch den fast ausnahmslos einhändig geschlagenen Slice kann man seine Reichweite erhöhen, das Tempo gut variieren und auch das Tempo aus dem Spiel nehmen. Der Slice bietet auch Beidhändern viele Optionen.

Einhändige Rückhand vom Aussterben bedroht?

Leider ist dies fast schon zu befürchten, denn die nächste Generation spielt fast ausnahmslos beidhändig auf der Rückhand. In der Jahresabschluss-Weltrangliste des Jahres 2015 stehen 24 Spieler der Jahrgänge 1995 und jünger unter den Top 300. Kein einziger dieser Spieler schlägt die Rückhand einhändig. Von den besten 20 Junioren sind 18 Beidhänder. Aufgrund dieser Statistiken kann man sich gut vorstellen, dass eine einhändige Rückhand im Welttennis in der Zukunft eine echte Rarität sein dürfte.

Fazit und Ausblick:

In den letzten gut 45 Jahren, seit die Berufsspieler an allen Turnieren teilnehmen durften, gab es vom Regelwerk kaum Veränderungen. Das Spiel an sich hat sich jedoch dank neuerer und besserer Materialien und verbesserter Trainingsmethoden stark verändert. Das Spiel ist wesentlich schneller und dynamischer geworden, die Spieler sind heute im Durchschnitt deutlich größer als zu Beginn der Open Era. Insgesamt ist das Spiellevel deshalb viel stärker als noch vor Jahren. Auch die Dichte an guten Spielern ist viel größer geworden, da es mehr Spieler gibt, die unter professionellen Bedingungen trainieren können und auch weit mehr Geld im Spiel ist.

Das Spiellevel dürfte sich in der Zukunft weiter erhöhen, denn es wird weitere neue trainingstechnische Erkenntnisse geben, und auch die Materialien werden weiter verbessert werden. Die Athletik und die Spieltechnik werden immer besser, ausgereifter und variabler werden. Auch wird es eine noch größere Dichte an der Spitze geben, da immer mehr Spieler unter professionellen Bedingungen trainieren können. Beispielsweise werden sicher mehr gute Spieler aus Asien kommen als bisher. Gerade Südkorea hat mit Spielern wie Chung, Lee, Hong eine goldene Generation in Aussicht.

Wie sich das Spiel hinsichtlich Taktik und Spielanlagen verändern wird, wird wohl vor allem von den von der ATP/ITF vorgegebenen Platzbedingungen, Bällen, Regeln und auch von den Schlägern und Saiten abhängen. Werden die Plätze wieder unterschiedlicher hinsichtlich Geschwindigkeit, dürfte sich auch wieder mehr Vielfalt einstellen.

von tennisnet.com

Freitag
01.01.2016, 08:15 Uhr