Es war einmal in New York – Boris Becker und Steffi Grafs Double vor 25 Jahren
Im Jahr 1989 gab es den zweiten deutschen Doppelsieg nach Wimbledon. In jener US-Open-Nacht wurde Boris Becker zum Mann.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
06.09.2014, 07:22 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus New York
Es war in den frühen Jahren seiner Karriere, als Boris Becker noch regelmäßig am normalen Chaos der US Open verzweifelte. Wenn Düsenjets alle paar Sekunden mit infernalischem Lärm über die Turnieranlage von Flushing Meadows brausten, wenn die unberechenbaren Tennisfreaks auf den Zuschauerrängen Spektakel machten, dann fühlte sich der deutsche Teenager „wie im Irrenhaus". Ein Satz Beckers illustrierte wie kein anderer die Hassliebe zu dem Championat in der Stadt, die ihn wie keine andere faszinierte: „Es gibt hundert Turniere auf der Welt - und dann gibt es die US Open". Das, nur zur Sicherheit, war kein Kompliment.
Doch dann, an diesem Wochenende vor 25 Jahren, erlebte die Tenniswelt einen ganz neuen Becker - genau an jener Grand-Slam-Stätte, die ihm stets nur Ärger und Verdruss gebracht hatte. Der historische Moment im Louis-Armstrong-Stadion, um 20.17 Uhr am Finalsonntag (10. September 1989), der Moment, in dem Becker als erster Deutscher die Offenen Amerikanischen Tennis-Meisterschaften gewann, er war auch eine entscheidende Wegmarke in Beckers Karriere, der Ausweis einer neuen, ungekannten Reife des Superstars. „In dieser Nacht ist Boris zum Mann geworden", sagt Beckers ehemaliger Trainer Günther Bosch als Augenzeuge des 7:6,- 1:6,-6:3,-7:6-Sieges überIvan Lendl- bei Temperaturen unten in der Betonschüssel der Armstrong-Arena von bis zu 50 Grad, bei einer Luftfeuchtigkeit in der Center-Court-Waschküche von 98 Prozent.
„Der beste Moment meines Lebens"
Nie habe Becker perfekter und kühler in seiner Laufbahn gespielt als an diesem tropischen New Yorker Sonntagabend, befand Manager Ion Tiriac, „das war ein neuer Boris. Besser, viel besser als bei seinen Wimbledonsiegen." Und Becker selbst, der Mann, der jetzt an der Seite des Weltranglisten-Ersten Novak Djokovic in den Big Apple zurückgekehrt ist: Er war zunächst fast sprachlos in dieser Nacht des Triumphs, überwältigt von der Größe des Augenblicks. Stunden nach dem Sieg, im kleinen Kreis der deutschen Reporter, sagte er: „Das ist der beste Moment meines Lebens. Es ist wie ein Märchen, fast unglaublich."
Wettet live bei den US Open mit einer 60,- € Gratiswette. Hier anmelden und loslegen!
Unglaublich war es sowieso, was sich in jenen Monaten vor dem deutschen Tennis-Publikum entblätterte.Unglaublich, dass Becker und Graf an einem Tag zusammen in Wimbledon gewannen, Anfang Juli 1989. Doch noch ein bisschen unglaublicher war, dass sie zwei Monate später im Big Apple noch ein mal das magische Kunststück eines Doubles auf den Center Court zauberten: Weniger, weilSteffi Grafihrer damals einsamen Dominanz ein weiteres Kapitel mit dem 3:6,-7:5,-6:1-Sieg überMartina Navratilovaanfügte. Sondern weil sich eben auch Becker auf den US-Open-Thron hievte,nachdem er in der zweiten Runde bei einem 0:2-Satzrückstand gegen Derrick Rostagno dicht vor dem frühen Turnier-Aus gestanden hatte. Was ihn zum Sieger gemacht hatte, beschrieb Becker mit etwas Distanz zu seinem Triumph so: „Ich habe das Turnier am Anfang gehasst, ich musste es lieben lernen", sagte Becker, „außerdem hat mir mein Trainer Bob Brett klargemacht, dass Tennis harte Arbeit ist. Talent allein reicht nicht aus."
Graf berechenbar, Becker unberechenbar
Grafs Schicksal war schon damals, dass ihre Seriensiege fast nur noch beiläufig gewürdigt wurden, als Selbstverständlichkeit - und dass Schlagzeilenpoeten lieber über die „einsame Steffi" fantasierten, die im Tenniszirkus keine Freundinnen habe. Und eine Gelähmtheit des amerikanischen Publikums beobachteten, das sich nach Action, Spannung, Dramatik sehne, aber eben nicht nach der überperfekten Deutschen, die null Unterhaltungswert liefere. Heute schmunzelt Graf darüber und sagt: „Wie langweilig sind Siege eigentlich?"
Becker spielte in einer anderen Beachtungs-Liga, weil er der Meister der Unberechenbarkeit war - jedenfalls bis zu jenem epischen Jahr 1989, in dem er die beherrschende Figur auf den Center Courts war. Er gewann Wimbledon, er gewann die US Open, und dann führte er Deutschland auch noch zum zweiten Davis-Cup-Sieg hintereinander. Ein erwachsenerer Becker war der beste Becker, den es jemals gab, voll und ganz mit sich im reinen, von keinerlei Ängsten, Sorgen oder Zweifeln geplagt. „1989 war ein besonderes Jahr für mich", sagt Becker im Rückblick, „als Spieler hatte ich ein ganz neues Format. Ich habe Tennis, mein ganzes Profi-Dasein, erst so richtig begriffen."