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US Open: Oscar Otte - ein Spätberufener macht immer öfter von sich reden

Oscar Otte spielt heute (ab 18 Uhr MESZ live bei Eurosport und in unserem Liveticker) um sein erstes Achtelfinale bei einem Grand-Slam-Turnier. Gegner wird der Südtiroler Andreas Seppi sein.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 04.09.2021, 10:17 Uhr

Oscar Otte spielt gerade das beste Major seines Lebens
© Getty Images
Oscar Otte spielt gerade das beste Major seines Lebens

Als Oscar Otte Ende Mai 2019 auf dem Centre Court der French Open gegen Roger Federer vorspielen durfte, wirkte er noch wie ein staunendes Kind, das es in ein Tennis-Wunderland hineingeschleudert hatte. „Total unwirklich“ sei das Ganze, sagte Otte damals, „ich spiele gegen mein eigenes Idol. Gegen jemanden, den ich sonst nur im Fernsehen bewundere.“ Otte schlug sich wacker damals, er verlor zwar in drei Sätzen, zeigte aber sein typisches Spiel voller Courage und Leidenschaft. Man werde noch von Otte hören, gab Federer zum Ende des Tages offiziell zu Protokoll: „Das ist ein Mann mit Mumm.“

Zwei Jahre und drei Monate später ist Otte immer noch ein Pendler zwischen verschiedenen Tennis-Welten. Oft bereist er die Schauplätze der Zweiten oder manchmal auch Dritten Lage, die gleichwohl anspruchsvollen Challenger- und Future-Wettbewerbe. Direkt vor den laufenden Grand Slam-Ausscheidungsspielen im Big Apple war der hochgewachsene Bursche aus der Kölner Südstadt beispielsweise noch beim Chellenger-Turnier im heimatlichen Meerbusch engagiert. 

Otte belohnt sich für die harte Arbeit

Aber immer öfters ist Otte eben auch auf den größten Bühnen zu bestaunen, bei den Majors, die Wert und Bedeutung eines Berufsspielers massiv abbilden. Dort gut abzuschneiden, „das zählt mehr als alles andere“, weiß Otte, der mit einem souveränen Drei-Satz-Erfolg gegen den Amerikaner Denis Kudla am Donnerstag erstmals die Runde der letzten 32 bei einem Grand-Slam-Spektakel erreichte. „Ein brutal schöner Moment“ sei das jetzt, sagt Otte, „der Lohn für all das, was man so investiert hat in den letzten Jahren.“ Ganz nebenbei auch der Lohn für so manchen Verletzungsrückschlag, für längere Auszeiten, in denen er dem Tennisgeschehen nur ohnmächtig zusehen konnte.

Und langsam, aber stetig kämpft sich der Riese nun an die Besten heran, an die Promis der Branche, an die Leistungsträger, an die Leuchtturmspieler. „Ich mnerke, dass ich mich auf diesem Level, auf diesem Terrain immer wohler fühle“, sagt der 28-jährige, der zu den Spätberufenen zählt, die erst mit Mitte Zwanzig oder Ende Dreissig ihr Potenzial so richtig auszuschöpfen beginnen. Otte sieht sich auf gutem Weg, „noch ein paar schöne Jahre“ in der Karawane der Tennisnomaden zu verbringen und einige seiner Träume zu verwirklichen, auch den, „irgendwann mal für Deutschland zuspielen, am liebsten im Davis Cup.“

In Paris gegen Zverev vorne

Als Außenseiter, den es eher mal zufällig ins ganz große Tennis verschlagen hat, sieht ihn trotz Ranglistenplatz 144 jedenfalls keiner mehr. Was vor allem mit zwei bemerkenswerten Grand Slam-Vorstellungen in diesem Jahr zu tun hat. Bei den French Open schien Otte einer der größten Saison-Überraschungen nahe zu sein, als er in der ersten Runde mit 2:0-Sätzen gegen Landsmann und Mitfavorit Alexander Zverev in Führung ging – bevor ihn erst die Kräfte und dann auch die Siegeszuversicht bei der Fünf-Satz-Niederlage verließen. In der zweiten Wimbledon-Runde gegen Schottlands Braveheart Andy Murray lag Otte im Sommer auch mit 2:1-Sätzen in Front, ehe der Kräfteabfall kam. Und mit ihm das Turnier-Aus. Murray rief ihm am Netz keineswegs nur pflichtschuldig zu, er solle einfach nur so weitermachen, dann würden die Ergebnisse schon kommen.

Woran sich Otte auch hielt. Nun steht er nach bereits dramatischen zwei Wochen erstmals in der dritten Major-Runde – obwohl er auf den allerersten US Open-Metern, in der unprätentiösen Bewerbungsphase ohne Zuschauer, gleich mehrfach vor dem Knockout stand. Otte musste sowohl gegen den Argentinier Renzo Olivo wie auch gegen den Franzosen Constant Lestienne in derr Qualifikation Matchbälle abwehren, er kämpfte auch gegen sich selbst, gegen die Übelkeit in drückender Schwüle, er übergab sich in beiden Tennis-Krimis, stand schließlich nach einem weiteren Drei-Satz-Fight in der letzten Runde im Hauptfeld. „Es ist verrückt. Aber ich mag diese umkämpften Matches, dieses Hoch und Runter, diese Gefühlsschwankungen“, sagt Otte, „es ist eine Herausforderung, die ich gern annehme.“

Runde 150.000 Euro hat er schon verdient bei diesen US Open des Jahres 2021, es ist der dickste Preisgeldscheck seiner Karriere. Gegen den ewigen Tennis-Vagabunden Andreas Seppi, den 37-jährigen Südtiroler, könnte noch ein bisschen was an finanzieller Wegzehrung draufkommen. Es könnte auch wieder lang und länger dauern, ein Fünf-Satz-Match gegen Marathonmann Seppi wäre durchaus möglich. „Ich bin auf alles vorbereitet“, sagt Otte, der kölsche Jung, „diese Reise soll noch ein bisschen weitergehen.“

Hier das Einzel-Tableau in New York

von Jörg Allmeroth

Samstag
04.09.2021, 09:55 Uhr
zuletzt bearbeitet: 04.09.2021, 10:17 Uhr