Anna Bartenstein im Interview

Die Grazerin bereut ihre Entscheidung gegen das Profi-Leben und für das College-Tennis keineswegs.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 27.06.2011, 15:44 Uhr

Mehr als vier Jahre ist es her, dass sich Anna Bartenstein über die beschwerlichen Future- und Challenger-Turniere auf die WTA-Tour kämpfen wollte und bis auf Platz 356 kam, ehe ihr Verletzungen einen Strich durch die Rechnung machten und sie sich aufs College-Tennis verlegte. Jetzt tauchte die 23-Jährige bei den Österreichischen Staatsmeisterschaften in Oberpullendorf plötzlich im Raster auf. Die Steirerin schaffte mit einem Erfolg über die heimische Hallenmeisterin von 2007, Magdalena Österle, auf Anhieb die Qualifikation für den Hauptbewerb. tennisnet.com traf Anna und ihren Vater Stefan Bartenstein, Bruder von Ex-Minister Martin Bartenstein, im Burgenland an und unterhielt sich mit ihr über den von ihr eingeschlagenen Weg abseits des Profisports – den sie ganz und gar nicht bereut.

Anna, es ist schon lange her, dass man dich zuletzt bei einem Turnier in Österreich gesehen hat…

Ja, das muss sicher fünf, sechs Jahre her sein. Und ich hab seit vier Jahren nicht mehr auf Sand gespielt, immer nur auf Hardcourt.

Wie hat sich das ergeben, dass du so plötzlich im Raster der Staatsmeisterschaften auftauchst?

Ich bin seit vier Wochen in Österreich, bin diese Woche noch hier, danach zwei Wochen in Spanien und dann geht’s wieder in die USA. Da haben mir die Staatsmeisterschaften genau ins Programm gepasst.

Du hast einst als großes Talent gegolten, warst Ende 2006 mit 18 Jahren die Nummer 356 der Welt. Was ist dann passiert?

Ich hatte viele Verletzungen. Die Schulter, der Rücken, dann auch noch ein Tumor an der Wade, der sich zum Glück als gutartig rausgestellt hat. Dann waren da noch ebenfalls im linken Bein zwei Ermüdungsbrüche. Daraufhin hab ich mich dazu entschieden, College-Tennis zu spielen.

Und das ist so einfach gegangen?

Als Spielerin mit einer solchen Weltranglisten-Position sind da eigentlich viele Unis an mir interessiert gewesen. Es war buchstäblich eine Entscheidung in allerletzter Minute, da ich im Februar 2008 dann 20 geworden bin und kein Turnier mehr spielen durfte, um ins Tennis-Programm noch aufgenommen zu werden. Ich hab mir viele Colleges angeschaut und mich letztendlich für jenes in Miami entschieden.

War’s die richtige Entscheidung?

Absolut. Das College hier zählt zu den besten in den USA und wir haben heuer in der NCAA im Viertelfinale erst gegen den späteren Sieger Florida verloren. Normalerweise würde einen das Semester inklusive Training, Studienkosten, Unterkunft und Verpflegung 50.000 Dollar kosten, ich zahle aber nichts – im Gegenteil, ich bekomme sogar 1500 Dollar, tonnenweise Gewand, wir sind in super Hotels und gehen oftmals sehr gut essen.

Würdest du das auch anderen österreichischen Talenten empfehlen?

Auf jeden Fall, es sollten noch viel mehr Leute zum College-Tennis gehen, auch jene, die es international nicht geschafft haben. Nicht nur wegen der persönlichen Entwicklung, es bietet aus akademischer Sicht tolle Perspektiven und man kann sich mit dem Tennis das Studium finanzieren. Viele starten auch erst danach als Profis so richtig durch. Man ist in den USA als Sportler auf jeden Fall viel angesehener als in Europa, man hat wirklich super Optionen.

Wie sehen deine weiteren Pläne aus?

Ich will im nächsten Jahr zunächst meinen Bachelor in Business machen, das taugt mir echt.

Willst du da etwa in die Fußstapfen deines Onkels, dem Ex-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, treten?

(lacht)Wer weiß? Das weiß ich noch nicht so genau. Ich will dann auf jeden Fall zu einer Top-Uni gehen, dort mal meinen Master machen und arbeiten – so wie’s mein älterer Bruder Christoph gemacht hat. Und ich will vorläufig weiter im Sportbereich bleiben und vielleicht bei Nike oder so arbeiten. Die Uni hat da viele Connections zu solchen Konzernen. Danach gehe ich möglicherweise wieder nach Europa, aber nicht unbedingt nach Österreich, so genau weiß ich das alles noch nicht.

Den Entschluss, deinen Lebensmittelpunkt in die USA zu verlagern, hast du ja schon viel früher getroffen. Wie ist dieser damals zustande gekommen?

Na ja, als ich jung war, ist es mein allergrößtes Ziel gewesen, Tennis-Profi zu werden. Mit 14 hatte ich dann in Österreich nicht mehr viele Möglichkeiten. Also hab ich mich nach den für mich besten Optionen umgesehen.

Was wären denn die Optionen in Österreich gewesen?

Ich hätte am ehesten noch in die Südstadt gehen können, das hat aber auch die Stefanie Rath, die damals ebenfalls ein Talent war, nicht gemacht. Sonst gab es da nicht so viele Optionen.

Also ist die Entscheidung 2003 zu Gunsten der Tennis-Academy von Nick Bollettieri in Boca Raton gefallen…

Ja. Meine Mutter ist damals mitgezogen nach Florida, mein Papa hat weiter in der Steiermark gearbeitet und ist alle vier Wochen hergekommen. Ich bin danach in der Weltrangliste lange zwischen 300 und 400 gestanden, bis die Verletzungen immer mehr geworden sind und ich wollte dann nicht mehr weiter Turniere spielen und auf Tour gehen.

Würdest du das alles im Nachhinein betrachtet wieder so machen?

Ich würde vielleicht nicht unbedingt mit 14 zu Bollettieri gehen. Es war schon gut, ich hatte dort zuerst auch einen Privattrainer, aber ich hätte lieber von Anfang an mit einem Trainer von dort auf Tour gehen sollen, das wäre ideal gewesen. Auf der Anlage sind einfach zu viele Leute, man hat zwar viele gute Sparringpartner, aber zu wenig individuelle Betreuung und zu wenig persönliche Aufmerksamkeit. Ich bereue es deswegen aber nicht, ich hatte dort eine extrem gute Zeit und hab viele Leute kennengelernt.

Nach nunmehr über acht Jahren in Übersee: Was kannst du dem „American way of life“ abgewinnen?

Hier in Miami taugt es mir schon, auch vom Lebensstil her. Aber die Kultur, wie es sie in Österreich gibt, das gibt es hier halt nicht, das geht mir schon oft ab.

Wieviel Zeit bleibt dir neben dem Studium eigentlich fürs Tennis?

Ich trainiere vier Stunden am Tag: eine Stunde Fitness, drei Stunden Tennis.

Also gar nicht so wenig. Was kann man sich dann von dir bei den Staatsmeisterschaften noch erwarten?

Ich kann’s echt nicht sagen. Ich spiele einfach aus Spaß am Tennis mit. Gegen die Top-Leute wie Hofmanova und Schiechtl – vor allem Hofmanova – wird’s wohl schwer. Aber ich schaue einfach von Match zu Match.

Hast du dir bei immer noch vier Stunden Training pro Tag nicht selbst die Frage gestellt, ob du es international noch einmal probieren willst?

Nein, das ist für mich abgehakt. Ich hab mich aufs College-Tennis festgelegt. Und da möchte ich so erfolgreich wie möglich sein.

Tut es weh, dass es mit dem internationalen Durchbruch nicht geklappt hat?

Eigentlich bin ich nicht traurig deswegen. Ein bisschen schade ist es natürlich schon, aber vor allem das ständige Reisen und das Tour-Leben vermisse ich sicher nicht. Ich hab’s ganz gern, so mein Leben zu führen. Und auf der immer verbissener werdenden Tour hatte ich auch nicht so richtig enge Freunde, wie ich sie jetzt durch das College-Tennis hab.(Foto: tennisnet.com/ Manuel Wachta)

Das Gespräch führte Manuel Wachta.

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27.06.2011, 15:44 Uhr