Rainov im Interview
Der Leiter der TWR-Tennisschule im 21. Bezirk Wiens unter anderem über das Besondere an seiner Ausbildungsstätte.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
07.12.2011, 14:23 Uhr

Die tennisnet.com-Jugendserie, Teil 11:tennisnet.com stellt in einer Serie die hoffnungsvollsten österreichischen Nachwuchstalente vor und spricht mit Betreuern und Experten über die rot-weiß-roten Stars von morgen und die Arbeit im Jugendbereich.
Seit 1998 gibt es im 21. Wiener Gemeindebezirk auf der Anlage des TC Marco Polo das TWR-Trainingszentrum. „TWR“ steht für Tenniswerkstatt Rainov, benannt nach dem Bulgaren Ruslan Rainov, der die Tennisschule der besonderen Art mit seinem Landsmann Milen Velev leitet. Im Gespräch mit tennisnet.com gibt er einen Einblick in seine Trainer-Philosophie und verrät, was für ihn das Wichtigste bei einem Tennisspieler ist. Außerdem spricht der ehemalige Profi über die Entwicklung seiner Spieler, etwa die U12-Ranglisten-Erste Mia Cajkovsky, und über den Österreichischen Tennisverband.
Herr Rainov, wie kam Ihnen damals der Einfall, die Akademie zu eröffnen?
Zuerst möchte ich mich gegen die allgemeine Bezeichnung „Akademie“ wehren. Diese Bezeichnung für Tennisausbildungsstätten wird und wurde zu oft missbräuchlich für solche, die es nicht wirklich sind, verwendet. Wir haben bewusst den Namen „Tenniswerkstatt“ gewählt. In einer Werkstatt wird gearbeitet. Das sagt alles. Ich war drei Jahre Verbandstrainer beim Wiener Tennisverband in der Wehlistraße. Es war damals eine tolle Zeit. Als es das dann aber in der von mir gewünschten Form nicht mehr gab, habe ich mich 1998 selbstständig gemacht. Die Idee dazu hatte ich schon immer im Kopf.
Warum gerade beim TC Marco Polo?
Ich kannte die Anlage, da ich dort auch schon Meisterschaft gespielt und auch beim Training ausgeholfen habe. Die Anlage hat alles, was für meine Arbeit notwendig ist. Ich habe dort in Eigenregie eine Staatsliga-Mannschaft aufgestellt und wir haben sogar Superliga gespielt. 2003 haben Milen und ich die U16-Europameisterschaften ohne jegliche Hilfe des Verbandes auf die Beine gestellt, weil es uns wichtig erschien, den Jugendlichen in Österreich nicht nur eine Verdoppelung der Teilnehmer zu ermöglichen, sondern auch allen interessierten Jugendlichen eine Vision zu geben, wieviel es zu tun gibt, um unter die Besten zu kommen. Der TC Marco Polo ist für uns inzwischen so etwas wie eine „Heimstätte“ geworden, weshalb wir uns auch entschlossen haben, die gesamte Outdoor-Anlage mit Frühjahr 2012 in Eigenregie zu betreiben. Wir können damit noch mehr „Platzfreiheit“ für unsere Spieler verwirklichen.
Warum hat es Sie in den 90er-Jahren überhaupt nach Wien verschlagen?
Ich war neben dem Wirtschaftsstudium selbst noch aktiver Profi-Spieler und habe aus finanziellen Gründen viele Preisgeldturniere in Deutschland und Frankreich gespielt und eben auch Staatsliga beim Wiener Park Club. Da bekam ich das Angebot, WTV-Verbandstrainer zu werden. Das habe ich drei Jahre gemacht und wurde überwiegend als Touring-Coach für ATP- und WTA-Spieler eingesetzt. Es war alles super organisiert und hat einen Riesenspaß gemacht, aber irgendwann hat sich das eben aufgelöst.
Hatten Sie schon immer den Traum, Trainer zu werden?
Das hat sich einfach so ergeben. Als ich damit angefangen habe, war ich ja noch jung und habe selbst noch aktiv gespielt. Mit der Zeit hatte ich aber immer mehr das Bedürfnis, das angesammelte Wissen weiterzugeben. Ich habe auch schon in Bulgarien mit Top-Spielerinnen wie Magdalena Maleeva und Lubomira Bacheva gearbeitet. Lubomira hat später auch bei uns Wien trainiert und ich habe sie auf der Tour betreut, u.a. zwei Mal in Roland Garros, meinem Lieblingsturnier.
Wie viele Spieler trainieren in Ihrer „Werkstatt“?
Insgesamt sind es circa 30 Spieler. Dazu kommen noch Kindergruppen unter zehn Jahren, die mit unserem Kindertrainer Stefan Herzog arbeiten. Wir wollen nicht zu groß werden, weil wir das Gefühl haben, dass wir die von uns gewünschte Qualität dann nicht erreichen können.
Welche Ziele haben Sie denn?
Wir haben kurzfristige, mittelfristige und langfristige Ziele. Deswegen versuchen wir auf diesem Weg, so gut es uns gelingt, Spieler zu selektieren, um unser Hauptziel zu erreichen. Es geht uns darum, die Spieler so auszubilden, so dass sie, wenn sie erwachsen sind, in den Profisport einsteigen können. Das ist ein langer und schwerer Weg, den man nur schafft, wenn man sich auch als Mensch gut entwickelt. In der heutigen Zeit ist das meiner Meinung nach letztendlich entscheidend, ob der Spieler Weltklasse-Niveau erreicht oder nicht. Du hast am Ende nur Erfolg, wenn du auch eine gewisse Art von Intelligenz entwickelt hast.
Hat die Trennung von Jurij Rodionov, der ja die Nummer 1 in der österreichischen U12-Rangliste war, etwas damit zu tun?
Jurij ist ein sehr talentiertes Kind. Er hat eine natürliche spielerische Intelligenz und hat sich eigentlich auch toll entwickelt. Wir haben ihm auch beigebracht, offensiver zu agieren, was damals nicht sein Spiel war. Das hat ihn weiter nach vorne gebracht. Dann ist es aber zu einem disziplinarischen Problem gekommen, auf das ich jetzt nicht näher eingehen will.
Wie ging es dann weiter?
Milen und ich haben ein Gespräch mit Jurij und seinen Eltern geführt. Wir geben unsere Kinder nicht so leicht auf. Dabei hat sich aber herausgestellt, dass die Familie die Fehler nicht einsieht und wir mussten uns von Jurij trennen. Wie ich schon vorher gesagt habe, sind für uns die langfristigen Ziele wichtig. Wenn man Profi werden will, muss jede Kleinigkeit passen, und wenn die Eltern nicht voll mit uns mitziehen, ist das ein großes Handicap.
War das damals auch das Problem bei Denise Maxl? Würden Sie sich als strenger Trainer beschreiben oder geht es einfach um die Philosophie?
Nein, es ging um ähnliche Probleme. Denise ist ein tolles Mädchen. Sie hat bei uns angefangen und auch super Erfolge gefeiert, aber dann hat sie einen anderen Weg genommen. Die Kommunikation mit der Familie Maxl war nicht so, wie wir uns das gewünscht haben. Sie konnten unsere Vorstellungen nicht erfüllen und so haben sich unsere Wege getrennt. Ich wünsche Denise aber weiterhin viel Glück. Vielleicht schafft sie es ja noch.
Würden Sie diese Philosophie, die Spieler auch zu guten Menschen zu erziehen, als das Besondere an ihrer Ausbildungsstätte beschreiben?
Genau so ist es. Wir wollen unseren Spielern auch helfen, eine sportliche Persönlichkeit zu entwickeln. Das haben Sie übrigens super erkannt, denn das ist meiner Meinung nach genau das Problem in Österreich. Es gibt in diesem Land einige gute Spieler, aber viele davon haben sich nicht in diese Richtung entwickelt. Man kann nicht mit Scheuklappen durch die Welt marschieren. Man muss sich auch an den Entwicklungen im Ausland orientieren. Wir geben den Spielern viel mehr als nur eine Tennis-Ausbildung. Bei uns geht es auch um die Entwicklung als Mensch. Das bedeutet zwar eine Menge an Aufwand, aber die Belohnung ist riesig, denn so hat man am Ende einen selbstverantwortlichen und kompletten Spieler. Wir haben zum Beispiel mit Gibril Diarra einen tollen Profi bei uns. Er hat unser Prinzip begriffen und sich super entwickelt, ebenso wie Tihomir Grozdanov.
Würden Sie sonst noch jemanden hervorheben wollen?
Wenn man das jetzt machen will, ist es sicher unsere Gruppe zwischen zehn und zwölf Jahren. Von dieser Generation bin ich echt begeistert. Die spielen wirklich richtig gut. Da gibt es Martin Vondrak und Andreas Kramer, das sind wirklich außergewöhnliche Talente oder auch Mia Cajkovsky. Aber das ist nicht alles. Wir haben eine Gruppe von zwölf bis 15 SpielerInnen im Alter von zehn bis zwölf Jahren, von denen jeder auf Basis des derzeitigen Könnens und der zu erwartenden Entwicklung sehr weit kommen kann. Wir sehen das täglich im Training. Einmal ist der eine weiter vorne, dann der andere. Es gibt eine freundschaftliche, aber dennoch ehrgeizige Atmosphäre, einfach eine nahezu tägliche gesunde Konkurrenz.
Wie ist eigentlich Ihr Verhältnis zum Verband? Werden Sie da unterstützt?
Nein, es gibt keine Unterstützung für uns. Ich denke, der Österreichische Verband hat Strukturen wie unsere nicht vorgesehen. Vielleicht sehen sie uns als Konkurrenz zur Südstadt. Es gibt aber eine Sache, die mich wirklich enorm aufregt. Die ist bei uns passiert und kommt, wie ich gehört habe, auch generell sehr häufig vor. Wir halten es für sehr wichtig, dass Spieler, Trainer, Eltern ein enges, vertrauensvolles Verhältnis haben. Die Aufgaben sind sonst nicht zu bewerkstelligen. Wir haben mit nahezu allen Eltern dieses Verhältnis durch unsere Arbeit geschaffen. Es ist für die Eltern und auch für uns unangenehm und störend, wenn sie immer wieder vom Verband direkt ohne Einbeziehung des persönlichen Trainers mit undurchschaubaren „Angeboten“, die letztlich keine sind, aber Eingriffe in die Planung wären, angesprochen werden. Das finde ich unsportlich und unprofessionell, da vom Verband autorisierte Personen um diese Zusammenhänge wissen müssten. Das betraf keinesfalls Gilbert Schaller. Er ist ein Mensch, mit dem ich immer gut reden konnte und zu dem ich einen guten Draht habe. Er hat unsere Arbeit geschätzt und wir hatten in ihm einen qualifizierten Ansprechpartner und zumindest keine Nachteile.
Wie sehen Sie die Neubesetzung von Clemens Trimmel?
Ich kann dazu noch keine Meinung haben. Er ist gerne eingeladen, sich unsere Arbeit anzusehen und daraus seine Schlüsse in Richtung Zusammenarbeit zu entwickeln. Generell verstehe ich nicht, wieso Verbandsarbeit so selten hinterfragt wird. Spieler verschwinden einfach oder scheitern. Ich war so viel auf Turnieren unterwegs in den letzten Jahren und kenne nahezu alle guten österreichischen Spieler der Jahrgänge 1983 bis 2000. Es können Fehler passieren und ich will jetzt auch keine Namen nennen, aber man muss sich schon die Frage stellen, was mit einigen dieser teils vielversprechenden Spieler geschehen ist und vor allem nach dem WARUM fragen. Wenn man gute Entscheidungen trifft, gewinnt man, bei schlechten Entscheidungen verliert man.(Foto: Tenniswerkstatt Rainov)
Das Gespräch führte Christian Storhas.