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Andy Murray – Zweiter Wimbledontitel und bald die Nummer 1?

Nach dem erneuten Triumphlauf in Wimbledon wird Andy Murray als einer der größten Sportler in Großbritannien.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 11.07.2016, 08:12 Uhr

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LONDON, ENGLAND - JULY 10: Andy Murray of Great Britain kisses the trophy following victory in the Men's Singles Final against Milos Raonic of Canada on day thirteen of the Wimbledon Lawn Tennis Championships at the All England Lawn Tennis and Croqu...

Von Jörg Allmeroth aus London

Am Sonntagabend, Schlag 18:05 Uhr, war ein kleines Wimbledon-Wunder zu bestaunen.Es war nicht etwa der formidable zweite Pokaltriumph vonAndy Murrayim Grand-Slam-Paradies an der Church, ganz gar und nicht, der war mit mustergültiger Souveränität des Favoriten durchgespielt. Nein, es handelte sich um Ivan Lendl, den leicht verschrobenen Coach Murrays – denn der tat etwas, was nicht gerade zu seinem Kerngeschäft zählt. Er zeigte Gefühl, er zeigte Emotionen. Er klatschte Beifall, er lächelte, und seine Augen schimmerten verdächtig feucht in diesem großen Moment. Dem Moment, in dem sie beide, Murray und eben Lendl, auf den Königsthron im All England Lawn Tennis Club stiegen. „Keiner hat es sich mehr verdient als Andy“, sagte Lendl später, als er zum ersten Mal nach zwei Wochen selbst auferlegtem Schweigegelübde ein paar einschätzende Worte ans Pressevolk richtete, „er ist der härteste Malocher, den ich je erlebt habe.“ Und dabei schloss er auch sich selbst ein, Lendl, den Mann, der im Welttennis Mitte der 80er-Jahre ein neues Arbeitsethos etabliert hatte.

Lendl als große Stütze

Den Lohn der gemeinsamen Kraftanstrengung erntete das wiedervereinigte Duo auf Anhieb auf der Hauptbühne dieses Sports – auf der Grün-Anlage im Südwesten Londons, auf dem mythischen Centre Court. Dort, wo fast jeder der Weltklassespieler mit einem der sogenannten „Supercoaches“ aufmarschiert war, selbst Murrays Finalgegner Milas Raonic mit einem Berater namens John McEnroe, dort triumphierten schließlich Murray und Lendl. „Ivan ist die große Stütze für mich. Er ist der schärfste Kritiker, aber auch jemand, der Selbstsicherheit weitergibt“, sagte Murray über den gemütsarmen Stoiker, der selbst in aufwühlendsten Duellsituationen auf dem Spielplatz nie die Miene verzieht.

Tatsächlich gab Lendl dem Schotten neuen Halt in kritischer Lage, denn nach den beiden verlorenen Grand-Slam-Finals in Australien und Frankreich war Murrays Wimbledon-Mission in eine Notsituation geraten. Er brauchte mehr Autorität in seinem Team, eine Respektsperson, einen, dem er kompromisslos Vertrauen schenkt – und das konnte kein anderer sein als der Mann, der ihn schon zur historischen Rasenmeisterschaft des Jahres 2013 geführt hatte, Lendl eben. „Gerade im Endspiel konnte man sehen, wie frei Andy aufgespielt hat. Das ist auch Lendls Verdienst, er ist eine große Stütze. Einer, der Andy dazu bringt, seine Potenziale auszuschöpfen“, sagte Tim Henman, Britanniens frühere Nummer eins.

Legt Murray jetzt erst richtig los?

Anderntags, nach dem brillanten Auftritt auf der Centre-Court-Bühne, konnten Murray und sein Lager erst mal in aller Gelassenheit die Huldigungen der Blätter auf der Insel entgegennehmen. „Zuletzt ein Grund zur Freude für die ganze Nation“, titelte der „Telegraph“ mit Anspielung auf das Brexit-Chaos und den verregneten Sommer. „Magischer Murray“ hieß es im „Daily Mirror“, und das Leitorgan „Times“ erhob den Titel-Helden schon jetzt „zu einem der größten Sportler in der Geschichte des Landes.“ Dabei könnte für Murray das Beste erst noch kommen, das Glück, die sportliche Erfüllung der späten Jahre, ähnlich wie bei Frauensiegerin Serena Williams. „Dieser zweite Titel ist eine große Selbstbestätigung, aber auch eine Riesenerleichterung für Murray“, sagte Australiens Altmeister Pat Cash, „ich habe das Gefühl, er wird jetzt erst richtig loslegen.“

Tatsächlich wird spannend zu sehen sein, wie sich die Machtverhältnisse nach einem bemerkenswerten Wimbledon-Turnier demnächst und in weiterer Zukunft anordnen. Denn Murray war der mit Abstand Stärkste bei Ausscheidungsspielen, bei denenNovak Djokovicnach der erfolgreichen Grand-Slam-Tour der letzten Monate und Jahre ausgelaugt wirkte. Bei denen „Maestro“Roger Federerauf der Jagd nach dem letzten großen, dem 18. Majortitel seine Chance zuletzt liegen ließ. Und bei denen der frühere MatadorRafael Nadalwieder einmal verletzt fehlte. „Murray kann durchaus bald die Nummer eins werden“, sagte Legende Björn Borg da, auch er ein Ehrengast am Finaltag, mittendrin im Aufmarsch der Prominenz.

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11.07.2016, 08:12 Uhr