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Die Rückkehr des Herrn der Asse – Goran Ivanisevic als Trainer

Goran Ivanisevic ist in Wimbledon zurück an seiner großen Erfolgsstätte – an der Seite seines Landsmannes Marin Cilic.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 01.07.2014, 11:03 Uhr

Von Jörg Allmeroth aus Wimbledon

Es ist eines der Bilder, die sich ins kollektive Wimbledon-Gedächtnis eingebrannt haben. Das Bild, wie Goran Ivanisevic nach dem allerletzten Spiel seiner Karriere auf dem Centre Court endlich auch die strenge Kleiderordnung und Etikette hinter sich ließ. An diesem 25. Juni 2004, vor ziemlich genau zehn Jahren also, ging der größte Überraschungssieger aller Zeiten mit einem Nummer zehn-Trikot der kroatischen Fußball-Nationalmannschaft vom Tennis-Grün. Feuchte Augen hatte er, der Mann, der anderthalb Jahrzehnte seinen Sport als unberechenbarer, charismatischer, niemals langweiliger Hauptdarsteller mitgeprägt hatte. „Auf diesem Platz wollte ich unbedingt aufhören. Dafür habe ich gekämpft", sagte Ivanisevic damals, nach einer Drei-Satz-Niederlage gegen einen anderen Ex-Champion, den AustralierLleyton Hewitt.

Cilic, der feinste und ehrlichste Kerl

Hewitt fegt noch immer über die Centre Court des Wanderzirkus, und auch Ivanisevic, der schon damals vermutet hatte, nie „so ganz vom Tennis loslassen zu können", ist nun wieder da - als Cheftrainer des Kroaten Marin Cilic, des Spielers, der am Mittwochnachmittag in London SW 19 antreten will, umNovak Djokovicim Viertelfinale zu stürzen. Kurios, aber wahr: Alle sprechen sie in der Branche über die Beckers, Edbergs und Changs, über die Legenden von damals an der Seite der Besten von heute, doch der schillernde Star Ivanisevic, der Wildcard-Wimbledonsieger von 2001, ist in seiner neuen Rolle als Coach bisher noch fast komplett unter dem Radar der öffentlichen Beachtung und Beobachtung weggetaucht. „Ich brauche keine Schlagzeilen, ich will Erfolge mit Cilic", sagt der 42-jährige Ivanisevic, der als Übungsleiter bei Cilic zwar auch den emotionalen Einpeitscher gibt, die antreibende Kraft. Der aber auch Ruhe, Gelassenheit und Gleichmut ausstrahlt, wenn die Situation es erfordert. Noch lerne er „jeden Tag als Trainer", sagt Ivanisevic, „es ist spannend, Tennis aus dieser Perspektive zu erleben."

Ivanisevic hatte eine heikle Aufgabe bei einem niedergeschlagenen Cilic übernommen, als der nach einer Dopingsperre wieder verlorengegangenen Boden in der Tennis-Hierarchie gutmachen wollte. Cilics Strafe wegen eines verbotenerweise eingenommenen Stimulanzmittels war zwar vom Internationalen Sportgerichtshof CAS auf vier Monate reduziert worden, doch habe er seine Arbeit Anfang dieser Saison auf einem „Scherbenhaufen" begonnen, sagt Ivanisevic: „Der Bursche war mit den Nerven fertig. Weil er sicher ist, dass man ihm großes Unrecht angetan hat." Cilic hatte vor einem Jahr in Wimbledon von dem positiven Test erfahren und war dann mit einer vorgeschobenen Verletzung nicht mehr zu seinem Zweitrundenspiel -er hatte später stets argumentiert, das nachgewiesene Aufputschsubstanz habe sich in Glukosetabletten befunden. Ivanisevic glaubt ihm das auch bedingungslos: „Ich bin für drakonische Strafen gegen Betrüger. Aber Marin ist der feinste, ehrlichste Kerl, den man sich vorstellen kann. Du kannst nicht alle Leute in einen Verbrechertopf werfen."

Mehr Aggressivität von Cilic gefordert

Mit Ivanisevics Hilfe machte sich der 25-Jährige jedenfalls auf die schwere Comeback-Mission, auch durchdrungen von einer neuen Reife und Ernsthaftigkeit. Und motiviert von der Dringlichkeit, keine Zeit mehr in seiner Karriere verschwenden zu können: „Tennis schätze ich jetzt mehr als jemals zuvor. Einfach, weil ich weiß, wie es sich anfühlt, nicht auf dem Platz stehen zu dürfen. Ich gebe in jedem Spiel noch ein paar Prozent mehr." Ivanisevic sagt, er habe nie so intensiv gearbeitet wie sein Schützling in diesen Tagen: „Er zerreißt sich für den Erfolg, er will nachholen, was er früher auch verschlampt hat. Er hätte längst einen Grand Slam gewinnen müssen." Was Ivanisevic seinem Partner allerdings gleich abgewöhnt hat, ist die allzu große Nettigkeit in den großen Duellen auf dem Centre Court: „Du musst auch deine Zähne zeigen, du musst eine Aggressivität da draußen ausstrahlen", sagt der Altmeister, „freundlich und brav sein kannst du, wenn das Spiel vorbei ist."

Erinnert das nicht an einen gewissen Mann, der König im verrückten Wimbledon-Jahrgang 2001 wurde - an das Leben und Siegen von Goran Ivanisevic höchstselbst. Noch ehe er nach drei verlorenen Finals (1992, 1994, 1998) als eine der tragischsten Figuren in die Geschichte der Offenen Englischen Meisterschaften eingehen konnte, war er, der Fast-Rentner aus Split, mit einer Wildcard zu einem Triumph gestürmt, der selbst die ausgeschlafensten Experten voller Unglauben zurückließ. Im Jahr seines kuriosen Wimbledon-Sieges spiegelte sich der exzentrische Star selbst mit dem prägnanten Gleichnis der drei Gorans: Des guten Gorans, des bösen Gorans und des Gorans, der mühsam zwischen den beiden Extrem-Gorans vermittelt. Nun ist ein vierter Goran hinzugekommen: Goran, der Trainer. Einer, der heute in einem Stellvertreterkampf auch wieder gegen den alten Rivalen Becker kämpft. Den Trainer von Novak Djokovic. „Es ist fantastisch, die alten Gesichter wiederzusehen", sagt Ivanisevic, „aber am Mittwoch steht die Freundschaft mit Boris für ein paar Stunden still."

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Dienstag
01.07.2014, 11:03 Uhr