tennisnet.comATP › Grand Slam › Wimbledon

Wimbledon: „Für Tennisfans wie mich ist die Queue perfekt!“

Wie lebt sich’s eigentlich in der berühmten Wimbledon-Queue? Wir haben bei Catherine nachgefragt, die seit Jahren immer wieder nach Wimbledon reist und "schlangesteht".

von Florian Goosmann aus Wimbledon
zuletzt bearbeitet: 16.07.2023, 13:23 Uhr

Catherine, du hast die gesamte erste Woche immer wieder in der Wimbledon-Queue verbracht. Wir stehen nun auf der Anlage in Wimbledon – wo hast du dein Zelt gelassen?

Das habe ich abgegeben, bei der Gepäckaufbewahrung. Man gibt es morgens ab und holt es abends wieder. Kostet etwas Geld, aber das ist für einen guten Zweck./

Nimm uns mal mit: Welche Art von Tickets kann man über die Queue erwerben?

Es hängt davon ab, wie früh man dran ist. Die ersten 500 Leute in der Queue können Tickets für den Centre Court kaufen, die nächsten 500 für Court 1, wiederum die nächsten 500 für Court 2. Alle anderen können „Ground Tickets“ kaufen, für die Nebenplätze.

Von 15.000 Menschen, die auf den Centre Court passen, kommen also nur 500 über die Queue drauf?

So ist es. Alle anderen Tickets werden im Vorfeld an „Debenture Holders“ ausgegeben, die extrem viel Geld für einen Platz zahlen und auch Zugang zu den Lounges haben. Außerdem gehen Tickets an Tennisclubs und Verbände. Zudem gibt es eine Verlosung, die sogenannte Ballot.

Du hast mir eben erzählt, dass du großer Andy-Murray-Fan bist und deine Woche quasi nach seinen Spielen ausgerichtet hast.

(lacht) Ja, ich verfolge ihn schon seit 18 Jahren, seit er 2005 angefangen hat. Ich reise, um ihn zu sehen. Ich habe selbst einen schwierigen Charakter auf dem Platz, wie er. Er ist nie mit sich zufrieden, will immer mehr. Wenn man ihn nicht kennt, kommt er vielleicht schroff rüber. Aber ich liebe seinen Humor. Ich kenne ihn mittlerweile auch, sein Team ebenso. Er ist ein super-lieber Kerl.

Da du speziell seine Spiele schauen wolltest: Wie bist du vorgegangen? Zum Beispiel am Dienstagabend, nachdem du von seinem ersten Match zurück in die Queue gegangen bist.

Am Dienstagabend habe ich zunächst eine Queue-Card für den Mittwoch bekommen – mit einer bestimmten Nummer, die für den Mittwoch vielleicht für Court 1, Court 2 oder für einen „Ground Pass“ gereicht hätte. Ich wollte aber erst am Donnerstag wieder zu Murray. Am Mittwochmorgen wurde neu sortiert: Man konnte sein Ticket für den Mittwoch aufgeben und eines für den Donnerstag bekommen, mit einer viel niedrigeren Nummer, einer bis 500. Das hat dann für den Centre Court am Donnerstag gereicht.

Dann musst du aber erst mal den ganzen Tag in der Queue warten. Darf man sie auch mal verlassen?

Ja – für maximal 30 Minuten. In der Theorie, denn das reicht kaum, um Essen zu kaufen oder zu duschen. Es finden auch Kontrollen statt, aber nicht ständig. Den ganzen Tag darf man aber nicht weg. Das haben dieser Tage ein paar Leute gemacht, sie wurden des Feldes verwiesen.

Wo geht man eigentlich hin, wenn man mal duschen will?

Früher gab es im Wimbledon Park einen Segelclub, den ein älterer Mann immer um 4 Uhr geöffnet hat. Man hat ihm fünf Pfund gegeben und konnte die Duschen nutzen. Aber der Mann ist seit Jahren nicht mehr da. Vielleicht war das nicht erlaubt und er ist aufgeflogen. Viele gehen nun in ein Schwimmbad in der Nähe: Sie zahlen den Eintritt, duschen und kommen zurück in die Queue. Manche buchen ein Airbnb, das sie nur zum Duschen und Umziehen aufsuchen. Wir haben noch eine Möglichkeit, aber die kann ich leider nicht preisgeben, sonst machen das zu viele und wir haben dort keinen Platz mehr (lacht).

Und wie kommt ihr an Essen?

Auch das hat sich geändert. Früher gab es auch etwas zum Frühstück zu kaufen, mittlerweile stehen aber nur noch Burger- und Pizza-Stände hier. Burger und Fritten um 6 Uhr morgens? Nun ja. Wir gehen eher nach Southfields, dort gibt es einige Läden. Oder wir bestellen und holen es an der Straße ab. Die Restaurants wissen das, verteilen ihre Speisekarten in der Queue. Oder wir gehen in einen Supermarkt in der Nähe.

Du sagst „Wir“: Du bist also mit Freunden hier?

Mit Leuten, die ich über die Queue kennengelernt habe. Wir treffen uns jedes Jahr, versuchen nah beieinander zu sein. Und passen auf die Sachen der anderen auf, wenn einer mal die Schlange verlässt.

Wie vertreibt ihr euch die Zeit an Tagen, an denen ihr wartet?

Man wird ja täglich um 5 Uhr geweckt, weil die Queue neu angeordnet wird. Bis wir wieder am Platz sind, ist es schnell 9 oder 10 Uhr. Dann gehen wir Frühstück holen. Tagsüber versucht man auch mal zu schlafen – klappt aber nicht immer. Wenn Fußball-Weltmeisterschaften sind, ist es immer am lustigsten. Einer holt sein Handy raus und 30 Leute stehen um ihn herum und schauen Fußball. Nur WLAN könnten sie mal zur Verfügung stellen oder Ladestationen für Handys. Ansonsten ist aber immer etwas los. Mit einer Freundin habe ich festgestellt: Wir nehmen jedes Jahr ein Buch mit und lesen keine einzige Seite darin. Wir sitzen auch abends zusammen, trinken und essen etwas. Irgendwann ist man dann auch platt.

Kann man in der Queue auch Tennis schauen?

Wir schauen am Handy oder Laptop. Vielleicht stellt noch jemand seinen Camping-Tisch auf, da versammeln wir uns. Es wäre natürlich schön, eine Leinwand zu haben. Aber man hat das Gefühl: Es ist nicht gewollt, dass wir’s zu gemütlich haben. Das ist zumindest der Eindruck der letzten zwei Jahre.

Wie kommst du darauf?

Nach der Pandemie haben sich einige Sachen verändert. Ticketmaster hat den Verkauf übernommen, auch den vor Ort. Es ist chaotischer geworden. Früher durfte man beim Ticketkauf sagen, welche Plätze auf den einzelnen Courts man gerne haben wollte. Mittlerweile wird das zugeordnet. Am ersten Montag war es sehr chaotisch. Man muss ohnehin morgens früh von der Queue weg, da startet der langsame Marsch zur Anlage. Vor 9.30 Uhr aber kann man kein Ticket kaufen. Erst um 10 Uhr wird die Anlage geöffnet. Man muss dann durch die Security. Am Montag sind die Ticketkäufer für Court 1 erst um 12 Uhr reingekommen, der Rest noch viel später. Weil die Kontrollen so chaotisch waren. Früher war das besser.

Hat sich die Queue in den letzten Jahren auch sonst verändert – ist beispielsweise weniger los, seit Roger Federer nicht mehr spielt?

Im vergangenen Jahr war es extrem ruhig. Eigentlich war das schön. Vielleicht wegen Federer? Oder Corona? Vielleicht auch aufgrund der gestiegenen Lebenskosten? Wir wissen es nicht. Aber die Tickets sind in den vergangenen Jahren auch teurer geworden. Für den Montag der zweiten Woche beispielsweise hat man vor zehn Jahren noch 86 Pfund gezahlt, in diesem Jahr sind es mindestens 140 Pfund. In diesem Jahr war dennoch wieder mehr los.

Wenn du es dir aussuchen könntest: Würdest du lieber Tickets im Vorfeld kaufen, wie für die anderen Grand-Slam-Turniere – oder findest du die Queue gut?

Die Queue ist toll! Weil man auswählen kann, welchen Platz man haben will, welche Spielerin oder welchen Spieler man sehen will. Bei anderen Turnieren kauft man Monate im Voraus sein Ticket, ohne zu wissen, wer wann spielt. Für Fans wie mich ist die Queue perfekt!

Catherine, vielen Dank für das Gespräch!

Offizielle Infos zur Queue findet ihr hier!

Verpasse keine News!
Aktiviere die Benachrichtigungen:
Federer Roger
Murray Andy

von Florian Goosmann aus Wimbledon

Dienstag
11.07.2023, 12:03 Uhr
zuletzt bearbeitet: 16.07.2023, 13:23 Uhr

Verpasse keine News!
Aktiviere die Benachrichtigungen:
Federer Roger
Murray Andy