„Ich wollte dir nie wehtun“ – Vater von Timea Bacsinszky schreibt offenen Brief
Der Vater von Timea Bacsinszky wendet sich in einem offenen Brief an seine Tochter und bittet um Verzeihung.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
17.08.2015, 15:41 Uhr

Seit mittlerweile zehn Jahren pflegt Timea Bacsinszky keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater Igor, der ihr nach eigenen Angaben die Kindheit und Jugend gestohlen hat. Mittlerweile ist die 26-jährige Schweizerin zu einer selbstsicheren Frau herangereift und spielt, nachdem sie die Profikarriere kurzzeitig beendet hatte, die Saison ihres Lebens. Bacsinszky hat sich in diesem Jahr unter anderem dank der Turniersiege in Acapulco und Monterrey sowie der Halbfinal-Teilnahme bei den French Open bis auf Platz 14 im WTA-Ranking vorgespielt. In der Jahresweltrangliste belegt sie derzeit sogar Platz zehn.
Im Frühjahr dieses Jahres sprach Bacsinszky in der „L’Équipe“ über ihr Seelenleben und ließ kein gutes Haar an ihrem Vater, den sie als „Zuchttier, das mich in einen Käfig steckte“, bezeichnete.„Mein Vater hat sich nie um mich gekümmert, außer auf dem Tennisplatz. Ich hatte keinen Vater. Ich sehe ihn nicht mehr und spreche nicht mehr mit ihm. So wird es auch bis zum Ende bleiben“, erklärte die Schweizerin. Bacsinszkys Vater Igor will das jedoch nicht wahrhaben und wendet sich in einem offenen Brief in der Zeitung „SonntagsBlick“ an seine Tochter und bittet um Verzeihung.
Hier ein paar Auszüge aus dem offenen Brief von Igor Bacsinszky.
Igor Bacsinszky über angebliche körperliche und psychologische Gewalt.
„Wenn ich dich geschlagen oder geohrfeigt hätte, hätten die Zeitungen das schon längst publik gemacht. Ich bin laut geworden, wenn du einen Fehler gemacht hast? Stimmt, denn die beiden Grundlinien sind weit voneinander entfernt, und manchmal musste man einfach schreien, um gehört zu werden. Erinnerst Du Dich daran, als wir zum ersten MalMartina Hingisund ihre Mutter bei Nick Bollettieri getroffen haben? Du warst überrascht, denn diese Mutter schrie wirklich. Sie brüllte ihre Tochter auf Slowakisch an... Vielleicht ist das ihr Geheimnis und der Grund, warum Martina so viel Erfolg hatte?“
Igor Bacsinszky über Alexandre Ahr, den er früher trainierte und nun seit einigen Jahren der Manager von Timea ist.
„War er es vielleicht, der dich dazu gebracht hat, so von deiner Kindheit, deiner Jugend und über mich zu sprechen?“
Igor Bacsinszky über das Erbringen von Opfern.
„Weißt du, Timea, meiner Meinung nach bringen alle Eltern Opfer für ihre Kinder. Auch deine Mutter und ich haben Opfer für dich gebracht, und auch du machst Tag für Tag Zugeständnisse, sonst hättest du kein Ziel im Leben. Du behauptest, dass ich meine eigenen Träume durch dich verwirklichen wollte? In gewisser Weise stimmt das sicher, aber ich glaube, dass jedes Elternteil seinen Kindern das Bestmögliche bieten möchte. Du hattest alle Kompetenzen und das Talent, um Erfolg zu haben und dorthin zu gelangen, wo du heute bist.“
Igor Bacsinszky über die familiären Finanzen.
„Nein, ich habe dein Geld nie angerührt, wir haben immer alles zur Bank gebracht. Mit 18 Jahren warst du die Einzige, die Zugriff auf die im Lauf der Jahre bei verschiedenen Tennisturnieren gewonnenen 130.000 Franken hatte.“
Igor Bacsinszky über eigene Fehler.
„Selbst heute fiebere ich immer mit. Ich schaue mir alle deine Spiele im Fernsehen an oder verfolge sie auf der Anzeigetafel. Ganz gleich, ob du gewinnst oder verlierst, ich sende dir jedes Mal eine kleine Nachricht. Ebenso an Weihnachten und zu deinem Geburtstag. Ich bekomme nie eine Antwort... und erwarte schon gar keine mehr. Genau das passiert, wenn eine Mutter ihr Kind nicht erzieht, sondern es im Jugendalter – der heikelsten Zeit seines Lebens – tun und machen lässt, was es will. Aber auch ich habe Fehler gemacht. Ich wollte dir nie wehtun, aber vielleicht war ich für dich mehr Trainer als Vater. Es ist mir leider nicht gelungen, ein Gleichgewicht zwischen konsequenter Sporterziehung und flexibler, liebevoller Vaterrolle zu finden – denn die Beziehung zwischen Vater und Tochter bzw. diejenige zwischen Trainer und Spielerin dürfen auf keinen Fall miteinander vermischt werden.“
Igor Bacsinszky bittet um Verzeihung.
„Ich bitte dich um Verzeihung, wenn ich nicht der Vater war, den du dir gewünscht hättest. Leider kann die verlorene Zeit nicht mehr aufgeholt werden, aber ich weiß, dass ich all das, was ich für dich getan habe, aus väterlicher Zuneigung getan habe. Und was deine Erziehung betrifft, daran war ich nicht allein beteiligt. Meine Tür steht dir jederzeit offen. Ich warte auf dich... Dein dich liebender Vater.“
Hier könnt ihr den kompletten Brief von Igor Bacsinszky an seine Tochter Timea lesen.
(Text und Zusammenfassung: cab)