WTA- und ATP-Tour - Lohnende Pausen täten gut
Die WTA Finals in Shenzhen, aber auch das ATP-Masters-1000-Turnier in Paris-Bercy waren geprägt von Aufgaben prominenter Teilnehmer. Wieder einmal ein Zeichen dafür, dass der Turnierkalender zu dicht angelegt ist.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
04.11.2019, 13:16 Uhr

Tennislegende Billie Jean King hat neben den obligatorischen Glückwünschen für Ash Barty zum WM-Titel natürlich nicht einen historischen Umstand vergessen. Am Sonntag twitterte die Begründerin des modernen Profitennis der Frauen, dass der größte Preisscheck in der Geschichte dieses Sports nun in Shenzhen an eine junge Australierin übergeben werde. Allerdings fehlte schon eine gewisse Einordnung dieses Vorgangs. Denn die gigantischen Summen, die bei diesem Jahresabschlussturnier verteilt wurden, kommen aus chinesischen Geldtöpfen, letzten Endes aus staatlicher Subvention. Welche Erwartungen sich mit dieser inflationären Entwicklung der Siegerschecks und des Preisgeldes verbinden, liegt zwar einerseits auf der Hand, softes Standortmarketing, Träume von einer sportlichen Event-Supermacht, Motivation von Talenten vielleicht.
Andererseits ist das Ergebnis der Bemühungen eher ernüchternd. Bei vielen Turnieren der letzten Wochen in China, auch noch einmal bei diesem WM-Turnier, blieben viele Plätze frei. Das Interesse der Chinesinnen und Chinesen hielt sich eher in Grenzen – sieht man einmal vom Masters-Turnier in Schanghai ab, bei dem die männliche Elite um den auch in China gefeierten Roger Federer aufschlug. Der chinesische Markt bleibt problematisch für beide Tourorganisationen, trotz aller Anstrengungen der letzten Jahre, trotz Eröffnung diverser Büros im Milliardenreich. Und auch dies ist wahr: Hört man sich in Spielerkreisen um, ist der Gang nach Asien überhaupt im Herbst nicht gerade sehr beliebt. Der „Asian Swing“ ist meist gekennzeichnet durch wenig spielerische Brillanz, eher schon durch die Flut von Ausfällen, Rückzügen, auch Verletzungsproblemen.
Italien als Zukunftsmarkt der Männer
Das WTA Finale machte da überhaupt keine Ausnahme, ganz im Gegenteil. Fast an jedem Tag sorgte das Turnier durch angeschlagene Akteurinnen für Schlagzeilen der unwillkomnenen Art, die Misere zog sich bis zum Halbfinale durch, in dem Belinda Bencic, eine der Aufsteigerinnen der Saison, aufgeben musste. Durch Wiederholung wird die Forderung zwar nicht origineller, aber auch nicht unwahrer: Beide Spielergewerkschaften müssen über eine maßvolle Ausdünnung ihres Tourkalenders nachdenken, besonders darüber, in der Saison auch einmal richtige Pausen für alle einzulegen. Dann könnte die Saison auch durchaus ein, zwei Wochen länger dauern.
Natürlich stellt sich auch die prinzipielle Frage, wie sinnvoll es eigentlich ist, ein WM-Finale in China auszutragen, noch dazu über die nächsten zehn Jahre. Die WTA war da selten wählerisch in ihrer Selektion, sie ging schlicht dorthin, wo das meiste Geld winkte – ob das nun Katar, Singapur, die Türkei oder jetzt China war. Mitreißende Stimmung, wie sie zuletzt und stets bei den europäischen Hallenevents zu beobachten war, gab es nie. Die Heimmärkte der neuen Stars wurden in jüngerer Vergangenheit und nun auch in der Gegenwart so gut wie nie bedient, denn in gleich mehreren osteuropäischen Metropolen wäre das Finale ja sehr gut aufgehoben.
Man mag es bedauern, dass das ATP-Finale nach vielen erfolgreichen Jahren demnächst nicht mehr in London stattfindet, aber die ATP hat mit Turin eine gute und richtige Entscheidung getroffen. Für einen italienischen Markt, der dank einer gesunden Tennis-Infrastruktur, vielen Turnieren auf allen Ebenen, der bisher schon erfolgreichen Nachwuchs-WM (Next Gen Finals) und neuer Protagonisten wie Matteo Berrettini oder Jannik Sinner die perfekte Adresse scheint. So wie es Deutschland in Zeiten von Becker und Stich eben auch war.