YONEX-Manager Michael Schwarz: „Ein Tennisschuh geht in der Produktion durch 100 Hände“

Michael Schwarz begleitet als Produktmanager seit Jahren den professionellen Tenniszirkus, seit geraumer Zeit in Diensten von YONEX. Wir haben mal nachgefragt, mit welchem Schuhwerk wir denn am besten in die Sandplatzsaison einsteigen sollten.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 28.03.2022, 18:42 Uhr

Welche Schuhe sollte ich auf Sandplätzen tragen?
© Getty Images
Welche Schuhe sollte ich auf Sandplätzen tragen?

tennisnet: Warum ist es grundsätzlich Blödsinn, wenn ein Tennisspieler mit einem Paar Schuhe alle Beläge bespielt?

Michael Schwarz: Die Frage sollte anders gestellt werden

tennisnet: Was wäre die richtige Frage?

Schwarz: Zum Beispiel: Stimmt es denn, dass man auf Sand nur mit einem Fischgräten-Profil spielen sollte?

tennisnet: So, wie Sie die Frage stellen, würden wir sagen: dann wohl nicht.

Schwarz: Als Tennisspieler bin ich nicht mehr davon überzeugt, dass das der einzig richtige Weg ist. Das hängt auch mit der geographische Situation zusammen. Ich lebe in Salzburg, aber das gilt ja auch für alle Spieler in Süddeutschland oder Westösterreich: Wir wissen, dass wir sehr lange nasse Böden haben. Und die Idee ist ja, dass Sandplatzschuhe ein kontrolliertes Rutschen ermöglichen sollen. Auf nassen Böden rutscht man aber überhaupt nicht. Und dort wäre es manchmal vernünftiger, einen anderen Schuh zu nehmen. Auch wenn sie durch ihren „falschen“ Namen oft falsch eingesetzt werden: Denn die All-Court-Schuhe sind eben nicht nur Hartplatzschuhe. Damit fällt für viele dieser All-Court-Schuh aber als Option für den Sand aus.

tennisnet: Was zeichnet diese Schuhe aus?

Schwarz: Sie haben ein weniger aggressives Profil. Folgendes Beispiel: Wir sind ambitionierte Tennisspieler, haben einen frischen Sandplatzschuhe mit Fischgräte, so wie es sich gehört. Der Platz ist aber nass, was im Frühling immer der Fall ist. Wenn man  den ersten Ball rutschend zu erreichen versucht,ist die Chance relativ gross, dass man direkt stolpert und fällt Um diesen Schuh auch im Nassen zum Rutschen zu bringen, muss man richtig viel Druck geben. Man muss über die Haftgrenze „drübersteigen“. Und das gelingt den „Nicht“Sandplatz erprobten (Rutschern) Spielern nicht immer.

Das Profil des Sandplatz-Schuhs von YONEX
© YONEX
Das Profil des Sandplatz-Schuhs von YONEX

tennisnet: Se spielen also wahrscheinlich nicht mehr mit Sandplatzschuhen?

Schwarz: Nein. Nicht mehr. Ich bin gestürzt, obwohl ich weiss wie man rutscht, seit Kindestagen. Ich spiele nur noch mit All-Court-Schuhen. Für uns Spieler ältere Spieler oder weniger routinierte Spieler ist das wahrscheinlich die bessere Wahl. Ambitionierte Turnierspieler, die auch dort antreten, wo trockenere Bedingungen herrschen, da macht ein Sandplatzschuh durchaus Sinn.

Der All-Court-Schuh von YONEX
© YONEX
Der All-Court-Schuh von YONEX

tennisnet: Warum hat sich der All-Court-Schuh noch nicht entsprechend in den Köpfen der Spieler festgesetzt?

Schwarz: Weil wir Tennisspieler ganz große Traditionalisten sind. Lustigerweise nur auf dem Tennisplatz. Sonst fahren wir die neuesten Autos, telefonieren mit den modernsten Handys. Aber es kann ja nicht sein, dass die Fischgrätsohle seit 1875 die beste Lösung für Sandplätze ist. Andere Ansätze werden aber nicht oder nur sehr schwer akzeptiert.

Klassisches Fischgrätenprofil am Beispiel eines Schuhs von ASICS
© ASICS
Klassisches Fischgrätenprofil am Beispiel eines Schuhs von ASICS

tennisnet: Gibt es diese Ansätze denn?

Schwarz: Die gibt es sehr wohl. Mit diesen Neuentwicklungen  kann man sehr temperiert und kontrolliert rutschen.Es sind ja auch Sandplatzschuhe, nur haben sie nicht mehr das traditionelle Fischgrätenprofil.. Und diese Sohlen lassen sich viel leichter säubern als jene mit Fischgräte. Und das war eigentlich immer als Pluspunkt für die Fischgräte angesehen worden.
tennisnet: Je enger die Fischgräten, umso größer der Rutschstopp?

Schwarz: Das hängt von der Tiefe des Profils ab. Viele spielen den ganzen Winter mit den Sandplatzschuhen in der Halle oder schleifen vor dem ersten Mal Spielen die Schuhe über den Asphaltplatz, damit die erste Schärfe der Sohle einmal weg ist. Weil die Fischgräten sind manchmal so scharf, dass man auch bei trockenen Böden vorsichtig rutschen sollte.

tennisnet: Wenn man sich die Entwicklung während der letzten Jahrzehnte ansieht - wie haben sich die Tennisschuhe verändert?

Schwarz: Was sich nicht verändert hat, ist die Sohle. Die war wahrscheinlich auch schon in den 1950er-Jahre so wie heute. Entwicklung hier? Leider nein, zumindest zu wenig... Natürlich sind jetzt andere Materialien in den Schuhen. Früher war der Leder- bzw. Kunstleder-Anteil höher, jetzt ist mehr Mesh-Material in den Schuhen verarbeitet. Dadurch ist der Schuh atmungsaktiver und leichter. An manchen Stellen auch weniger stabil. Allerdings gibt es hierfür im  Mittelfußbereich des Schuhs o Karbon-Plättchen, die den Schuh stabiler und verwindungssteifer machen.

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"Man sollte zumindest zwei Paar Sandlatzschuhe haben"

tennisnet: Bei Läufern sagt man ja oft, dass sie zwei unterschiedliche Paar Schuhe haben sollen, um dem Fuß immer wieder neue Reize zu geben. Sollte man im Tennis auch mehr als ein Paar haben - und nutzen?

Schwarz: Bei Schuhen halte ich es so, dass ich jeden Tag einen anderen trage. Für Meisterschaftsspieler wäre es sicherlich gut, wenn sie mindestens zwei Paar Sandplatztennis- Schuhe hätten. Weil wenn man Tennis spielt, schwitzt man immer. Der Schuh ist einfach immer nass. Da ist es schon für die eigene Hygiene gut, wenn man einen Schuh mal so richtig austrocknen lassen kann. Zumindest sollten es zwei Paar Sandplatzschuhe sein, mit denen man sich wohlfühlt beim Rutschen.., . Denn da möchte man beim Rutschen immer dasselbe Gefühl haben.

tennisnet: Was zeichnet gerade die Schuhe von YONEX aus?

Schwarz: Aus meiner Sicht ist es so, dass die Japaner eine andere Herangehensweise pflegen, was die Qualität des Produktes angeht. Man wird selten einen japanischen Schuh finden, egal von welcher Firma, der eine schlechte Qualität hat. Und es gibt auch die Bereitschaft, Sand-Sohlen auszuprobieren, wenn sie kein Fischgrätmuster haben. YONEX hat einen Sandplatzschuh, da wird man keine Gräte finden.

tennisnet: Bei Schlägern wissen wir, dass diese auf das Gramm genau auf die Bedürfnisse der Spitzenspieler abgestimmt werden. Ist das bei Schuhen auch so?

Schwarz: Diejenigen, die sich auskennen, wie früher ein Thomas Muster, wie jetzt ein Dominic Thiem, haben Maßsschuhe. So, wie mittlerweile auf Hartplatz gerutscht wird, können die Spitzenspieler nicht mehr mit normalen Schuhen spielen. Dazu sind die Belastungen zu extrem. Da ist ein Schuh vielleicht ein wenig höher, vielleicht auch in einer Zwischengröße, die der normale Hobbyspieler gar nicht kaufen kann.

tennisnet: Kann man bei Schuhen also ähnlich individuell Wünsche erfüllen wie bei Schlägern?

Schwarz: Das geht bei Schlägern sicher leichter. Schuhe sind Handarbeit. Eine Tennisschuh, auch die, mit denen wir Hobbyspieler einlaufen, geht in der Produktion durch die Hände von 100 Leuten . Dieser Prozess ist extrem komplex. Der Arbeitsaufwand ist unvorstellbar.

von Jens Huiber

Montag
28.03.2022, 18:16 Uhr
zuletzt bearbeitet: 28.03.2022, 18:42 Uhr