Das sind meine großen Turnierfavoriten

tennisnet.com-Herausgeber Alex Antonitsch analysiert die Auslosung des zweiten Grand-Slam-Turniers des Jahres.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 21.05.2010, 20:45 Uhr

Jetzt geht’s los! Das große Highlight der Sandplatz-Saison steht bevor, die Hauptbewerbe der French Open sind ausgelost. Schon die erste Woche wird ungemein spannend, da kann bei einem Grand Slam fast alles passieren.


Die Herren

Auch wenn so viel geschehen kann, für mich ist die Situation bei den Herren ganz klar: Alles andere als ein Finale zwischen Roger Federer und Rafael Nadal wäre eine Riesen-Überraschung. Beide haben am Anfang keine allzu schweren Brocken, könnten somit gut ins Turnier hineinfinden und viele Kräfte für die zweite Woche sparen. Gut für die beiden ist auf alle Fälle, dass mit Nikolay Davydenko und Juan Martin del Potro zwei Kaliber fehlen, die hätten ihnen weh tun und den Abstand zu ihnen als Top-Favoriten verringern können. So sollte es im Normalfall eine ausgemachte Sache sein.

Top-Favorit 1: Roger Federer (Schweiz)
Seine Auslosung schaut sehr, sehr gut aus. Luczak sollte kein Problem darstellen, Tipsarevic könnte unangenehm werden, auf Sand aber wahrscheinlich nicht. Danach hat er mit Feliciano Lopez, Stanislas Wawrinka, Gael Monfils und Marin Cilic durchwegs Spieler auf seinem Ast, die nicht oder in keineswegs überragender Form sind. Er hat also eine angenehme Auslosung erwischt, in der ersten Woche sehe ich für ihn keine übermäßig schwere Hürde. In der zweiten Woche könnte dann auch das Wetter von großer Bedeutung sein, denn nirgends kann länger bei Regen gespielt werden als in Paris. Auch im zweiten Raster-Viertel sehe ich keinen, der ihn gefährden sollte, da ist für mich kein weiterer Mitfavorit dabei.

Top-Favorit 2: Rafael Nadal (Spanien)
Er hat eine sehr gute bis optimale Auslosung erwischt. In der ersten Runde wartet auf ihn mit Gianna Mina einer der besten Junioren der Welt, danach steht ihm vorerst kein einziger echter Sandplatz-Spezialist im Weg – das dürfte eine entspannende erste Woche für Nadal werden. Oben werden sich die anderen inzwischen aus dem Weg räumen und viel Kraft liegen lassen, da stehen voraussichtlich Kracher bevor wie Gonzalez – Almagro, Verdasco – Kohlschreiber und dann die Sieger dieser Duelle noch einmal gegeneinander. Wer hier als der Stärkste hervorgeht, wird wahrscheinlich schon wesentlich müder als Nadal sein.

Der erweiterte Favoritenkreis
In diese Kategorie ordne ich Fernando Gonzalez, Nicolas Almagro, Robin Söderling, Ernests Gulbis, Novak Djokovic, David Ferrer, Jürgen Melzer und einen der Franzosen ein, der mit Heimvorteil im Rücken ebenso für eine Überraschung sorgen könnte, wie die Anderen. Alle Genannten sind aber keine Leute, die ich heuer im Finale sehen würde.

Wenn, dann könnte am ehesten Verdasco durchmarschieren. Er ist in Top-Form und es wäre fällig, dass er bei einem Grand Slam mal wieder aufzeigt. Das würde ich ihm auch vergönnen, er spielt ein geiles Tennis und hat gegen Nadal unglaubliche Sachen gemacht – wenn auch noch nie gewonnen. Sein Programm könnte aber bis zur zweiten Woche schon äußerst Kräfte raubend werden, es stellt sich die Frage, wie er dieses meistern kann.

So wie Verdasco jeden schlagen kann Ferrer. Ich bin mir aber sicher, dass er sich nicht gerade sonderlich darauf freut, in der dritten Runde vielleicht gegen Melzer spielen zu müssen. Gut erwischt hat’s für mich Djokovic, er hat eine Auslosung, bei der er sich Schritt für Schritt steigern und in Form kommen kann. Vom Tennis her ist er voll dabei, ihm fehlt nur die Matchpraxis, er braucht Partien, Partien, Partien. Bei Söderling wird es interessant zu sehen, wie er mit dem Druck umgeht. Er hat mit dem Vorjahres-Finale so viele Punkte zu verteidigen, wie sie jeder Österreicher überhaupt gerne einmal hätte.

Die Österreicher
Jürgen Melzer:Er hat in der ersten Runde mit Dudi Sela eine „Box aus Chocolate“ – man weiß nie, was man kriegt. Auch die zweite Aufgabe, wahrscheinlich Nicolas Mahut, sollte aber machbar sein, die beiden Hürden sollte er programmgemäß überstehen. Dann wird’s eine interessante Geschichte. David Ferrer ist wie ein Zahnarzt-Besuch. Ich weiß nicht, was mir lieber wäre: eine Wurzelbehandlung oder gegen Ferrer auf Sand spielen. Der Spanier wäre hier sicher Favorit, aber die zweite Woche ist für Melzer sicher machbar, er ist dazu fähig, eine große Überraschung zu liefern. Weniger sicher bin ich mir, ob er konstant genug ist, um mehr als nur einmal zu überraschen.

Daniel Köllerer:Ich erwarte mir von ihm da nicht allzu viel. Er hat heuer leider erst wenig gewonnen. Jeder Sieg hier wäre eine Überraschung, spätestens ab der zweiten Runde hat er in jedem Fall eine schwere Auslosung – zuerst wahrscheinlich mit Monaco, darauf mit Roddick.

Martin Fischer:Auch bei ihm sollte man sich nicht zu viel erwarten. Für ihn ist es schon ein toller Erfolg, dass er sich zum ersten Mal für den Hauptbewerb eines Grand-Slam-Turniers qualifiziert hat.


Die Damen

Früher waren die Favoritinnen da klarer auszumachen. Heuer kann man fast nur sagen, wer gut in Form ist und wer nicht und wer die Form rüberbringen kann. Fest steht nur eines: Für die beiden Williams-Schwestern ist es die größte Chance seit langem auf den French-Open-Titel.

Top-Favoritin 1: Serena Williams (USA)
Serena hat erst einmal in Paris gewonnen, aber das ist schon acht Jahre her. Bei ihr sehe ich in der ersten Woche keine ernst zu nehmende Hürde. Danach könnte es sehr interessant werden, wenn es gegen Kaliber wie Justine Henin oder Sam Stosur gehen könnte.

Top-Favoritin 2: Venus Williams (USA)
Sie hat es mit der Auslosung nicht ganz so gut erwischt. Patty Schnyder ist keine allzu angenehme Auftaktgegnerin, auch gegen Dominika Cibulkova könnte es etwas schwerer werden. Und schon im Achtelfinale könnte Aravane Rezai warten.

Top-Favoritin 3: Justine Henin (Belgien)
Die weiß, wie man’s in Paris macht, hat hier schon viermal gewonnen. Auch ihre Form ist allerdings schwer einzuschätzen. Nach dem Turniersieg in Stuttgart hat sie in Madrid dann wieder in der ersten Runde verloren. Sie hat eine ganze toughe Auslosung, könnte schon in der dritten Runde auf Samantha Stosur treffen.

Der erweiterte Favoritenkreis
An erster Stelle ist für mich hier Jelena Jankovic zu nennen, die Serbin muss man auf der Rechnung haben. Sie ist von allen derzeit am besten in Form und es stellt sich die Frage, ob sie nicht mal für einen Titel fällig ist. Ich sehe sie angesichts der Auslosung ganz locker im Viertelfinale. Im obersten Raster-Viertel könnten sich dann Serena Williams, Henin und Stosur aufreiben und viel Energie liegen lassen – das könnte ihre Chance sein.

Auch Stosur muss man zu den erweiterten Favoritinnen zählen. Sie war zuletzt in Stuttgart im Finale und in Paris im Vorjahr im Halbfinale, steht daher natürlich auch unter großem Druck. Fraglich, wie sie damit umgehen kann. Gespannt bin ich vor allem aber auf Aravane Rezai, sie wird nach ihrem sensationellen Sieg in Madrid viel Aufmerksamkeit erhalten und hat das Publikum voll hinter sich.

Das große Rätsel
Das große Rätsel sind für mich heuer die bekanntesten Russinnen. Dinara Safina war zum Beispiel verletzt, Svetlana Kuznetsova hat zuletzt nur wenig gewonnen. Vom Potential her ist für die beiden oder auch Maria Sharapova und Jelena Dementieva alles drinnen, von den jüngsten Leistungen her schaut es bei den meisten allerdings nicht so aus, als ob ihnen in Paris viel gelingen wird.

Die Österreicherinnen
Sybille Bammer:Sie plagt sich leider viel mit Verletzungen herum, es kommt darauf an, wie fit sie ist. Denn kaum eine Spielerin ist mehr von der physischen Verfassung abhängig als sie. Von der Auslosung her wäre sicher einiges drinnen – aber das denken sich auch die anderen Spielerinnen in ihrem Ast.

Yvonne Meusburger:Ihre erste Aufgabe ist mehr als machbar, gegen Kirilenko wird’s dann jedoch schwer werden – ich fürchte zu schwer. Ich würde mich aber gerne überraschen lassen.


Die Junioren

Österreichs einziger Junior: Dominic Thiem
Darauf freue ich mich wirklich schon. Auch ich habe lange kritisiert, dass wir bei den Grand Slams niemanden dabei haben, der mitspielen kann – und jetzt haben wir einen schon ein Jahr früher dort, mit 16. Er ist seit heute fix in den Top Ten und der jüngste Spieler in der Jugend-Weltspitze, es ist schon geil, dass er in Paris überhaupt dabei ist. Er wird in Hinkunft wohl nur noch die Junioren-Grand-Slams spielen und erstmals bei den Futures reinschnuppern, das wird sehr interessant werden.

Hut ab auch vor Günter Bresnik und seiner Arbeit. Ich habe in Österreich erst wenige gesehen, die einem vielversprechenden Schützling die Rückhand von beidhändig auf einhändig umlernen. Drinnen ist für Dominic alles – er kann in der ersten Runde verlieren oder genauso das Turnier gewinnen. Ich weiß nur eines: Beim ersten Mal kann man sich überhaupt nicht konzentrieren – bei dem ungewohnten Rummel, der da auf einen zukommt.




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Freitag
21.05.2010, 20:45 Uhr