"Man muss einfach neue Wege gehen"

Am Samstag startet mit dem bet-at-home.com Cup in Kitzbühel Österreichs einziges Freiluft-ATP-Turnier. tennisnet.com-Herausgeber Alex Antonitsch im ersten Teil des ausführlichen Interview-Zweiteilers: über seine Premiere als Turnierdirektor, das gute und ausgeglichene Teilnehmerfeld, die Absage von Jürgen Melzer, die Chancen der Österreicher – und über einen verärgerten Martin Fischer.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 27.07.2011, 15:28 Uhr

Alex, wie groß ist die Nervosität wenige Tage vor Turnierstart?

Sie hält sich noch in Grenzen. Mich stört eher das, wo man nichts tun kann – wie das Wetter. Diese Woche ändert es sich ja bescheiden, hoffentlich wird’s nächste Woche noch besser.

Wieviele Arbeitsstunden hattest du seit Beginn deiner Tätigkeit als Turnierdirektor?

Das kann man nicht messen. Ich bin eigentlich permanent erreichbar. Manchmal sind an einem Tag gleich 15, 16 Sachen zu erledigen, oft auch an Sonntagen. An manchen Tagen ist es wieder etwas weniger. Ich sehe das aber nicht als Arbeitstag, ich hab keinen geregelten. Ich werde einfach für manches benötigt und eingesetzt.

Für was denn alles?

Viele Interviews, Pressekonferenzen und einfach rundherum viele Sachen, bei denen man teils gar nicht denken würde, dass die direkt mit dem Turnier zu haben. Meine Arbeit dreht sich da auch sehr um die Öffentlichkeitsarbeit und PR, das Abschiedsevent von Stefan Koubek und seinen Doppelstart im Zuge der Aktion „Spiel des Lebens“ – und nicht zuletzt die Arbeit mit den Spielern. Wer will wann spielen, die Wildcard-Vergabe – man probiert echt alles für die Spieler, ruft jeden zurück, berechnet dabei oft auch die Zeitverschiebung ein. Montag hab ich etwa schon um 7.30 Uhr den ersten Anruf erhalten mit Bitte um einen Dienstag-Spieltermin. Das ist aber genau unsere Stärke, dass die Spieler merken, wir kümmern uns um sie.

Du wirst aber sicher auch viele fleißige Helferchen haben, oder?

Ja, natürlich, und ohne die wäre das alles auch gar nicht möglich. Vom Stadion und Anlage aufbauen über das Herrichten des Centercourts bis zur Presseabteilung, die Hotelbuchungen und die Ticketabteilung, da arbeiten großteils die Veranstalter vom KTC, die machen das alle seit vielen Jahren und echt super. Ohne das erfahrene Team um Präsident DI Herbert Günther und Vizepräsident Markus Bodner und der Mannschaft vom Klub ginge gar nichts. Ein Kurt Gogg bemüht sich auch noch um die ganzen Ballbuben, Schieds- und Linienrichter, da muss ich mich überhaupt nicht drum kümmern, und auch nicht um die Plätze, die Fritz Mitteregger schon seit einer gefühlten Ewigkeit in Schuss hält. Schon als ich, glaube ich, zwölf Jahre alt war, hat er das gemacht. Die Plätze sind auch heuer wieder in einem Top-Zustand, da muss man sich keine Sorgen drum machen. Es ist alles einfach sensationell betreut.

Hattest du vorher schon Erfahrung als Turnierdirektor?

Ich hab vorher noch nie ein Turnier organisiert. Ich hab nur immer wieder mitgeholfen, zum Beispiel beim Kids-Tag, der Player’s Party oder der Wildcard-Trophy der Wiener Stadthalle und bei diversen Side-Events. Ich hab dafür über die Jahre von allen Seiten her einen Einblick bekommen: als Kind, als junger Zuschauer, als Spieler und Medienvertreter. Dass ich nach außen stehe, hat vor allem mit meinem Namen zu tun, das hat in der Öffentlichkeit wohl mehr Wirkung. Aber ich hab natürlich überall gesehen, was man bei den Turnieren so alles machen, kopieren und vielleicht noch verfeinern kann.

Kommen wir erst zum Sportlichen.Du hast als Ex-Profi viele Connections. Warum ist es trotzdem nicht gelungen, einen aktuellen Top-20-Spieler nach Kitzbühel zu holen?

Bei Nennschluss war er noch Top 20. Mir ist klar, dass wir medial sehr daran gemessen werden, wieviele Top-Ten-Spieler dabei sind. Das ist aber nicht der Maßstab. Das gelingt nur mit Goodies und einem Bonus, man braucht genug Budget. Natürlich kann man dann eine Nummer 7 oder 8 der Welt kriegen, aber es ist die Frage, ob es sich dafür überhaupt steht. Wenn man mich fragt „Ferrer oder Kohlschreiber?“, dann behaupte ich, Kohlschreiber ist fürs Turnier wichtiger.

Du bist mit dem Feld sonst also durchaus zufrieden?

Ja, sehr sogar. Wir haben viele Leute, denen Kitzbühel taugt: Ljubicic, Robredo, mit Fognini und Chela zwei French-Open-Viertelfinalisten, mit Lopez einen Wimbledon-Viertelfinalisten, durch Seppi kommen viele Südtiroler. Sonst gibt’s ja keinen Tiroler, der dabei ist, nur mit Haider-Maurer einen Halb-Tiroler. Die Dichte ist sehr gut, das hat auch die ATP gesagt. Alle Gesetzten müssen die Woche darauf in Montreal spielen und sind trotzdem da. Das ist ein klares Zeichen für Kitzbühel als Abschluss der Sandplatz-Saison.

Österreichs Nummer 1 hat dieses Zeichen zum Beispiel nicht gesetzt…

Es gibt vier Spieler, die ich natürlich gerne dabei gehabt hätte: Nadal, Federer, Djokovic und Melzer. Realistisch betrachtet braucht man in Österreich als Veranstalter eines ATP-Turniers ein dichtes Feld und Melzer. Das dichte Feld haben wir wenigstens, Melzer leider nicht.

Wie bitter ist das für das Turnier?

Es ist bitter, das war so nicht vorhersehbar. Wir haben lange Zeit alles probiert, haben ihm, denke ich, ein super Angebot gemacht. Wir haben es zu respektieren, dass er es eben nicht angenommen hat.

Andreas Haider-Maurer ist somit der einzige Österreicher, der direkt im Hauptbewerb steht. Was ist für ihn deiner Meinung nach möglich?

Sein Ziel muss es sein, wie vorletzte Woche in Bastad wieder das Viertelfinale zu erreichen, vielleicht sogar das Semifinale. Und das ist ihm besonders in der Höhenlage hier zuzutrauen.

Wie realistisch ist es für dich, dass Thomas Muster nach 13 Niederlagen in Folge auf der Tour wieder ein Match für sich entscheidet?

Es wäre ein Traum für den Veranstalter, wenn Tom seine Wildcard ausnützt und eine Runde gewinnt. Er hat zuletzt in Braunschweig nur mit 4:6 im dritten Satz gegen Gabashvili verloren und bereitet sich schon früh hier vor. Wenn viele Leute da sind und er das Spiel eng gestalten kann, dann werden die Gegner ein bisschen nervös, das weiß ich aus Erfahrung. Für eine Überraschung muss aber sicher auch die Auslosung mitspielen.

Verstehst du den Sinn seines Comebacks?

Das ist schwer zu sagen. Ich verstehe auf jeden Fall, wie gern er wettkämpft, dass ihm das Spaß macht und dass er auf der Seniors Tour nicht mehr ausgelastet war. Ich bewundere die Art und Weise, wie er sich auf etwas vorbereitet. Er ist ein Vorbild für Jung und Alt, alle, die mit ihm mal trainieren, sind von ihm und seiner Einstellung begeistert. Mich verblüfft auch, dass sein Körper das aushält.

Der zweite der drei Wildcard-Empfänger ist mit seinen 17 Lenzen gleich um 26 Jahre jünger als Muster. Was darf man sich von Dominic Thiem erwarten?

Diese Wildcard war für mich am klarsten. Dominic ist unsere derzeit heißeste Aktie. So eine Wildcard kann ihm beim Einstieg auf die Tour sehr behilflich sein. Ich bin wie sein Trainer Günter Bresnik überzeugt, dass er auch den einen oder anderen im Hauptfeld schlagen kann. Aber um konstant auf der Tour mitzuspielen, muss er körperlich noch zulegen.

Nicht sehr glücklich über die Wildcard-Vergabe ist Martin Fischer, wie man hört.

Ich hab lange mit ihm gesprochen, teils verstehe ich auch seinen Ärger. Eine Wildcard hält allerdings unser Co-Partner Octagon bereit, die ist noch offen. Die anderen zwei Wildcards waren klar für Thiem und nach einigen Überlegungen auch klar für Muster.

Warum hat Fischer keine bekommen?

Ich hab ihm gesagt, du musst das verstehen. Es gibt sportliche und wirtschaftliche Gründe für eine Wildcard, daher ist die Entscheidung für Tom ausgefallen. Mir taugt der Martin, das hab ich immer gesagt. Er versteht’s halt nicht, warum er als Nummer 3 Österreichs nicht dabei ist. Er hat sich zwar jetzt in Gstaad qualifiziert, aber man muss auch sagen, dass er sich als Nummer 198 der Welt nicht mörderisch aufgedrängt hat. Er ist ja nicht mit Pech knapp nicht in den Hauptbewerb reingekommen.

Im Doppel hat er sich mit drei Challenger-Titeln in Folge allerdings schon aufgedrängt – und wurde bei der Freikarten-Verteilung trotzdem nicht berücksichtigt.

Im Doppel verstehe ich seine Enttäuschung mehr, da hat er zuletzt mit Philipp Oswald richtig gute Leistungen gebracht. Haider-Maurer wollte gern Doppel spielen und der Muster-Bonus soll voll ausgespielt werden, daher haben die beiden eine Wildcard. Die andere Freikarte wird im Zuge der Aktion „Spiel des Lebens“ vergeben.

Wie gut geht’s dir mit der Entscheidung?

Viele stellen einem die Frage „Muss man sowas tun?“. Ich sage: Ja, man muss einfach neue Wege gehen – wie mit „Spiel des Lebens“, wo man die einzigartige Chance bekommt, mit Stefan Koubek im Doppelbewerb aufzuschlagen. Die Aktion war auch ein Riesen-Erfolg, es haben mehrere Tausend Leute Interesse gezeigt, das ist richtig gut angekommen. Es war auch medial ein Riesen-Thema, die regionalen Medien haben das richtig gepusht. Auch dass Rainer Schönfelder mitspielt und seine ersten ATP-Punkte holen will, hat für großes Aufsehen gesorgt. Natürlich fühle ich mich trotzdem nicht ganz wohl damit, dass ein Doppel wie Fischer/Oswald, das sich eine Chance verdient hätte, zuschauen muss. Es ist sicher nichts Persönliches gegen Martin. Schade, dass er jetzt nicht mal Quali spielen will, sondern den Trani-Challenger. Haider-Maurer hat das letztes Jahr in der Stadthalle anders gelöst, mit dem Frust der ihm nicht gegebenen Wildcard als Lucky Loser das mit Abstand beste Turnier seiner Karriere gespielt. Ich hoffe, dass der Ärger auch bei Martin solche Ergebnisse bewirkt.(Foto: GEPA pictures)

Das Gespräch führte Manuel Wachta.

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Mittwoch
27.07.2011, 15:28 Uhr