Alexander Waske - „Dann spielen Ernie und Bert gegen Asterix und Obelix“

University in Offenbach erfolgreich eine Karriere als Coach gestartet. Im Gespräch mit tennisnet geht der ehemalige deutsche Davis-Cup-Spieler auf die Unterschiede zwischen der ATP- und der Future-Tour und auf seine Erfahrungen mit Petra Martic ein.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 30.04.2020, 14:10 Uhr

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Alexander Waske leitet seine Tennis University in Offenbach
© Jürgen Hasenkopf
Alexander Waske leitet seine Tennis University in Offenbach

tennisnet: Herr Waske. In den vergangenen Tagen und Wochen ist viel vom Einkommensgefälle innerhalb der Tennisszene die Rede. Wie muss sich der Laie die Unterschiede zwischen einem Turnier auf ATP- und einem auf ITF-Level vorstellen?

Alexander Waske: Bei einem großen ATP-Turnier wie etwa jenem in München, das einfach fantastisch organisiert ist, kommst Du auf die Anlage, und es ist alles da. Auf Deinem Trainingsplatz sind Wasserflaschen, Handtücher. Man bekommt für jedes Training neue Bälle. Es gibt einen Players´ Service, wo man Plätze buchen kann. Wenn man Fragen wegen des Hotels hat, vielleicht doch ein Doppelzimmer braucht, weil die Freundin mitgekommen ist - das wird alles für die Spieler organisiert. Man ist wunderbar aufgehoben. Du wirst vom Flughafen abgeholt, hast einen Fahrservice. Zwar muss man seine Flüge selbst bezahlen, aber als Spieler bekommt man Hospitality, das heißt, das Hotelzimmer ist inklusive, das bekommt man etwa für fünf Nächte, wenn man im Hauptfeld steht. So macht das richtig Spaß.

tennisnet: Und wie sieht das bei einem ITF-25.000er aus?

Waske: Bei einem 25.000er sitzt irgendwo in einem kleinen Raum irgendjemand drin, der für das Turnier arbeitet. da bekommt man drei gebrauchte Bälle zum Training, die zum Teil schon richtig alt sind. Dafür muss man natürlich auch noch ein Pfand hinterlegen. Dann trägt man sich auf einem Blatt Papier für die Trainingsplätze ein, das prüft auch kein Mensch nach, ob die Spieler überhaupt im Feld drin sind oder nicht. Und dann spielen Ernie und Bert mit Asterix und Obelix. Es ist also sehr schwierig, dort zu trainieren, man muss sehr oft die Plätze teilen. Der eine kommt erst um halb dazu, will sich einschlagen, Du selbst willst aber noch ein paar Punkte spielen. Da geht es wild durcheinander. Und die meisten Anlagen haben auch kein Gym, das heißt, dass ich im Zweifel mein Stabilitätstraining im Hotel auf dem Flur machen muss. 

tennisnet: Das klingt im Vergleich natürlich sehr mühsam.

Waske: Ich kenne keine Sportart, in der es Dir wahnsinnig leicht gemacht wird, Profi zu werden. Jeder muss irgendwo durch so eine toughe Phase durch, finde ich. Und ein 25er ist ja noch nicht einmal die unterste Stufe. Da gibt es ja auch noch die 10er.

tennisnet: Sie haben diese Phase vor wenigen Jahren noch einmal mit Petra Martic durchlebt - eine ehemalige Top-50-Spielerin, die nach Verletzung wieder die Ochsentour antreten musste. Wie schwierig war das für ihre ehemalige Spielerin?

Waske: Bei Petra war es damals ja so, dass sie ihren gesamten Glauben in ihren Körper verloren hatte. Und auch den Glauben daran, ob sie es überhaupt wieder schaffen würde. Und deshalb war es mir auch wichtig, sie bei ihrem ersten Turnier nicht allein spielen zu lassen. Petra war pleite, hatte kein Geld mehr - und den Trip, den hat unsere Firma dann selbst finanziert. Wir haben gesagt: Diese Spielerin lassen wir nicht im Stich. Und es ist wichtig, dass man als Spielerin jemanden draußen sitzen hat, dem man sein Engagement auch wirklich glaubt. Ich habe selbst genügend Verletzungen gehabt, ich weiß, wie sich das anfühlt. Das war nicht einfach.

Alexander Waske - "Spitzensport ist manchmal auch grenzwertig"

tennisnet: Der Erfolg hat Ihnen recht gegeben.

Waske: Petra hat da Spielerinnen in der Quali geschlagen, Bibiane Schoofs in Runde eins etwa, die können schon auch spielen. Die musst Du erst einmal schlagen. Aber das war schon ein geiler Auftakt: Aus er Quali das ganze Ding zu gewinnen. Petra war auch richtig platt danach. Aber da sind Tonnen an Gedanken an ihr abgefallen: Bin ich noch gut genug? Schaff ich das überhaupt noch mal? Oder ganz banal: Tut was weh? Ich war auf diesem Trip ja halb Physio. Habe Petra auf einem Stück Rasen dabei geholfen, sich zu stretchen. Bei so einem 25er ist zwar offiziell ein Physiotherapeut dabei, gefühlt sind das aber eher Praktikanten. Da kann man sich nicht drauf verlassen. Da spielt sich wahnsinnig viel im Kopf hat.

tennisnet: Wie die anschließenden Erfolge gezeigt haben: bei Petra Martic hat der Kopf funktioniert.

Waske: Das hat ihr wahnsinnig viel Selbstvertrauen gegeben für die nächsten Wochen. Danach hat sie in Wiesbaden noch Finale gespielt, dann haben wir sie vorbereitet auf die French Open. Und sechs Tage vor dem ersten Quali-Spiel in Paris da hab ich sie richtig hart rangenommen: Hardcore-Intervalle, links-rechts-links-rechts, kurze Pause, und nochmal. Bis sie mich dann angekuckt hat nach dem Motto: Bist Du verrückt - was ist los mit Dir? Und da hab ich ihr gesagt: Du zeigst mir jetzt, ob Du überhaupt nach Paris gehen kannst. Du willst zu einem Grand-Slam. Aber Du kannst auch zuhause bleiben, kein Problem. Und dann hat sie mich angefaucht, da ist richtiger Hass durchgekommen. Der dann doch in ein Lachen übergegangen ist, weil sie gemerkt hat: Der verarscht mich gerade. Im Nachhinein war das wahnsinnig wichtig. Weil da konnte ich ihr zeigen: Schau ma, wenn Du so hart trainierst, dann bist Du ready, Dein Körper schafft das. In der letzten Quali-Runde hat ihre Gegnerin auf das Match serviert, da war Petra platt. Und nach dem Match hat sie mir gesagt, dass in dem Moment daran gedacht hat, wie ich sie im Training gequält habe. Und dass sie noch einen Extra-Gang hat. Gewinnt das Ding im Tiebreak im dritten Satz, dann noch drei Runden im Hauptfeld und verliert in Runde vier nach 5:2 im Dritten gegen Elina Svitolina. Solche Trainings-Einheiten bleiben bei den Spielern hängen. Und natürlich muss man aufpassen, man kann das nicht immer machen. Auch aufgrund der Verletzungsgefahr. Aber der Spitzensport ist eben manchmal auch grenzwertig.

von Jens Huiber

Donnerstag
30.04.2020, 13:20 Uhr
zuletzt bearbeitet: 30.04.2020, 14:10 Uhr